Low-Carb verspricht Abnehmwilligen, ruckzuck viele Pfunde purzeln zu lassen. Hollywoodstars und Fitnessgurus schwören darauf. Doch was steckt hinter dem Begriff?
Bei wem die Hose spannt oder gar nicht mehr zugehen mag, der setzt meist auf eine Radikaldiät, um schnell überflüssige Kilos loszuwerden. Die Zahl der Diäten ist groß, die angepriesenen Erfolge oftmals beeindruckend. Doch was steckt hinter Zauberwörtern wie Paleo, hCG oder Keto? Und was vermögen solche Programme und was eben nicht? Ernährungsmedizinerin Dr. Verena Kamke hat für die Redaktion einschlägige Diäten auf Anwendbarkeit und Nachhaltigkeit abgeklopft.
Heute: Low Carb. Nach dem Motto Kohlenhydrate weg, Pfunde runter – sind Low-Carb-Diäten ein Dauerbrenner unter den gewichtsreduzierenden Ernährungsmaßnahmen.
Das Prinzip der Low-Carb-Diät
Vor über 40 Jahren sorgte Robert Atkins mit einer radikalen, auf Kohlenhydrat-Reduktion basierenden Diät für Furore, seit dem Jahr 2010 ist vor allem die Dukan-Diät sehr populär. Auch die Logi-Methode, die South-Beach-, Hollywoodstar- oder Mayo-Diät gehören unter das Low-Carb-Dach.
Das Grundprinzip bei allen Low-Carb-Diäten (aus dem Englischen "Carbohydrate" für Kohlenhydrate) ist: weitgehender Ersatz der Kohlenhydrate durch Eiweiß (und Fette). Eiweiß ist schließlich ein Appetitzügler, es wird langsam verdaut und selbst das Verdauen verbraucht wieder Energie. Zudem werden bei proteinlastiger Kost keine Körperzellen abgebaut, sondern Fettreserven angegangen. Der Mechanismus dahinter ist simpel: Der Körper schaltet ins Sparprogramm, da er glaubt, eine Hungerzeit steht bevor. Schließlich will er Energie erzeugen, um lebenswichtige Organe wie das Gehirn oder das Herz zu versorgen.
So läuft die Low-Carb-Diät ab
Die wichtigsten Eiweißquellen sind mageres Fleisch und Fisch, auf die die Abnehmwilligen fast nach Belieben zugreifen dürfen. Auch Tofu sowie Sahne, Käse und andere Milchprodukte sind erlaubt, dazu Salat und Gemüse.
Extrem reduziert werden alle Kohlenhydrate – das bedeutet: keine Nudeln, kein Reis, keine Kartoffeln kein Brot und schon gar kein Zucker. Außerdem gibt es kein süßes Obst, auch stärkehaltige Gemüse wie Karotten oder Erbsen fallen weg. Die genauen Regeln der verschiedenen Low-Carb-Vertreter weichen im Detail teilweise stark voneinander ab.
Wie viele Kohlenhydrate darf ich dann überhaupt noch zu mir nehmen?
Die Menge variiert je nach Diätform. Bei der sogenannten ketogenen Diät wird die Kohlenhydratzufuhr so niedrig wie möglich gehalten, damit Ketonkörper als Energielieferanten entstehen. Meist ist die Grenze bei 20 Gramm pro Tag schon erreicht. Diese lassen sich meist durch einen einfachen Urintest nachweisen. Andere wiederum erlauben etwas mehr - etwa 50 bis 70 Gramm Kohlenhydrate täglich. So soll sich der Körper auf schonende Weise längerfristig auf die geringe Zufuhr einstellen, aber dennoch im Fettverbrennungsmodus zu bleiben.
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Logi, Atkins oder Dukan: Low-Carb-Diäten im Vergleich
So sind zum Beispiel bei der Logi-Methode langkettige, langsam verdauliche Kohlenhydrate wie etwa Hülsenfrüchte in Maßen erlaubt. Die bei Stars beliebte Dukan-Diät verbietet anfangs Kohlenhydrate vollständig. Sie wurde in den 1970-er Jahren vom französischen Ernährungswissenschaftler Pierre Dukan entwickelt. Sie ist in vier Phasen unterteilt.
