IG Wiedau wehrt sich gegen geplante Exxon-Halle in Bellen - Von Nina Baucke

„Wir haben eine Scheißangst“

Exxon möchte auf dem Grundstück der Anlage in Bellen eine neue Halle bauen. Das sorgt für Zündstoff und ruft die Interessengemeinschaft (IG) Wiedau auf den Plan.
 ©Doris Metternich

Bellen. Noch ist es ein Bauprojekt auf dem Papier, für die Einwohner Bellens bislang nicht mehr als eine Power-Point-Präsentation – und doch sorgt die von Exxon-Mobil geplante Halle auf seinem Betriebsgelände im Trochel für reichlich Zündstoff. „Ich will ja gar nicht sagen, dass die Halle schlecht ist“, sagt Friedhard Voss. „Aber es geht darum, dass kritischer hingeschaut wird.“ Der Moordorfer ist Mitglied einer neuen Interessengemeinschaft, die sich nach der Bekanntgabe Exxons formiert hat: die IG Wiedau.

Denn nicht nur einige Bellener sehen die Pläne des Energiekonzerns kritisch, auch Bürger aus Moordorf und Rosebruch sind in der Interessengemeinschaft vertreten. Der Auslöser für die Gründung war die Konzeptvorstellung von Exxon Mitte Januar auf einer Infoveranstaltung. Der US-Konzern plant, in der Halle feste und flüssige Reststoffe aus der Erdgasproduktion voneinander zu trennen und diese dann, im Gegensatz zu vorher, getrennt entsorgen zu lassen – und das nicht nur mit den Überbleibseln aus der Produktion vor Ort, sondern aus der gesamten Elbe-Weser-Region. Und das ist einer der Punkte, der den Aktivisten besonders sauer aufstößt: „Die fahren alle durch den Trochel. Was passiert, wenn mal ein Tanklastzug verunglückt?“ fragt IG-Mitglied Frank Thiemann. „Wir sind schon eine höchstbelastete Region. Und unsere Frage ist auch: Jetzt bauen sie die Halle. Aber was haben sie vorher in den vergangenen 30 Jahren mit den Reststoffen gemacht? Da kommt einfach zu wenig Information rüber.“ Der IG Wiedau geht es um die sofortige Einstellung des Genehmigungsverfahrens, verknüpft mit der endgültigen Klärung der Ursachen für die signifikant erhöhten Krebsraten in den betroffenen Ortschaften. Sie glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen der Erdgasförderung und den Krankheitsfällen gibt. „Vor 2005 gab es alle paar Jahre mal eine Neuerkrankung. Doch seitdem sind es jährlich ein bis zwei“, sagt Grit Leymann. Auch die Brockelerin engagiert sich in der Initiative. „Und dabei reden wir hier von allen möglichen Krebsarten und sämtliche Altersstufen zwischen 30 und 79 – und nicht nur um die, um die es in den Fragebögen geht.“ Um den Ursachen weiter auf den Grund zu gehen, fordert die IG Wiedau in einem Schreiben Exxon-Mobil auf, anonymisierte Daten aus dem betriebsinternen Gesundheits-Screening zur Verfügung zu stellen. Eine erste Antwort gab es schon, der Exxon-Pressesprecher Hans-Hermann Nack hat sich zum Gespräch angekündigt, für die Mitglieder der Initiative immerhin ein Schritt hin in Richtung Transparenz und offener Diskussion. „Sie müssen reagieren“, sagt Frank Thiemann. Er hofft, dass nun Bewegung in die Sache kommt – und in Zukunft auf kontrollierte Arbeiten. „Wir wollen, dass künftig von öffentlicher und unabhängiger Stelle mehr geprüft und kontrolliert wird, was auf dem Gelände und in der Umgebung passiert.“ Denn Fakt ist: Ihre Dörfer zu verlassen, ist für keines der IG-Mitglieder eine Option. „Wir wollen versuchen, die Substanz unseres Lebens hier zu schützen“, betont Voss. „Das sind wir den nachkommenden Generationen schuldig.“ Der Bau der Halle in Bellen ist heute auch Thema bei der AG Erdöl und Erdgas, auf Betreiben der IG Wiedau landet er außerdem demnächst auf der Tagesordnung des Botheler Samtgemeinderates: Bei dessen vergangener Sitzung hatten die Mitglieder der IG ihren Forderungen Nachdruck verliehen. „Wir werden beim Beteiligungsverfahren gehört, die Entscheidung trifft allerdings das Landesbergbauamt“, hatte Samtgemeindebürgermeister Dirk Eberle damals erklärt. Für die Interessengemeinschaft ist dennoch wichtig, dass diskutiert wird: „Wir sind nicht pauschal gegen alles, Exxon ist nun mal da. Aber wir reden über Quecksilber in Fässern, die in Bellen gelagert werden sollen“, hatte IG-Mitglied Stephanie Thiemann in der Ratssitzung bemerkt. „Wir leben da, und wir haben eine Scheißangst.“

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