Virologe Hendrik Streeck wollte mit seiner Studie in Heinsberg wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse zum Coronavirus beitragen. Geerntet hat er viel Gegenwind - zuletzt im ZDF-Talk von Markus Lanz.
- Eine Studie unter der Leitung des Virologen Hendrik Streeck soll zeigen, dass Menschen eine Immunität gegen das Coronavirus* entwickeln können.
- An der Studie und an Streeck gab es heftige Kritik.
- Im Talk bei Markus-Lanz (ZDF) verweigerte Streeck schließlich eine Antwort.
Update vom 19. Mai 2020: Im April wurde Professor Hendrik Streeck im Zusammenhang mit seiner Studie zum Coronavirus im Kreis Heinsberg kritisiert, doch das Robert-Koch-Institut orientiert sich nun offenbar an der Arbeit des Virologen. Das Institut startet nun eine ähnlich aufgebaute Studie im Ort Kupferzell.
Update vom 22. April 2020: Erneut bei Markus Lanz zu Gast hat Virologe Hendrik Streeck sich diesmal nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Moderator Lanz nahm ihn ziemlich in die Mangel. Streeck wich am Ende nur noch aus.
Vorlage für Lanz‘ zahlreiche Seitenhiebe waren die von Streeck kurz vor Ostern veröffentlichten Zwischenergebnisse seiner Studie zum Coronavirus im Kreis Heinsberg.
Markus Lanz (ZDF): Virologe Hendrik Streeck unter Beschuss
Aus dem Zwischenergebnis konnte man Argumente für die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen ziehen. Es gab aber noch mehr Kritikpunkte: Zum einen wird die Studie von der nordrhein-westfälischen Landesregierung mitfinanziert. Besonders Virologen melden aber laute Zweifel an der Aussagekraft des Zwischenergebnisses an.
Und Lanz legte los: Ob Streeck sich von der Politik vor den Karren habe spannen lassen? „Das glaube ich nicht und hoffe ich nicht", antwortet Streeck. Warum habe man mit der Pressekonferenz nicht gewartet, bis die Studie abgeschlossen sei? Streeck: „Wir hatten dieethische Verpflichtung, Daten zu liefern."
Coronavirus in Deutschland: Virologe Streeck bei Markus Lanz in der Mangel
Aber Lanz ließ nicht locker: Ob es ein Fehler gewesen sei, sich durch eine PR-Agentur vertreten zu lassen? „Ging es nicht vielleicht doch darum, sich zu profilieren?“, fragt Lanz. Streeck pariert: „Nein, ansonsten wären die ganzen Presseanfragen, 30, 40 am Tag, auch aus Norwegen, Polen, Russland, einfach nicht zu bewältigen gewesen.“ Dass der Wissenschaft unterstellt worden sei, gekauft worden zu sein, das sei ihm an die Nieren gegangen. „Eins, wofür ich stehe, ist, dass die Wissenschaft frei ist.“
Dann aber verließ den Wissenschaftler die Souveränität: Als nämlich Lanz wissen wollte, welche Erkenntnisse Streeck im Rahmen seiner Studie am Coronavirus denn überrascht hätten. Streeck antwortete: einfach nichts. „Es gibt natürlich Dinge, die mich überraschen", wich der Virologe aus und wand sich sichtlich, aber die wolle man jetzt noch nicht preisgeben.
„Da muss ich Sie leider ins Leere laufen lassen", sagte er. Offenbar haben ihn die heftigen Reaktionen auf seine „vorzeitige“ Pressekonferenz vorsichtig gemacht. Für die nicht gemeinsame Vorstellung des Zwischenergebnisses sei man viel kritisiert worden, sagte er. Deshalb wolle man die restlichen Erkenntnisse der Studie gemeinsam mit allen beteiligten Medizinern präsentieren.
Coronavirus in Deutschland: Streeck wehrt sich gegen Kritik an seiner Pressekonferenz
Update vom 12. April 2020: Der Virologe Hendrik Streeck hat Kritik an der Veröffentlichung eines Zwischenergebnisses zu einer Studie in der vom Coronavirus besonders betroffenen Gemeinde Gangelt in Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Dem Tagesspiegel aus Berlin sagte der Wissenschaftler der Uni Bonn, dass die Feldstudie alle Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO einhalte. „Wir übererfüllen sogar diese Empfehlungen “, sagte Streeck zu der Studie, die 1000 Menschen aus 400 Haushalten untersucht.
„Zwischenergebnisse werden auf Kongressen ständig und auf der ganzen Welt mitgeteilt. Nur dies ermöglicht eine jeweils aktuelle wissenschaftliche Diskussion.“ Zu behaupten, dies sei unwissenschaftlich, stimme schlichtweg nicht, beklagte der Forscher.
Auch wies Streeck Kritik zurück, das Zwischenergebnis sei zu früh veröffentlicht worden. „Die Veröffentlichung ist keinesfalls leichtfertig erfolgt. Wir haben bis in die Nacht auf Donnerstag darüber diskutiert, ob wir jetzt erste Daten präsentieren sollen. Wir entschieden uns dazu aus ethischen Gründen, und weil wir uns verpflichtet fühlten, einen nach wissenschaftlichen Kriterien erhobenen validen Zwischenstand vor Publikation mitzuteilen.“ Das sei absolut üblich.
