Nachts auf der Formel-1-Rennstrecke - das ist eine echte Grenzerfahrung. Zumindest für Otto Normalverbraucher. Wir waren auf der Wüstenpiste von Bahrain unterwegs mit dem brandneuen Porsche Panamera GTS.
Orangerotes Inferno am Himmel, langsam senkt sich die Nacht über die Wüste. Denn recht viel mehr ist Bahrain nicht. Eine staubige Insel im arabischen Golf mit einem riesigem Ölfeld in der Mitte. Dazu die glitzernde Hauptstadt Manama - und natürlich der Bahrain International Circuit, der seit 2014 als Nachtrennen im Formel-1-Kalender steht und den Sebastian Vettel heuer gewonnen hat.
Porsche Panamera GTS: Mit Le-Mans-Sieger und 460 PS über die Rennstrecke
Und jetzt dürfen wir Grand Prix spielen mit dem Panamera GTS. Vorne der Instruktor - Michael Christensen, Rennfahrer und Le-Mans-Sieger - , dahinter zwei 460-PS-Boliden. Obwohl es schon dunkel ist, hört man Gezwitscher hier an der Pit-Lane. Die Suche nach dem dazugehörigen Vögeln endet immer wieder an den Lautsprechern. Die haben keinen Vogel, der kommt vom Band.
Nur noch 32 Grad, und das jetzt um 20 Uhr. Der Achtzylinder-V-Motor mit seinem Doppelturbo läuft, das Walkie-Talkie ist eingeschaltet, die Ampel steht auf Rot. "Zu wenig Reifendruck", mault die Anzeige. "No worry", sagt Christensen und der Techniker erklärt, warum das so sein muss. Bevor wir anschließend auf der Strecke einen heißen Reifen fahren und sich dabei die Luft noch mehr ausdehnt, starten wir mit leichtem Unterdruck. Logisch.
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Mit Vollgas unter dem Sternenhimmel
Nur drei Autos allein auf dem Grand-Prix. Das 5,4 Kilometer lange Asphaltband liegt vor uns, ist gleißend hell erleuchtet wie von 1.000 Sonnen. Darüber wölbt sich der arabische Nachthimmel voller Sterne. Wir fahren mit Sport Plus, das heißt Fahrwerk und Motor sind auf der schärfsten Stufe eingestellt. Die technischen Schutzengel, also die elektronischen Stabilitätssysteme, bleiben eingeschaltet und sind mit uns, schließlich soll keiner einen Abflug machen auf diesem auch für Formel-1-Verhältnisse sehr schnellen Kurs.
Die Ampel schaltet auf Grün, wir rollen die Boxengasse entlang, dann auf den Track. Nach einer lockeren Runde zum Aufwärmen (was für ein Witz bei immer noch über 30 Grad!), geht es nach der letzten Kurve in die Zielgerade. Voll Stoff. Die 460 Pferdestärken (20 mehr als beim Vorgänger) bäumen sich auf, das Drehmoment von 620 Nm (100 mehr) zieht mächtig an und schon jagt der Panamera unter vollem Einsatz der kernig klingenden Sportauspuffanlage wild nach vorne. Von 0 auf 100 in 4,1 Sekunden und von 0 bis 200 in 15,4 Sekunden. Bei 292 Stundenkilometer ist Schluss, aber das schaffen wir nie, denn am Ende der Tribüne wartet schon die erste Rechtskurve.
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Porsche Panamera GTS mit tiefergelegten Fahrwerk und optionaler Hinterachslenkung
Es ist schon faszinierend wie exakt der Zweitonner mit seinem hecklastigen Allradantrieb um die Kurven jagt. Im Gegensatz zum herkömmlichen Modell hat der GTS ein um zehn Millimeter tiefergelegtes Fahrwerk mit einer Dreikammer-Luftfederung, das recht stramm abgestimmt ist. Und dann gibt es noch die (optional bestellbare) Hinterachslenkung für echte Kurven-Fetischisten und die vielen teilweise zusätzlichen Stabilisatoren, damit der Panamera satt in der Spur bleibt.
Dass der neue GTS jetzt auch ein HUD, also ein auf der Frontscheibe projiziertes Display hat, erweist sich gerade auf der Rennstrecke als Segen. Man muss nicht mehr leicht nach unten schauen, um das Cockpit zu sehen, nein man hat die Straße jederzeit fest im Blick. Und das ist gut so, im nächtlichen Wüstenrennen von Bahrain.
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Einmal wie Vettel und Hamilton fühlen
Mit jeder Runde wächst die Sicherheit und mit jeder Runde werden wir schneller. Dass es Nacht ist merkt an gar nicht mehr. Der Sportauspuff brüllt, der Puls jagt. Jetzt zu sagen, das alles wäre ein Kinderspiel ist so wie das berüchtigte Pfeifen im Wald wenn man Angst hat. Und solange Christensen die Ideallinie vorgibt und man nur todesmutig und mit Vollgas hinterherfahren muss, ist die Welt auch noch in Ordnung. Ganz alleine wären wir ganz bestimmt nicht so schnell unterwegs. Aber so fühlen wir uns ein wenig wie Vettel, noch besser wie Hamilton.
Noch eine Kurve, noch einmal die Querbeschleunigung genießen. Geschafft, wir fahren wieder mit 60 Stundenkilometer zurück in die Boxengasse. Nach fünf Runden. In der Formel 1 sind es 57. Unvorstellbar. Applaus gibt es nicht, weil die Ränge natürlich leer sind. Und so gut sind wir auch wieder nicht gefahren, dass wir jetzt eine Champagnerdusche verdient hätten. Aber die gäbe es hier in Bahrain sowieso nicht. In den streng islamischen Staat wird auch bei der Siegerehrung nach dem Formel-1-Rennen nur Rosenwasser versprüht. Das wäre jetzt auch nicht schlecht. Soll ja beruhigen.
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So viel kostet der Porsche Panamera GTS
Im normalen Leben ist der Panamera ein Auto mit zwei Gesichtern: Als mächtige Fahrmaschine mit viel Platz schätzen ihn zum Beispiel die europäischen Kunden, die zu 98 Prozent männlich und im Schnitt 52 Jahre alt sind. Jeder zweite verkaufte Panamera ist hier übrigens ein Kombi, also ein Sport Turismo (Kaufpreis: 141.349 Euro, die Limousine kostet 138.493 Euro).
Jenseits von Europa werden jedoch die luxuriösen und komfortablen Eigenschaften des Panamera hochgehalten. Was man auch an der Kundschaft sieht; in China zum Beispiel (einem der wichtigsten Panamera-Märkte) ist jeder zweite Käufer eine Frau. Sie ist im Schnitt 30 Jahre alt und kauft gerne die Limousine. Auf dem Rennkurs von Bahrain wäre sie eher nicht zu sehen, höchstens in den eleganten Shopping-Malls von Manama.
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Rudolf Bögel