Hitzfeld fühlt sich an CL-Drama mit Bayern erinnert

Ottmar Hitzfeld muss mit einer bitteren Niederlage abtreten.
 ©AFP

Sao Paulo - Der Abschied von Ottmar Hitzfeld war einer der emotionalsten, die der Fußball je erlebt hat. Er fühlte sich ans Champions-League-Finale mit dem FC Bayern erinnert.

Der letzte Tag als Trainer verlief für Ottmar Hitzfeld emotionaler, trauriger und grausamer als jeder der über 10. 000 anderen zuvor. 15 Jahre lang durfte sich der Erfolgscoach sicher sein, keinen schlimmeren Moment im Sport erleben zu müssen als die „Mutter aller Niederlagen“. Doch der letzte Akt seiner großen Trainer-Karriere hatte mit einem Happy End nicht das Geringste zu tun.

„Jeder Moment im Fußball bleibt in meiner Erinnerung“, sagte der 65-Jährige nach dem 0:1 (0:0) nach Verlängerung im WM-Achtelfinale gegen Argentinien: „Aber das hatte schon eine gewaltige Dimension.“ Und so fühlte er sich auch erinnert an den 25. Mai 1999, als er mit Bayern München bis in die Nachspielzeit gegen Manchester United geführt hatte und doch noch verlor. „Ich habe es schon mal erlebt, in den letzten drei Minuten ein Champions-League-Finale zu verlieren“, sagte der General und Gentleman: „Das hier war ähnlich.“

Doch in Wahrheit war es noch viel schlimmer. Vor allem durch die Umstände, denn wie schwer ihm das Herz gewesen sein muss bei seinem letzten Spiel, kann man allenfalls erahnen. In der Nacht vor dem Spiel war sein Bruder Winfried (81) verstorben, ein Schicksalsschlag, den kein sportlicher Erfolg annähernd hätte aufwiegen können.

Doch die sportliche Überraschung, mit der Hitzfeld und seine Spieler Schweizer Sport-Geschichte geschrieben hätten, war greifbar nahe. 117 Minuten hatten die Eidgenossen den Masterplan ihres Trainers perfekt umgesetzt. Doch dann fiel das Tor durch Angel Di Maria und Blerim Dzemaili traf in der hektischen Nachspielzeit den Pfosten des argentinischen Tores. Die Wiedergutmachung für das Manchester-Trauma war nahe, aber sie blieb aus.

Und es wird auch nie wieder eine Chance dazu geben, denn eine Rückkehr auf die Trainerbank schloss Hitzfeld aus. „Der Trainerberuf ist beendet“, stellte er klar, als er sich rund eine halbe Stunde nach Schlusspfiff den Journalisten stellte. Für das übliche TV-Interview auf dem Platz hatte er sich, mit den Tränen kämpfend, entschuldigen lassen.

In seinen letzten drei Minuten als Coach habe „er nochmal alles erlebt, was im Trainerleben möglich ist“, bilanzierte der zweimalige Champions-League-Sieger: „Solche Emotionen erlebt man nur im Fußball.“ Er sei „stolz auf meine Laufbahn“ und könne sich „erhobenen Hauptes verabschieden“.

Das tat er wie immer. Würdevoll, ganz Sportsmann, Weltbürger und Vorbild. „Unser Trainer war sehr stark heute“, sagte der Freiburger Gelson Fernandez sichtlich beeindruckt: „Er hat uns in dieser für ihn schweren Situation Selbstvertrauen gegeben. Ich wünsche ihm das Beste für die Zukunft. Er ist nicht nur ein großer Trainer, sondern auch ein großer Mensch.“

Der Wolfsburger Ricardo Rodriguez fand es „sehr schade, dass Hitzfeld aufhört. Die ganze Mannschaft wird ihn vermissen.“ Verbands-Präsident Peter Gillieron zeigte seine „Hochachtung, mit welcher Professionalität er den Schicksalsschlag ausgeblendet hat“, und freute sich, „dass ich künftig ohne Druck mit ihm über Fußball sprechen kann“. Denn unter Druck habe Hitzfeld „schon immer gestanden, das hat man gemerkt“.

Deshalb war er nach dem Champions-League-Sieg mit Borussia Dortmund 1997 ein erstes Mal kürzer getreten und hatte sich auf den Posten des Sportdirektors zurückgezogen. 2004 legte er nach sechs Bayern-Jahren eine Pause ein. Ein „kleiner Burn-out“ hinderte ihn damals daran, deutscher Bundestrainer zu werden, obwohl er es „zu gerne geworden wäre“.

Nun ist endgültig Schluss, 31 Jahre nach dem Einstieg beim SC Zug und nach 19 Titeln - Supercups, Ligapokale oder Hallencups nicht mitgerechnet. Dem Fußball bleibt Hitzfeld erhalten, als Experte bei Sky. „Das ist ein Superjob“, meinte er: „Ich werde als Journalist zu den Spielen gehen. Von daher habe ich ein ruhiges Leben vor mir.“

Er hat es sich verdient.

sid

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