Muckel, Bulli oder Schneewittchensarg: Kosenamen für Autos sind out, meinen Experten. Doch der Volksmund war und ist stets einfallsreich, wenn es um das eigene Auto geht.
Ganz aussterben werden Spitznamen für den fahrenden Untersatz deshalb wohl nie. Die Automobilgeschichte hat viele urige Protagonisten: Da gab es das Eisenschwein, die Knutschkugel, das Kommissbrot, die Badewanne oder den Barockengel. Diese Spitznamen formulierte der Volksmund für die Autos der ukrainischen Marke Saporoschez und die Modelle BMW Isetta, Hanomag 2/10 PS, Ford Taunus 17M und BMW 501. Unvergessen auch der Hausfrauenporsche (Karmann Ghia), der Schneewittchensarg (Volvo P1800 ES) und die Ente (Citroën 2CV). Doch die Zeit der Kosenamen fürs rollende Blech halten Experten für weitgehend abgeschlossen.
Mittelklassewagen sind heute kaum zu unterscheiden
“Es gibt kaum noch Spitznamen, da sich die meisten Autos von heute der Stromlinienform unterwerfen“, sagt Markus Lindla von der Namensagentur Nambos in Köln. “Auf den ersten Blick lässt sich mancher Toyota kaum noch von einem Lexus oder der 5er BMW von einem beliebigen anderen Mittelklassewagen unterscheiden.“ Demnach ist es die schlichte Verwechselbarkeit und mangelnde Charakteristik der Fahrzeuge, die Kosenamen für Autos rar werden lässt.
Einst, als es eine noch nicht so unübersichtliche Modellvielfalt gab, war der Volksmund ein plappernder Erfindergeist. Zum Beispiel zu Zeiten des VW 1200, den es über Jahrzehnte im nahezu nicht umgeschneiderten Blechkleid unter anderem auch als VW 1300, VW 1500 oder VW 1303 gab. “Ob es ein amerikanischer Importeur war, der diesen Wagen als allererster Beetle nannte? Kann schon sein“, mutmaßt Bernhard Kittler, Leiter der Volkswagen Classic GmbH. Letztlich sei ungeklärt, wie die naheliegende Bezeichnung, die im deutschsprachigen Raum schnell als Käfer übernommen wurde, entstand.
Ein Auto, dem ein Spitzname verpasst wird, muss die Menschen reizen - entweder optisch, durch die verbauten Materialien oder einfach durch bescheidene Verhältniss im Innenraum, wie bei der Isetta von BMW (1955 bis 1962). Der Zweisitzer mit der großen Fronttür erhielt wegen der nahezu ballförmigen Karosserie gleich zwei Beinamen: rollendes Ei und Knutschkugel. Letzteren wegen des notgedrungen kuscheligen Zusammensitzens im Innern. Haifischmaul hieß der Opel Olympia Rekord aus den 50er Jahren wegen seines ovalen Kühlergrills: “Er sah aus, als wolle er gleich zubeißen“, sagt Lindla.
Ein anderer Experte für Autobezeichnungen, der Leiter der Kölner Agentur Endmark, kennt noch einen weiteren Anreiz für die Spitznamen von damals: “Vor allem die bekamen einen, die keinen richtigen Namen hatten“, erklärt Bernd Samland. Das Model T von Ford wurde so zur Tin Lizzy (Blechliesel), der T1 von VW zum Bulli.
Egal ob die Namen liebevoll gemeint waren oder despektierlich, verkaufsfördernd waren sie nach Einschätzung der Experten allemal. Nur die Hersteller erkannten dies nicht immer: “Den Namen Käfer hat man bei Volkswagen gemieden wie der Teufel das Weihwasser“, sagt VW-Historiker Kittler. “Er war einfach zu verniedlichend für ein Fahrzeug, das im Deutschland der 50er Jahre fast 30 Prozent des Pkw-Marktes ausmachte.“ Später besann man sich und griff zumindest zur englischen Bezeichnung, als 1997 der New Beetle vorgestellt wurde. Auch der spöttische Name Erdbeerkörbchen habe der einstigen Popularität des Golf Cabrio keinen Abbruch getan, sagt Kittler.
Gleiches dürfte für das Hängebauchschwein von BMW gelten, schätzt BMW-Sprecher Friedbert Holz . Die Bezeichnung für den 1er findet er “wenig schmeichelhaft“, doch ebenso wenig imageschädigend. Die Bezeichnung erhielt der kleine Münchener wegen seiner gewölbten Falte im Blech über den Seitenschwellern.
Eher ein Ladenhüter hierzulande war der Fiat Multipla: Der Wagen wurde auch schon Fiat Ugly genannt, wahrscheinlich weil er vielen wohl tatsächlich zu hässlich war. “Designunfall“, nennt Bernd Samland den Wagen mit der eigenartig gestalteten Front.
Doch gerade solche Autos sind es, die aus dem Einheitsbrei herausragen und auch heute noch zu Beinamen animieren. “Spitznamen verleihen einem Auto Persönlichkeit, in Zeiten, wo Autos immer verwechselbarer werden“, meint Kittler. Doch wahre Charakterköpfe sind Mangelware: “Wenn selbst Kleinwagen aussehen wie die Großen - was will man da noch Kosenamen erfinden?“, fragt der Kreative Lindla.
Dass Spitznamen wohl nie ganz aussterben und auch manchmal Autos gewidmet werden, die noch gar nicht im Verkauf sind, zeigt der für 2013 geplante Porsche Cajun: Baby-Cayenne wird er schon genannt, denn er sieht aus wie der kleine Bruder vom großen SUV Cayenne.
Mit Sicherheit wird 2011 noch ein neuer Käfer auf die Bühne krabbeln. Nur, dass er auf den Namenszusatz des alten Neuen verzichtet. VW-Historiker Kittler: “Er wird nicht mehr New Beetle, sondern nur noch Beetle heißen.“ Seine offizielle Modellbezeichnung ist wohl bislang die einzige in der Geschichte des Automobils, die sich ein Hersteller vom Volksmund abgeschaut hat.
Stefan Weißenborn, dpa