Porto Alegre - Joachim Löw hat beim Deutschen Fußball-Bund noch einen Vertrag bis 2016 - und eine Job-Garantie vom Präsidenten.
Kurz verfinsterte sich die Miene von Joachim Löw. Es ging vor dem deutschen Achtelfinale gegen Algerien um seine Trainerkollegen bei dieser WM. Um die, die schon entlassen wurden, zurücktraten oder extrem unter Druck stehen. Um Cesare Prandelli etwa oder Vicente del Bosque. Es ging aber irgendwie auch um den Bundestrainer selbst.
So sei die Fußball-Welt eben bei großen Nationen. „Da gewinnst du zwei große Titel, scheidest aus - und schon wirst du infrage gestellt und stehst in der Kritik“, sagte Löw vor dem Spiel am Montagabend in Porto Alegre und fügte schulterzuckend an: „Aber so ist eben der Lauf der Zeit. Ich finde das überzogen und schade.“
Löw weiß, wovon er redet. Auch beim 54-Jährigen gab es in dessen nun achtjähriger Amtszeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) immer wieder Momente, in denen in denen die Öffentlichkeit rätselte, wie lange der Bundestrainer noch seinen Job ausüben wird oder darf.
Bei der WM in Brasilien lief bis zum Achtelfinale für Löw alles nach Plan. Doch der DFB-Coach weiß genau, dass ein unerwartetes und zu frühes Turnier-Aus die üblichen Diskussionen um seine Zukunft wieder in Gang setzen würde - Job-Garantie oder Vertrag bis nach der EURO 2016 hin oder her.
Löw hat jedoch klare Vorstellungen und ist „davon überzeugt, meinen Vertrag bis 2016 zu erfüllen. Sowohl der Verband als auch ich wollen die Zusammenarbeit fortsetzen. Das ist unser gemeinsames Ziel“, sagte er schon vor dem Turnierstart.
Für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sind solche Debatten ohnehin völlig überflüssig. „Wir haben den Vertrag mit Joachim Löw mit der klaren Absicht verlängert, dass er bis 2016 bleibt. Unsere Mannschaft hat nach wie vor eine glänzende Perspektive, gerade auch für die EURO 2016“, sagte Niersbach dem SID schon vor Brasilien.
Vor dem Achtelfinale untermauerte er im stern noch einmal seine klare Meinung: „Es sind keinerlei Klauseln in dem Vertrag enthalten, die ihm nur bei bestimmen Ergebnissen Gültigkeit verleihen. Es gebe `eine ganz klare Verabredung“ zwischen Löw und ihm.
Der Verbandschef hatte zuvor bereits bekräftigt, dass es auch keinen Notfallplan gibt. Eine Situation wie 2004, als der DFB nach dem Vorrunden-Aus bei der EM in Portugal und dem folgenden Rücktritt von Teamchef Rudi Völler im Chaos versank und erst nach wochenlangem Suchen Jürgen Klinsmann aus dem Hut zauberte, schloss Niersbach aus. Gerüchte um etwaige Nachfolger von Löw (Tuchel, Klopp) will er deshalb auch gar nicht erst kommentieren.
Löw ist auch ohne Titel von seiner Arbeit überzeugt. „Egal, was uns die WM bringen wird: In den vergangenen acht Jahren als Bundestrainer habe ich bei der Nationalmannschaft viele Fortschritte gesehen. Ich sehe schon auch die Entwicklung der Mannschaft und die einzelner Spieler“, sagte er.
Zum großen Coup würden nur Nuancen fehlen. 2008 gab es ein 0:1 im Finale gegen Spanien. 2010 (0:1 gegen Spanien) und 2012 (1:2 gegen Italien) war im Halbfinale jeweils Schluss. Dennoch habe man den Fans, so Löw, „fußballerisch viel Freude bereitet. Das Ausland bewundert uns.“
Ein Satz, der auch durchblicken lässt, dass er seine Verdienste im eigenen Land nicht ausreichend gewürdigt sieht. Vor allem nach der EURO 2012 stand Löw nach heftiger Kritik an seiner Taktik kurz davor hinzuschmeißen. Was 2014 passiert, ist offen. Bisher stand nach den drei Turnieren unter dem Chef Löw jedoch Ernüchterung statt Partystimmung.
Doch selbst bei einem Titelgewinn kann der Kredit schnell verbraucht sein - siehe Spanien, aber auch Deutschland selbst. Berti Vogts war 1996 Europameister geworden, es ist der bislang letzte große Titel für die Nationalmannschaft gewesen - doch zwei Jahre später war Vogts mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden.
Der Lauf der Zeit eben.
sid