Köln - Joachim Löw lässt sich von der anhaltenden Kritik an seiner Aufstellung bei der WM nicht beeindrucken. Für den Umgang mit Philipp Lahm und Mesut Özil hat der Bundestrainer kein Verständnis.
Joachim Löw hält weiter an seinem WM-Plan mit Philipp Lahm im Mittelfeld fest und würde den Kapitän nur in einer Ausnahmesituation auf die Verteidigerposition versetzen. „Dieses Szenario beschreibt den Notfall“, sagte der Bundestrainer in einem Interview der „Zeit“. „Wir müssen verhindern, dass der Notfall eintritt. Ich habe meine Entscheidungen getroffen - auch was die Rolle von Philipp Lahm betrifft. Und dazu stehe ich bis zum Schluss.“
Schon gegen Algerien war dieser „Notfall“ eingetreten, als Lahm nach der Verletzung von Shkodran Mustafi rechts hinten aushalf. Nach dem 2:1 im Achtelfinale hatte Löw allerdings erstmals in Brasilien auch eine Rückversetzung von Kapitän Lahm in die Abwehr nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Am Freitag tritt die DFB-Elf im WM-Viertelfinale gegen Frankreich an.
„Das kann eigentlich nur aus einem Spiel heraus passieren, falls wir auf der rechten Seite ein akutes Problem im Spiel bekommen sollten und ich sage: Okay, jetzt ist Philipp Lahm gefordert, der viel Druck nach vorne entfalten kann“, sagte Löw. Auch an Mesut Özil will der Bundestrainer weiter festhalten. „Weil ich weiß, dass er Spiele mit einer einzigen Aktion entscheiden und beeinflussen kann.“
Löw fühlt sich in seiner Einschätzung bestätigt, „dass wir keine Abwehrspieler brauchen, die ständig nach vorne laufen“, sagte der 54-Jährige. „Allerdings kann der Fall eintreten, dass wir in kommenden Spielen auch ohne verletzungsbedingte Wechsel in besonderen Momenten offensivere Verteidiger einsetzen müssen.“
Lahm hat bislang in seiner Rolle nicht überzeugt, und das gilt auch für Mesut Özil. Löw hat aber überhaupt kein Verständnis für den Umgang mit dem Offensivspieler: „Diese Art der öffentlichen Kritik ist für mich genauso unverständlich wie jene an Philipp Lahm. Mesut Özil war 2010 und 2012 der überragende Spieler des Turniers. Das kann ich doch nicht einfach vergessen“, so Löw. Es werde „einiges eilig publiziert“, es fehle „manchmal am richtigen Maß“.
Löw hält weiter am Regisseur des FC Arsenal fest - und verspricht sich davon einiges. „Ich bleibe dabei, Mesut Özil ist extrem wichtig für uns“, so Löw: „Wenn wir es schaffen, ihn in den nächsten Tagen in Topform zu bringen, dann ist er für die Mannschaft unersetzlich. Weil ich weiß, dass er Spiele mit einer einzigen Aktion entscheiden und beeinflussen kann.“
Ähnlich wie Özils Klubkollege Per Mertesacker, der in einem TV-Interview angefressen auf kritische Fragen zur Leistung gegen Algerien reagiert hatte, will sich auch Löw den Erfolg nicht kleinreden lassen. „Soll ich enttäuscht sein, dass wir weitergekommen sind?“, antwortete der Bundestrainer auf die Frage, ob er mit der Vorstellung unzufrieden gewesen sei.
Beschönigen wollte Löw aber nichts: „Wir haben einfache Fehler gemacht, den Ball zu häufig verloren. Wir waren anfällig bei langen Bällen.“ Bei einer WM könne eine Mannschaft aber „nicht immer fantastisch spielen. Man muss als Sieger vom Platz gehen - das ist uns gelungen.“
Verbesserungspotenzial sieht Löw natürlich dennoch. Vor allem in Sachen Abschluss. „Wir sind in der Auswertung der Chancen nicht mehr so effizient, wie wir es schon einmal waren“, sagte Löw und formulierte eine klare Forderung an seine Spieler: „Wir müssen in der Offensive noch mehr investieren, uns mehr konzentrieren, um zum Erfolg zu kommen.“
Im Falle eines Misserfolgs will auch Löw die Verantwortung übernehmen. „Ganz allgemein gilt: Wir Trainer machen auch Fehler, wir sind nicht vollkommen.“
sid/dpa