Die Heritage-Baureihe umfasst nunmehr schon fünf Modelle – wir waren mit der BMW R nine T Racer unterwegs.
Das motorisierte Zweirad soll also aussehen wie damals, in der vermeintlich guten alten Zeit, aber bitteschön natürlich mit modernster Technik daherkommen. Man soll sich ein bisserl fühlen wie Mike Hailwood auf der Isle of Man oder wie John Surtees, wenn er durch die Grüne Hölle, die 20,8 Kilometer lange Nürburgring-Nordschleife mit ihren 87 Kurven, jagt.
Gerne tut man das mit ABS, digitaler Motorsteuerung, elektronischer Stabilitätskontrolle und mit Heizgriffen sowie LED-Rücklicht, elektronischer Wegfahrsperre und elektronischer Einspritzung. Die sehr sportliche Sitzposition lässt einen bereits vor dem Start ahnen, wie authentisch das Bike ist und was beim Ritt auf einen zukommen wird: Die Arme müssen langgemacht werden, die Beine stark angewinkelt. Der Rücken zwickt, der Bauch drückt und der Nacken war auch schon mal entspannter. Hilft nix, los geht‘s, und der Orthopäde will schließlich auch leben.
Das sind die Fahreindrücke zur BMW R nine T Racer
Anfangs ist das Einlegen der Gänge noch ein wenig mühsam, bei steigender Betriebstemperatur funktioniert das dann immer weicher und dennoch exakt. Der Zweizylinder kann mehr und mehr gedreht werden, was er mit einem sonoren Bollern quittiert, das bei steigender Drehzahl in ein aggressives Bellen übergeht.
Die Maximalleistung von 110 PS ist erst bei 7750 U/min erreicht, der rote Drehzalhlbereich beginnt bei 8500 U/min. Hat man erst einmal den nervigen Stadtverkehr hinter sich gelassen und freie Straßen vor sich, sinkt der Druck auf die Handgelenke und die Nackenmuskulatur entspannt sich.
Dafür ist dann wiederum gesteigerte Aufmerksamkeit aufs Asphaltband gefordert, denn die 220 Kilogramm schwere Racer spielt gerne ihre Sport-Gene aus und animiert zu flotter Gangart. Auf kurviger Strecke sind dabei eine konkrete Ansage ans Motorrad und ein fester Griff am Lenker notwendig, dann wuselt die BMW behände ums Eck und bereitet dem Fahrer viel Freude. Aus der Kurvenkombination wird die Hatzenbach-Passage, aus der Spitzkehre das Caracciola-Karussell und aus der langen Gerade die Döttinger Höhe. Träumen ist erlaubt. Die Bremsen haben mit der bewegten Masse kein Problem und verzögern die Racer souverän.
Eine gute Figur macht die Retro-BMW übrigens auch auf der Autobahn, wo sie ihre Maximalgeschwindigkeit von 217 km/h ohne übermäßige Anstrengung erreicht und hält. Die beiden schön gezeichneten Rundinstrumente informieren sehr ausführlich und zeigen allerhand an – eine Tankanzeige haben wir dennoch vermisst. Unwichtig, denn bei einem Verbrauch von ziemlich genau sechs Litern auf 100 Kilometern steuert man nach spätestens zwei Stunden Fahrt gerne eine Zapfsäule an, um den 17-Liter-Tank wieder zu füllen und dem gekrümmten Rücken eine Pause zu gönnen.
BMW R nine T Racer: Das Fazit
Ernsthafte Kritik gibt es keine, denn dieses Motorrad ist nahezu ausschließlich eine Frage der Sympathie und nicht der Vernunft. Wer sich für die BMW R nine T Racer entscheidet, weiß, was ihn erwartet: ein Motorrad mit Ecken und Kanten, mit Charakter und Eigenheiten.
Wer sich nicht darauf einlassen will, trägt die 13.300 Euro (plus 320 Euro für die Stabilitätskontrolle und 210 Euro für Heizgriffe), die beim Händler dafür fällig werden, eben woanders hin und schont seinen Rücken.
Technische Daten zur BMW R nine T Racer
Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Boxermotor mit 1170 ccm Hubraum
Leistung: 110 PS (81 kW) bei 7750 U/min
Drehmoment: 116 Nm bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 217 km/h
Radstand: 1491 mm
Sitzhöhe: 805 mm
Gewicht (vollgetankt): 220 kg
Tankinhalt: 17 Liter
Testverbrauch: 6,0 Liter
Preis: 13300 Euro
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Von Volker Pfau