Berlin - Ungläubiges Staunen, Riesenjubel, Böllerschüsse, Autokorsos: Die deutschen Fans feiern ausgelassen den furiosen 7:1-Sieg über WM-Gastgeber Brasilien. Das Sommermrächen-Happy-End ist nun zum Greifen nah.
„Fiiinaaaleee, oho“: Schon nach einer halben Stunde Spielzeit haben viele tausende Deutschland-Fans am Dienstagabend gemeinsam den Endspiel-Einzug ihres Teams besungen. Nach dem Treffer zum 5:0 durch Sami Khedira zweifelte niemand mehr bei den Public Viewings am Sieg der DFB-Elf. Die grandiose Vorstellung des Teams von Bundestrainer Joachim Löw ließ viele Fans vergessen, dass sie dieses WM-Halbfinale völlig durchnässt erleben mussten.
Vor und zum Teil während des Spiels hatte es in vielen Regionen Deutschlands heftig geregnet, es gab Gewitter und Sturm. Die größte Fanmeile Deutschlands in Berlin musste am Nachmittag sogar für zwei Stunden gesperrt werden, dann klarte es aber auf und mehrere zehntausend Deutschland-Fans feierten eine ausgelassene WM-Party. Bei jedem deutschen Tor gab es Böllerschüsse, Raketen flogen in die Luft. Vor dem Spiel hatten noch mehrere Dutzend Brasilianer in gelben Trikots, mit Nationalflaggen und Samba-Rhythmen für Stimmung gesorgt - doch nach dem Torregen der deutschen Elf wurde es still um sie.
Deutlich weniger Anhänger als sonst kamen in Heilbronn und Freiburg zusammen, wo jeweils bis zu 5000 hartgesottene Fans bei strömendem Regen ein Fußballfest feierten - nach dem Motto „nass, aber glücklich“. Keine Trikots, sondern Regenjacken waren hier angesagt, aber: „Diejenigen, die nichts dabei haben, bekommen von uns einen Regenponcho in die Hand gedrückt“, sagte ein Sprecher in Freiburg.
3500 Fans schauten auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg durch Regentropfen hindurch auf die 92 Quadratmeter große Leinwand. Zum Vergleich: Das Viertelfinale Deutschlands gegen Frankreich hatten in der Hansestadt 47 000 Menschen gemeinsam verfolgt. 8500 Fans feierten im kühlen Münchner Nieselregen an historischer Stätte: Hier hatte Deutschland 1974 das WM-Finale gegen die Niederlande gewonnen.
21 000 Fans in der Frankfurter Commerzbank-Arena hatten gar keine Probleme mit dem Wetter. Das Dach der Arena war geschlossen, die Stimmung im Stadion auf dem Höhepunkt. Ähnliche Atmosphäre an den Düsseldorfer Kasematten: Die Leinwände und Sitzplätze sind überdacht, außerdem hatte der Veranstalter 600 Gratis-Regenjacken bereitliegen.
Im Stadion von Belo Horizonte machten die mitgereisten Deutschen die Partie zu einem Heimspiel für die DFB-Elf: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, sang die kleine Fangemeinde in den weißen Trikots - und dann auch noch die deutsche Nationalhymne. Der Großteil der 58 000 Zuschauer, ganz in Gelb gekleidet, schaute derweil betrübt zu und pfiff die Selecao enttäuscht aus; etliche Brasilianer verließen vorzeitig die Arena.
In Rio de Janeiro, dem Spielort des Finales, wurde es ganz ruhig beim offiziellen Fanfest im Verlaufe des Spiels. Am deutschen Fan-Treff direkt an der Copacabana hingegen herrschte ausgelassene Stimmung. Es gab Freibier bei jedem deutschen Tor - zumindest bis zum 3:0, dann war Schluss.
Auf der Berliner Fashion Week wurde die Mode am Abend zur Nebensache. Beim Gala-Essen der Frauenzeitschrift „Elle“ wurden zwischen Hauptgang und Nachspeise zwei Großbildfernseher laut gedreht. Zur deutschen Hymne brandete der erste Beifall der rund 100 Gäste auf, beim 1:0 sprangen die Mode- und Society-Experten jubelnd von den Sitzen. Beim 3:0 fingen die Ersten schon an zu Tanzen. Zum 7:1-Endstand meinte ein Modemacher: „So geil!“
Im Brauhaus in Idstein konnten die ausländischen Touristen sich fast mehr freuen als die deutschen Fans. Schweden und Österreicher bejubelten jedes Tor der deutschen Elf laut, während die meisten Deutschen nur ungläubig auf den Fernseher starrten.
In der brasilianischen Bar „barracai“ in Paris verstanden die Anhänger der Selecao die Welt nicht mehr: „So schlecht ist Brasilien aber auch nicht“, sagte ein Fan beim Stand von 5:0 - und dann zum einzigen deutschen Gast gewandt: „So, jetzt reicht's! Rufst Du bitte mal Deine Jungs an, dass es mal gut ist jetzt!“
dpa