Santo Andre - Joachim Löw lässt sich von der Kritik an seiner Aufstellung bei der WM in Brasilien wenig beeindrucken. Dennoch denkt der Bundestrainer offenbar über die ein oder andere Umstellung nach.
Joachim Löw ist offensichtlich ins Grübeln geraten. Vor dem WM-Viertelfinale gegen Frankreich am Freitag in Rio denkt der Bundestrainer über eine Systemänderung nach und erwägt vor allem einen Positionswechsel von Philipp Lahm. Dies hatte der 54-jährige Löw kurz vor dem Achtelfinale gegen Algerien (2:1 n.V.) in einem Interview mit der Zeit noch kategorisch ausgeschlossen.
DFB-Kapitän Lahm könnte aber gegen die Equipe Tricolore doch wieder auf der rechten Seite als Außenverteidiger auflaufen, wie Bundestorwarttrainer Andreas Köpke kurz vor der Abreise der DFB-Auswahl aus ihrem WM-Quartier Campo Bahia Richtung Copacabana am Mittwoch andeutete. „Es ist ja nicht so, dass alles so bleiben muss, nur weil der Bundestrainer sich mal vor Zeiten darauf festgelegt hat. Wir halten nicht stur an einer Linie fest, sondern diskutieren über die aktuelle Situation“, sagte der Europameister von 1996.
Köpke betonte, dass die sportliche Leitung sehr wohl wisse, dass Lahm „super auf rechts spielen kann“. Der 52-Jährige stellte aber klar: „Wir müssen das machen, wovon wir überzeugt sind, dass es für den Erfolg der Mannschaft die beste Lösung ist.“
Lahm war gegen Algerien nach der Auswechslung von Mustafi in der 70. Minute wieder auf die rechte Seite der Viererkette gewechselt. Da Mats Hummels wieder genesen ist und deshalb Jerome Boateng wieder auf die rechte Seite rücken könnte, scheint ein erneuter Einsatz von Lahm im Mittelfeld auch nicht ausgeschlossen.
Köpke ließ aber durchblicken, dass es auch anders kommen könne. „Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira haben über die Spiele und im Training wieder mehr zu ihrem Spiel gefunden, auch körperlich. Ich gehe davon aus, dass sie beide 90 Minuten gehen können“, sagt der 52-Jährige.
Löw hatten unter anderem wegen der mangelnden Fitness von Schweinsteiger und Khedira nach deren Verletzungspausen Lahm als feste und verlässliche Größe ins defensive Mittelfeld gestellt. Bei der WM 2010 hatten als sogenannte Doppelsechs Schweinsteiger und Khedira glänzend harmoniert. Sollte sich der Bundestrainer im Schlussspurt Richtung Finale wieder zu dieser Variante durchringen, müsste einer der vier Innenverteidiger der Viererkette weichen. Am ehesten würde es Benedikt Höwedes treffen.
Löw hatte zuvor einen Einsatz von Lahm als Rechtsverteidiger nahezu ausgeschlossen. Dies könne „eigentlich nur aus einem Spiel heraus passieren“, es sei ein Szenario für „den Notfall“. Dieser sei, so Köpke, gegen Algerien eingetreten.
Dass Lahm als echter Außenverteidiger eine Bereicherung für das deutsche Spiel sei, merkte Torwart Manuel Neuer an. „Philipp belebt unser Offensivspiel und sorgt für mehr Schwung“, sagte Lahms Vereinskollege vom FC Bayern. Neuer fügte zwar hinzu, dass Lahm auch im Mittelfeld „nahezu perfekt“ spiele.
Der Keeper brach zudem eine Lanze für Schweinsteiger: „Wenn Bastian spielt, ist er gleich der Rhythmusgeber.“ Und dass das Duo Schweinsteiger/Khedira gut funktioniere, habe man ja bereits vor vier Jahren gesehen.
Im Mittelfeld hat Lahm bislang bei der WM nicht überzeugt, obwohl die objektiven Werte für ihn sprechen. Mit 47,0 Kilometern weist der 30-Jährige die sechstbeste Laufleistung im bisherigen Turnierverlauf auf, in der Passstatistik belegt Lahm Platz drei.
Gute Werte hat auch Mesut Özil, der 184-mal zum Sprint ansetzte, aber dennoch bislang keinen spielerischen Glanz verbreiten konnte. Nur der vierfache deutsche Torschütze Thomas Müller ist mit 204 Versuchen im DFB-Team derzeit besser.
Löw zeigt auch deshalb kein Verständnis für den Umgang mit Özil: „Diese Art der öffentlichen Kritik ist für mich genauso unverständlich wie jene an Philipp Lahm. Mesut Özil war 2010 und 2012 der überragende Spieler des Turniers. Das kann ich doch nicht einfach vergessen“, sagte der Bundestrainer. Es werde „einiges eilig publiziert“, es fehle „manchmal am richtigen Maß“.
Löw wird deshalb auch gegen die Franzosen am Regisseur des FC Arsenal festhalten. „Ich bleibe dabei: Mesut Özil ist extrem wichtig für uns“, sagte er: „Wenn wir es schaffen, ihn in den nächsten Tagen in Topform zu bringen, dann ist er für die Mannschaft unersetzlich. Weil ich weiß, dass er Spiele mit einer einzigen Aktion entscheiden und beeinflussen kann.“
SID