Seit Monaten klagt die Europäische Zentralbank wegen des historischen Zinstiefs. Doch das soll sich bald ändern. Können Anleger endlich aufatmen?
Viele Anleger warteten monatelang vergeblich auf attraktive Zinsen für Investmentprodukte. Über ein Prozent kamen die allerdings nie hinaus. Bis jetzt. Finanzexperten glauben nämlich, dass die Durststrecke für Anleger endlich ihrem Ende zugeht.
Kommt jetzt endlich die Zinswende - und wird sie für Anleger wirklich lukrativ sein?
Wie das Handelsblatt berichtet, will die Europäische Zentralbank bereits ab Januar 2018 ihre Anleihekäufe reduzieren. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass auch die Renditen wieder steigen. Steht jetzt die lang ersehnte Zinswende an?
Dennoch warnt das Handelsblatt Anleger davor, sich zu früh zu freuen. Denn besonders viel wird es wohl laut der Anleihespezialistin Sintje Boie der HSH Nordbank nicht sein. Sie vermutet, dass die Rendite der in zehn Jahren fälligen deutschen Staatsanleihen bis März 2018 nur auf ein Prozent anwachsen werden. Doch das ist viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass die Inflationsrate zuletzt 1,5 Prozent betrug. Vor Mai stiegen die Verbraucherpreise sogar auf 1,8 Prozent.
Rückblick: Kurz nach der Brexit-Verkündung fiel die zehnjährige Bund-Rendite auf minus 0,2 Prozent. Inzwischen liegt sie wieder bei 0,4 Prozent. Das bedeutet: Die Zinswende hat bereits begonnen – allerdings schleppend. Laut Boie wird es auch im Schneckentempo so weitergehen. Andere Banken finden Boies Prognose sogar noch sehr großzügig geschätzt – so sollen die BayernLB und die DZ Bank etwa davon ausgehen, dass die Rendite auf gerade mal ein halbes Prozent ansteigen werden.
Doch kann das stimmen? Schließlich soll die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe dem Wirtschaftsmagazin zufolge von Ende Juni bis Mitte Juli bereits auf 0,6 Prozent gestiegen sein. Grund dafür: Der Präsident der EZB, Mario Draghi, hatte erstmals Andeutungen gemacht, dass die EZB ihre Anleihekäufe herunterfahren würde, auch Tapering genannt.
EZB will Anleihekäufe ab Januar 2018 herunterfahren - aber wie?
Insgesamt soll die EZB bis jetzt Anleihen im Wert von mehr als zwei Billionen Euro gekauft haben. Mit diesen Anleihekäufen will sie Kreditvergabe, Wirtschaft und Inflation ankurbeln. Deshalb habe sie auch den Leitzins auf das historische Tief von null Prozent sowie den Einlagensatz auf minus 0,4 Prozent gesetzt. Besonders Deutschland hat das zu spüren bekommen.
So rentieren Bundeschatzanweisungen, die meist eine Laufzeit von zwei Jahren betragen, mit minus 0,7 Prozent. Eine positive Verzinsung gibt es erst bei Laufzeiten von acht Jahren. Andere Länder verkaufen dagegen Anleihen gleich mit enorm langen Laufzeiten, um sich so günstig zu refinanzieren. Bestes Beispiel: Österreich. Dieses soll sich vor kurzem für 100 Jahre Geld geliehen haben.
Dass die EZB ihre Anleihekäufe wirklich reduzieren wird, ist für viele Finanzexperten unbestritten. Doch wie genau das aussehen wird, ist vielen noch unklar. Manche vermuten, dass die Anleihekäufe sofort um 20 Milliarden oder sogar 30 Milliarden Euro gesenkt werden. Andere wiederum sind da vorsichtiger. Sie glauben nicht, dass die Reduzierung so enorm ausfallen wird.
Dennoch sind sich alle einig, dass sich die EZB durch die Verwirrung Spielraum ergattern möchte, um flexibel schalten und walten zu können – und sich die Möglichkeit zu erhalten, die Anleihekäufe vielleicht doch wieder hochzufahren.
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jp