Nur der frühe Vogel fängt den Wurm? Falsch. Verschiedene Studie zeigen: Wer gegen seine innere Uhr arbeitet, wird unproduktiv und unglücklich
Wer ab und zu mal in Magazinen Interviews mit Top-Managern oder Politikern liest, wird den Eindruck nicht los, dass beruflicher Erfolg und ein prall gefüllter Geldbeutel irgendwie mit frühem Aufstehen zusammenhängen müssen.
Mal eben um 4.30 Uhr joggen gehen, danach E-Mails checken, schnell noch einen Kaffee im Stehen trinken und Frau und Kindern einen Kuss auf die Stirn drücken, bevor es ins Büro geht - so scheint für einen erfolgreichen Geschäftsmann der perfekte Start in den Tag auszusehen. Und auch viele prominente Business-Frauen wie Michelle Obama oder General Motors-Chefin Mary Barra beginnen den Tag, noch bevor der erste Hahn gekräht hat.
Langschläfer gelten als faul und unproduktiv
Frühes Aufstehen genießt in unserer Gesellschaft hohes Ansehen und Respekt, Langschläfer dagegen gelten als faul, unmotiviert und unproduktiv. Und deshalb quälen sich täglich auch Millionen von Nachtmenschen aus den Federn, auch wenn die Zeigerihrer inneren Uhr noch deutlich auf „schlafen“ stehen. Nachtmenschen, damit sind all jene gemeint, dienachts sehr produktiv sind und dafür eigentlich länger in den Tag hineinschlafen sollten, um auf ihre von Medizinern empfohlenen 7,5 Stunden Nachtruhe zu kommen.
Wer gegen seine innere Uhr lebt, riskiert gesundheitliche Schäden
Doch dieses Sich-quälen bleibt auf Dauer nicht ohne Folgen für die Gesundheit: Menschen, die permanent in einen anderen Biorhythmus gezwungen werden, müssen mit ernsten körperlichen und geistigen Einschränkungen rechnen: Sie neigen zu Übergewicht, da sie versuchen, die mangelnde Energie mit Hochkalorischem zu kompensieren, können sich weniger gut konzentrieren, leiden an hohem Blutdruck und haben damit ein höheresRisiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthrose und Diabetes zu erkranken.
Gesellschaftliche Zwänge lassen „Eulen“ leiden
Mehr als 65 Prozent der Deutschen sollen sogenannte „Eulen“ sein. Doch auch wenn sie bis spät in die Nacht arbeiten – laut dem Schlafforscher Jürgen Zulley geht der deutsche Bundesbürger um 23.15 Uhr ins Bett – stehen sie schon früh morgens wieder auf, weil die Arbeitszeiten sie dazu zwingen. Der Verhaltensforscher und Autor des Magazins Inc., Jon Levy, stellte erst kürzlich verschiedene Studien vor, die alle zu demselben Schluss kamen: Jeder sollte so aufstehen dürfen, wie es seinem biologischen Rhythmus zuträglich ist und nannte dafür drei Gründe:
1. Nachtmenschen, die früh aufstehen, werden unglücklich
Zum einen gäbe es laut dem Zirkadianer Neurowissenschaftler Russel Foster keinerlei Untersuchungen, die belegen könnten, dass frühes Aufstehen die Produktivität steigert. In einer Umfrage zur Frage, was Menschen am glücklichsten mache, sei ausreichender Schlaf als wichtigster Faktor genannt worden – noch vor sozialer Interaktion.
2. Nachtmenschen, die früh aufstehen, handeln gegen ihre Natur
Levy weist darauf hin, dass es bewiesen sei, dass der menschliche Organismus genetisch darauf programmiert ist, zu ganz bestimmten Zeiten am produktivsten zu sein. Der „Schlaf Doktor“ Dr. Michael Breus teilt in seinem Buch „The Power of When“ die verschiedenen Schlaf-Muster in folgende vier Kategorien ein:
Löwen: sind Frühaufsteher, die bei Sonnenaufgang wach werden und konzentriert bei der Arbeit sind
Bären: schlafen nachts und sind am Tag produktiv
Delphine: schlafen generell nicht gut (dazu sollte man wissen, dass sich bei Delphinen in freier Wildbahn immer nur eine Gehirnhälfte im Schlafmodus befindet)
Wölfe: sie bleiben bis spät in die Nacht hinein auf, weil sie dann hochkonzentriert und am produktivsten sind. Sie leiden unter dem gesellschaftlichen Duktus des frühen Aufstehens am meisten. Levy weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die meisten Menschen „Wölfe“ sind.
3. Schlafmangel macht unproduktiv
Inc.-Autor Jon Levy schreibt: „Zu einer unnatürlichen Zeit aufzuwachen, kann zu Schlafmangel führen. Wenn ihr müde seid, werdet ihr unproduktiver.“ Er verweist auf eine Studie, die zeigen konnte, dass die Produktivität von Menschen, die 17 bis 19 Stunden nicht geschlafen hatten, genauso schlecht und sogar noch schlechter war, als jene von Personen, die Alkohol getrunken hatten. So war die Reaktionsgeschwindigkeit müder Menschen im Vergleich zu alkoholisierten Personen um 50 Prozent geringer.
Auf die innere Uhr hören
Der Schlafforscher resümiert, dass sich Eulen, wenn es ihnen irgendwie möglich ist, das frühe Aufstehen gar nicht erst aneignen sollten. Denn früher oder später würden sich die negativen Auswirkungen bemerkbar machen: Wer sich dazu zwingen müsse, würde nicht nur unproduktiver werden, sondern auch unglücklich.
Von Franziska Grosswald