Rotenburg. Mitten im Urlaub bricht Martina S. auf einmal zusammen. „Ich konnte nichts mehr essen, gar nichts mehr“, erinnert sich die 40-jährige Erzieherin aus Harburg. Die Diagnose: Depression. Das ist zwei Jahre her, inzwischen hat sie eine Behandlung hinter sich, nimmt so wenig Medikamente wie möglich. Und läuft in Begleitung ihrer Beagle-Hündin Paula von Handeloh bei Buchholz nach Bremen. Diese Wanderung ist eine Mut-Tour, eine Aktion der Deutschen Depressionshilfe.
Mit dabei sind neben S. und Paula vier weitere Betroffene sowie Sozialarbeiterin Lisa Schieferstein, die Pferde Titine und Bonito und Labrador Lars. Seit einigen Jahren führen immer wieder Mut-Touren durch Deutschland, mal zu Fuß, mal auch auf dem Fahrrad, mal auf dem Tandem. Die Teilnehmer kommen aus Berlin, Hamburg und der Pfalz. „Aber natürlich kann jeder mitwandern und auch zwischendrin einsteigen“, so Schieferstein. Das Ziel: die Krankheit Depression aus ihrer Tabuzone holen, das Stigma zu beseitigen und mehr Toleranz bei anderen wecken. „Wir machen es zum Thema, damit es bald hoffentlich kein Thema mehr ist“, erklärt sie. Die Wanderer übernachten im Zelt, erfahren also direkt die Natur. „Es ist das Naturerlebnis“, erklärt die Sozialarbeiterin. „Dazu kommt die mentale Unterstützung durch die Tiere, die wir am Zügel, beziehungsweise an der Leine mitführen.“ Noch sind es zwei Pferde, kurz vor Bremen werden sie gegen zwei Esel getauscht, um wenigstens zum Ende hin dem Namen „Team Esel“ gerecht zu werden. In der Hansestadt planen sie, mit drei anderen Teams, zum Teil mit Fahrrädern, zusammenzutreffen. Im Landkreis Rotenburg macht der Trek in Bötersen Station.
„Ich bin durch Freunde daran gekommen“, sagt S. „Schon die Wintertour im Februar hat mir sehr gut gefallen.“ Sie hat sich an das Wandern in der Gruppe gewöhnt. „Und wenn es mir mal mit der Gesellschaft zu viel wird, laufe ich einfach mal eine Weile drei Meter hinter allen anderen und bin so für mich.“ Natürlich gemeinsam mit Paula, die sie sich während der Erkrankung zugelegt hatte. „Sie gibt mir Struktur in meinen Alltag“, sagt S. über die Beagle-Hündin. Für die Erzieherin ist die Mut-Tour die ideale Kombination aus Therapie und Freizeit. „Es ist schön in so einer Gruppe“, sagt die Harburgerin. „Jeder hat seine Befindlichkeiten, hat mal gute, mal schlechte Tage.“ Sie will offen mit ihrer Krankheit umgehen. „Es ist manchmal trotzdem schwer, den Leuten klar zu machen, was mit mir los ist und zu erklären, dass ich nach wie vor krankgeschrieben bin.“ Auch Jürgen Keil ist von der Mut-Tour angetan. Der 55-jährige Pfälzer sieht es als eine „ganz tolle Erfahrung. Die Leute sind offen, es ist alles ganz stressfrei.“ Schon in der Schulzeit und während seiner Ausbildung begleitet ihn eine gewisse Leere und Traurigkeit, erst später macht der gelernte Tischler und Industriekaufmann eine Therapie. „Ich habe da unglaublich viel gelernt“, sagt er. Keil ist überzeugt von dem Konzept der Mut-Tour, in seinem Heimatort hat er sogar bereits selbst eine Ortsgruppe gegründet. „Es hat sich zwar in punkto Verständnis schon einiges geändert, aber immernoch ist es irgendwie nicht das gleiche, zum Psychotherapeuten und zum Pysiotherapeuten zu gehen.“ Mit der Mut-Tour unterwegs zu sein bedeutet für ihn auch, mit Fremden über seine Erkrankung ins Gespräch zu kommen. „Es ist interessant, welche Dinge sich so unterwegs entwickeln.“ Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.mut-tour.de.