Sat.1 kündigt das Comeback einer Kult-Sendung an, die vor 20 Jahren erstmals im deutschen Fernsehen zu sehen war. Fans des beliebten TV-Formats müssen sich aber noch etwas gedulden.
München - 20 Jahre ist es her, als die erste Staffel von „Big Brother“ bundesweit ausgestrahlt und für heftige Diskussionen sorgte. Jetzt will Sat.1 die Kult-Sendung in ihrer ursprünglichen Fassung zurück ins Fernsehen bringen. Ab Frühjahr 2020 soll „Big Brother“ den schwächelnden Vorabend des Senders wieder auf Vordermann bringen.
Die Reality-Show, deren Prinzip von einem niederländischen Format abgekupfert wurde, flimmerte im Jahr 2000 zum ersten Mal in Deutschland über die Mattscheiben. Damals wie heute ist das Konzept umstritten. Kandidaten werden in ein Gebäude gesperrt und rund um die Uhr live bei ihrem Zusammenleben gefilmt. Kameras und Mikrofone zeichnen ununterbrochen auf, was passiert - damals wie heute ein gesellschaftlicher Tabu-Bruch.
So erklärte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily vor 20 Jahren, die Sendung verstoße gegen das Grundgesetz Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Auch der einstige hessische Ministerpräsident Roland Koch plädierte für einen Zuschauer-Boykott, Katholiken und Frauenverbände liefen Sturm.
„Big Brother“-Finale der ersten Staffel verfolgten über sieben Millionen Menschen
Doch die Bürger schalteten ein wie verrückt, als RTL2 als erster deutscher Sender das Format vom 1. März bis 9. Juni 2000 ausstrahlte. Über sieben Millionen Zuschauer hatte das Finale der ersten „Big Brother“-Staffel. Es war also fast ein nationales Ereignis. Beworben wurde die Show als „Real-Life-Soap“ ohne Drehbuch mit „intimen Bildern der deutschen Gesellschaft 2000“. Ein gewisser John wurde nach 100 Tagen zum Sieger der Containersendung unter Dauerbeobachtung gekürt. Er strich 250.000 Mark ein und ging nach Hause. Kaum einer hörte mehr etwas von ihm.
Berühmter wurden allerdings zwei andere Teilnehmer: Sie waren das „Dream Team“ der ersten Staffel von „Big Brother“ und damit auch ein kleines Stückchen deutscher Fernsehgeschichte. Jürgen Milski und Zlatko Trpkovski mauserten sich im Container der Reality-TV-Show zu Publikumslieblingen und erlangten nationale Bekanntheit. Der Song „Großer Bruder“, den Jürgen und Zlatko nach der Ausstrahlung von „Big Brother“ gemeinsam aufnahmen, schaffte es sogar auf Platz Eins der deutschen Single-Charts. Jetzt hat ein Fan Jürgen Milski zu seinem Verhältnis zu Zlatko Trpkovski befragt und eine Antwort erhalten.
„Big Brother“-Format verlor über Jahre deutlich an Interesse
Für die Produktionsfirma Endemol und den Sender RTL2 war aber klar: „The show must go on“. Das Format, dessen Grundidee, den Voyeurismus mit nackter Haut und Wutanfällen wohnzimmergerecht zu gestalten, wurde über die Jahrzehnten auf vielen weiteren Sendern ausgestrahlt. Auch mehrere Promi-Auflagen mit mehr oder weniger berühmten Menschen wurden abgedreht. Doch über die Jahre hat sich das Format totgeritten und nicht mehr so recht die Menschenmassen vor die Bildschirme gelockt. So gab es die letzte „Big Brother“-Staffel (ohne VIPs) im Jahr 2015.
Jetzt gibt sich Sat.1 optimistisch: „Im Frühjahr 2020 wird sich zeigen, dass das Experiment ‚Big Brother‘ nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat“, kündigt der Privatsender an. Der Münchner Sender will mit seiner Neuauflage an alte Wurzeln anknüpfen. Wie genau das Format im Detail aussehen wird, ist noch nicht klar.
Begriff „Big Brother“ stammt aus dem Jahr 1949
Der Begriff „Big Brother“ steht seither auch für die ultimative Überwachung. Geprägt hat ihn George Orwells 1949 erschienene dystophischer Science-Fiction-Roman „1984“. In dieser düsteren Zukunftsvision wird eine totalitär regierte Gesellschaft beschrieben, die unter ständiger Überwachung durch den „Großen Bruder“, also „Big Brother“, steht.
Überwachungskameras zur Videoüberwachung (sogenannte „Televisoren“ oder in neueren Übersetzungen „Teleschirme“), Fernsehempfänger mit Großbildschirmen und integrierten Mikrofonen zur Entgegennahme von Befehlen sind überall, auch in den Wohnräumen, präsent und schaffen eine allgegenwärtige, fast lückenlose Überwachung der Individuen. Privatsphäre existiert so nicht mehr. So wurde auch die unter dem Namen bekannte britische Massen-Überwachung von Internet-Daten unter den Begriff Big Brother kürzlich als rechtswidrig erklärt.
Sat.1 plant neue Dating-Show auf vier Rädern
Neben dem Comeback der Kult-Sendung „Big Brother“ plant Sat.1 für die neue TV-Saison nach der Sommerpause eine ganze Reihe weiterer neuer Formate. Dazu gehört „Nächste Ausfahrt Liebe“, nach Angaben des Senders „Deutschlands erste Dating-Show auf vier Rädern“. Dabei treffen sich zwei Singles zum Blind Date im Auto. Auf der Fahrt hilft das Dating-Navi den beiden Kandidaten mit zum Teil überraschenden Fragen beim ersten Kennenlernen, wie Sat.1 im Juni beim Branchenevent „Screenforce Days“ in Köln mitteilte. Der Start der neuen Show ist für den Herbst angepeilt.
Neue Krimireihe und zweite Staffel der „Martina Hill Show“ bei Sat.1 geplant
Eine neue Krimireihe mit dem Arbeitstitel „Todesfrist“ startet ebenfalls im Herbst. Die Fälle basieren auf den Romanen des österreichischen Bestsellerautors Andreas Gruber. Josefine Preuß übernimmt die Hauptrolle der Kommissarin Sabine Nemez, die eine Mordserie aufklären muss.
Außerdem steht im Herbst die zweite Staffel von „Die Martina Hill Show“ an. Die auch aus der „heute show“ bekannte Komikerin parodiert erneut prominente Frauen aus Politik und Fernsehen, schlüpft in ungewöhnliche Rollen und präsentiert Neues aus der Rubrik „Rebecca und Larissa on tour“.
Auch für das nächste Frühjahr ist die neue Sitcom namens „Think Big“ geplant. Die 30-jährige Schauspielerin Hanna Plaß spielt darin Nicole Pütz, eine junge Frau aus dem Plattenbau in Köln-Chorweiler, große Klappe, aber mit Herz und chronisch unterschätzt. Und sie weiß, was sie will: Um den Traum vom eigenen Nagelstudio zu verwirklichen, studiert sie mit gekauftem Abi BWL.
Jede Menge neue TV-Formate also bei Sat.1. Doch eine Sendung stellt der Sender schon bald ein - viele Fans sind schockiert.