Coronavirus in Deutschland: Kritik an Heinsberg-Studie - Auch Virologe Drosten schaltet sich nun ein
Erstmeldung vom 11. April 2020:
München - Als am Donnerstag in Düsseldorf die ersten Resultate einer Studie präsentiert wurden, war die Aufmerksamkeit in Deutschland groß. Nach ersten Untersuchungen im Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) fanden demnach Virologe Hendrik Streeck von der Universität Bonn und weitere Experten heraus, dass bei 15 Prozent der untersuchten Bürger eine Corona-Infektion nachgewiesen werden konnte und diese eine Immunität entwickelt hätten.
Es wurde bereits spekuliert, ob die strengen Maßnahmen zur Eindämmung der schnellen Verbreitung des Erregers Sars-CoV-2 gelockert werden könnten. So sagte Streeck, dass es möglich sei, „in eine Phase zwei“ einzutreten.
Coronavirus in Deutschland: Große Zweifel an Heinsberg-Studie
Doch schnell wurden Zweifel an der Qualität der Studie laut. „Da wird einfach so wenig erklärt, dass man nicht alles versteht“, kritisierte etwa Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité die Vorstellung der Zwischenergebnisse auf einer Pressekonferenz.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung könnte die Heinsberg-Studie, bei der vor allem die Gemeinde Gangelt - das Epizentrum der Coronavirus-Pandemie - im Blickpunkt war, sogar methodisch fehlerhaft sein.
Den Grund nennt Gérard Krause vom Helmholtz-Institut für Infektionsforschung. Dem Braunschweiger Infektionsepidemiologen zufolge gebe es noch keine breit verfügbaren Tests, die zuverlässig eine Immunität nachweisen könnten.
Coronavirus in Deutschland: Virologe Drosten verweist auf Problem bei Antikörpertests
Auch Virologe Drosten sieht ein Problem bei den Antikörpertests. Durch diese könnten zum Teil Antikörper gegen harmlose Erkältungserreger nachgewiesen werden, die auch zu den Coronaviren gehören, so der 48-Jährige. Das Helmholtz-Institut bestätigt diese These, wie die SZ berichtet. Demnach werden ein Drittel der Erkältungen durch vier bekannte, harmlose Coronaviren ausgelöst.
Weiter heißt es, dass nur aufwändige Neutralisationstests bislang belegen können, dass die betroffene Person eine Infektion mit Sars-CoV-2* durchgemacht hat. Diese seinen aber auf der Pressekonferenz am 9. April von Hendrik Streeck nicht erwähnt worden.
Heinsberg-Studie methodisch fehlerhaft? Alle Personen eines Haushalts getestet
Ein weiterer Kritikpunkt an der Studie des Wissenschaftlers und seines Teams: Für die Tests wurden einzelne Haushalte ausgewählt und in diesen Haushalten alle Personen getestet. „Man darf dann keineswegs alle Ergebnisse aus diesen Haushalten nehmen und in Prozent umrechnen, sondern allenfalls eine Person pro Haushalt", so Epidemiologe Gérard Krause. Das Infektionsrisiko innerhalb eines Haushalts sei nämlich um ein Vielfaches höher als in der Bevölkerung allgemein. Eine vollständige Zählung aller Familienmitglieder ergebe daher einen überhöhten Prozentsatz für die Immunität.
Einen bitteren Beigeschmack habe laut SZ auch, dass Kai Diekmann, ehemaliger Chefredakteur der Bild, mit seiner Social-Media-Agentur „Storymachine“ den Facebook-Auftritt von Streecks Studie übernommen hatte. Der 55-Jährige war dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr als PR-Berater in den Skandal um den Heidelberger Bluttest auf Brustkrebs verwickelt. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sarah Philipp wolle nun von der nordrhein-westfälischen Regierung wissen, ob an die Agentur öffentliche Gelder geflossen sind.
In den USA scheint Donald Trump derweil zu den Gewinnern der Corona-Krise zu werden - dabei stellt ihn ein wichtiger Berater bloß.
Nach seinen kritischen Zitaten bekommt Boris Palmer bei Markus Lanz (ZDF) die Chance auf Läuterung. Den prägenderen Part hat jedoch Markus Söder inne, der zeigt, wie die Zukunft aussieht.
In der Lanz-Sendung vom 9. Juni diskutierten Karl Lauterbach und Serap Güler über Schulöffnungen während der Corona-Pandemie.
Der Streeck äußert sich in einem Interview zu einer zweiten Infektionswelle und erwartet Wochen der Entspannung.
Auf die Frage nach dem Ende der Maskenpflicht reagiert Markus Söder mit einer extremem Antwort.
Der Corona-Hotspot Ischgl hat einer Studie zufolge einen immensen Einfluss auf die Infektionsrate in Deutschland. Für etwaige Pandemien in der Zukunft schlagen Angela Merkel, Emmanuel Macron und vier weitere Regierungschefs Alarm.
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sk/dpa