Eine Angriffsphase von einem bis zehn, meistens fünf Tagen, in der ausschließlich Proteine erlaubt sind: bestimmtes mageres Fleisch, Fisch, Eier sowie Milchprodukte ohne Fett, dazu eineinhalb Esslöffel Haferkleie. Diese verlängert die Darmpassage und erhöht das Sättigungsgefühl. Tabu sind Gemüse, Obst, Zucker und Alkohol. In dieser Phase stellen sich teils beachtliche Gewichtsverluste ein.
Die Aufbauphase, die bis zum Erreichen des angestrebten Endgewichts dauert. Jetzt dürfen die eiweißreichen Lebensmittel mit 28 verschiedenen Gemüsearten (roh oder gekocht) kombiniert werden. Dazu sollen zwei Esslöffel Haferkleie täglich gemischt werden. Fett ist tabu. Wer sich sehr hohe Ziele steckt, kann durchaus mehrere Monate in dieser Phase der Diät verbringen.
In der Stabilisierungsphase wird der Speiseplan nochmals erweitert. Jetzt sind mit Vollkornbrot, Hartkäse, einigen Hülsenfrüchten und Obst insgesamt 100 "Dukan-Lebensmittel" erlaubt, außerdem eine Schlemmermahlzeit pro Woche, später auch zwei. Die Länge dieser Phase beträgt zehn Tage pro verlorenem Kilo Körpergewicht. Jetzt werden laut Dukan die Weichen gestellt, ob sich der gefürchtete Jo-Jo-Effekt einstellt.
Die Erhaltungsphase folgt drei Regeln: Es sind ab nun alle Nahrungsmittel erlaubt. Nur an einem Tag pro Woche sollte das Konzept der Angriffsphase eingehalten werden, also ausschließlich Proteine, kombiniert mit nun drei Esslöffeln Haferkleie. Und: täglich 20 Minuten spazieren gehen und niemals Aufzug fahren!
So viel Gewicht können Sie mit Low-Carb abnehmen
Wenn eine Low-Carb-Diät radikal durchgezogen wird, ist vor allem anfangs ein Gewichtsverlust von deutlich über einem Kilo pro Woche möglich.
Darf ich Sport unter Low-Carb machen?
Sport ist bei eiweißlastiger Ernährung nicht nur förderlich, sondern sehr wichtig. Intensive Bewegung und Krafttraining helfen dem Körper, dass viele Eiweiß zu verstoffwechseln.
Für wen Low-Carb besonders geeignet ist
Geeignet sind Low-Carb-Diäten für Menschen, die Durchhaltevermögen besitzen und bereit sind, rigide Regeln über einen langen Zeitraum zu beachten. Zeit fürs Einkaufen und selbst Kochen ist unabdingbare Voraussetzung, vor allem in den Startphasen solcher Diäten.
Vorteile der Low-Carb-Diät
Low-Carb-Diäten können mit beachtlichen Gewichtsverlusten aufwarten. Das motiviert zum Durchhalten. Durch den hohen Verzehr von Eiweiß wird der Körper nicht in dem Maße geschwächt wie bei anderen Diäten, die einseitig auf starke Reduktion der Kalorienzufuhr setzen. Zudem soll sich die Diät bei bestimmten chronischen Erkrankungen wie Epilepsie, Krebs oder Multiple Sklerose positiv auf die Symptome auswirken.
So behandelt etwa die renommierte Mayo-Klinik in den USA schon seit Jahren Patienten mit einem eigens zusammengestellten Ernährungsplan, auf dem nur wenige Kohlenhydrate erlaubt sind. Angeblich soll der Kohlenhydrat-Entzug bewirken, dass zum Beispiel Krebszellen, die sich von Zucker ernähren, ausgehungert werden und sterben. Da allerdings Krebsbehandlungen den Körper sehr in Mitleidenschaft ziehen, wird hier mehr Fett als Eiweiß empfohlen, um die benötigte Kalorienmenge bereitzustellen.
Aber auch für Patienten mit Multiple Sklerose soll eine Low-Carb-Ernährung dafür sorgen, dass sich Patienten geistig wacher und körperlicher fitter fühlen. Das haben Wissenschaftler der Charité in Berlin herausgefunden. Sie vermuten, dass, wenn zu viel Kohlenhydrate zur Verfügung stehen, freie Radikale entstehen, die die Nervenzellen schädigen.
Nachteile der Low-Carb-Diät
Vor allem der dauerhafte Verzehr fast reiner Proteine ist sehr umstritten und kann vor allem die Nieren schädigen – auch wenn die empfohlene Flüssigkeitsmenge von mindestens zwei Litern täglich eingehalten wird.
Anzeichen für eine Belastung: Es können zum Beispiel Kopfschmerzen, Übelkeit und Mundgeruch auftreten. Die Umstellung auf eine stark kohlenhydratreduzierte und fettarme Ernährung erfordert enorme Disziplin. Frischer Fisch, Krustentiere und hochwertiges mageres Fleisch sind außerdem teuer. Für Vegetarier ist eine Low-Carb-Diät daher auch kaum praktizierbar.
Außerdem setzt der Kohlenhydrat-Entzug manche Leute unter Stress - vor allem, wenn die Diät über Wochen bis Monate durchgezogen wird. Schließlich befindet sich der Körper dann im Ausnahmezustand - wenn zudem das Gewicht zu schnell fällt, kann es unter anderem bei Frauen passieren, dass die Periode ausbleibt. Welche Fehler es bei einer Low-Carb-Diät zu vermeiden gilt, berichtet 24garten.de*.
Fazit der Medizinerin zu Low-Carb
Mit einer Low-Carb-Diät kann man in der Tat schnell Gewicht verlieren, nimmt aber Risiken in Kauf. Nicht zu empfehlen sind solche Diäten für Kinder, Schwangere oder Stillende, aber auch ältere Menschen. Je strikter die eiweißlastige Ernährung, umso bedenklicher. Schließlich können durch den Dauerstress Herz-Kreislauf-Beschwerden (besonders in den ersten Tagen der Ernährungsumstellung) auftreten.
Auch für Patienten mit einer Stoffwechselstörung und/oder Nieren- und Leberschädigung sind solche Diäten gefährlich und erfordern unbedingt eine Rücksprache mit dem Hausarzt. Auch der Verzicht auf Fett ist umstritten. Der Körper braucht Fett.
Fett trägt zur guten Stimmung bei und schützt vor Depressionen. Zudem ist es ein wichtiger Bestandteil für Körperabläufe. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) empfiehlt einen täglichen Fettanteil in der Nahrung von gut 30 Prozent.
Bei der strikten Unterscheidung zwischen erlaubten und verbotenen Lebensmitteln sind Regelverstöße und damit Rückfälle fast zwangsläufig. Eine langfristige Umstellung auf eine gesunde und nachhaltig gewichtskontrollierende Ernährung sind solche Diäten nicht.
Low-Carb-Diät: Der Körper verliert viel Wasser - schlägt der Jo-Jo-Effekt zurück?
Zudem ist noch nicht wissenschaftlich erwiesen, inwiefern Langzeitrisiken zu befürchten sind. Schließlich sind Kohlenhydrate neben Eiweiß und Fett ein Hauptbestandteil unserer Nahrung und liefern dem Körper schnell Energie, zum Beispiel beim Sport. Nur wenn zu viel Energie in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden, werden diese als Notreserve in Fett umgewandelt und in die Depots gepackt.
Außerdem haben Studien ergeben, dass Probandengruppen, wo die eine Low-Carb und die andere Low-Fat zu essen bekam, nach etwa einem Jahr gleich viel an Gewicht verloren hatten. Zwar hatte die Low-Carb-Gruppe in den ersten neun Monaten die Nase vorn, was das Abnehmen angeht. Doch zum Jahresende hin stagnierte dort das Gewicht, während die Gruppe, die wenig Fett aß, aufholte.
Man vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass der Körper besonders in den ersten Wochen der Ernährungsumstellung auf Low-Carb viel Wasser verliert - und sich dies auf der Waage bemerkbar macht. Der Grund dafür: In der Leber werden Kohlenhydrate in Form von Glykogen gespeichert. Dieses bindet Wasser - wenn also Glykogenspeicher geleert werden, wird auch Wasser freigesetzt und schließlich ausgeschieden.
Sobald man allerdings wieder Kohlenhydrate zu sich nimmt, lagert der Körper diese wieder gierig ein - mitsamt dem Wasser. Daher schnellt der Zeiger auf der Waage schnell wieder nach oben - und eine Art Jo-Jo-Effekt tritt ein. Doch die zusätzlichen Kilos sind nicht mehr Fett, sondern bloße Wassereinlagerungen. (mm/jp) *Merkur.de und 24garten.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
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