Nachruf: Paul Metternich stirbt im Alter von 72 Jahren - Von Dennis Bartz

Abschied vom Grantler

Paul Metternich in seinem Element: Als Sicherheitschef sorgte er für Ordnung auf dem Sportplatz.  ©Archiv-Foto: Dennis Bartz

Rotenburg. Querdenker, Hitzkopf und Grantler auf der einen Seite, Familienmensch, fairer Sportsmann und Tierfreund auf der anderen – kaum jemand polarisierte so sehr wie Paul Metternich, und niemand hatte so viel Spaß dabei: Mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht lehnte sich der langjährige Marketing- und Sicherheitschef des Rotenburger SV zurück, wenn er mal wieder einem seiner Gesprächspartner vor den Kopf gestoßen hatte. Wer den gebürtigen Westerwalder nur flüchtig kannte, der verkannte womöglich deswegen, dass der 72-Jährige in Wahrheit vor allem eines war: ein netter Kerl mit einem großen Herzen für Kinder, Menschen mit Behinderung und Tiere. Am Montag verstarb Paul Metternich nach kurzem Krankenhausaufenthalt. Er hinterlässt Ehefrau Doris, vier Kinder, sieben Enkel sowie einen Urenkel.

Paul Metternich kam am 23. Oktober 1946 als einziges Kind des Schäfers Jakob zur Welt. Sein Vater war erst ein Jahr zuvor aus dem Krieg zurückgekehrt. Das Ehepaar legte großen Wert auf eine christliche Erziehung. Paul besuchte einen katholischen Kindergarten und war bis zu seinem 15. Lebensjahr Messdiener. „Ich habe es sogar zum Hauptmessdiener gebracht“, berichtete Metternich anlässlich seines 70. Geburtstags vor zwei Jahren stolz.

Die beiden Schäfer Jupp und Willi, die seine Eltern gegen einen Schlafplatz sowie Speis und Trank beschäftigten, waren in Jugendtagen seine täglichen Begleiter: „Sie haben mich mit aufgezogen und lehrten mich alles über die Sonne, den Mond und die Früchte der Erde.“

500 Schafe hatte der Metternich-Hof vor dem Krieg, immerhin noch etwa 170 danach. Einige Tiere hatten Soldaten gestohlen, den weit größeren Teil hatte seine Mutter an Bedürftige verschenkt oder als Bezahlung benutzt, berichtete Metternich: „In den Kriegsjahren hat sie damit das halbe Dorf verpflegt. Von ihr habe ich wohl meine soziale Ader.“

Metternichs fußballbegeisterter Vater starb, als Paul gerade einmal 14 Jahre alt war und inzwischen selbst für den Heimatverein SV Hundsangen spielte. „Ich war nie ein filigraner Fußballer, sondern eher ein Klopper-Typ, ein waschechter Libero“, erinnerte sich Metternich.

Am liebsten hätte der Junge vom Land irgendwann selbst den Hof seiner Eltern übernommen. „Das wäre genau mein Ding gewesen. Und ganz sicher wäre ich der größte Schäfer Deutschlands geworden“, behauptete er. Aber seine Mutter hatte andere Pläne: Elektriker sollte ihr Sohn werden. Und Metternich, der sie sehr achtete, folgte zunächst ihrem Wunsch, ehe er mit 24 Jahren seinen eigenen Weg ging und Aufseher in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main wurde.

Metternich arbeitete dort zunächst mit jugendlichen Straftätern zwischen 14 und 17 Jahren, später mit Erwachsenen: „Es waren Killer und Terroristen darunter. Trotzdem war das mein Traumjob – mit allen schönen und auch schlimmen Seiten“, sagte Metternich im Interview mit der Rundschau. Zur letzten Sorte gehörte der schwere Zwischenfall mit einem Häftling, der Metternich nach langem Krankenhausaufenthalt schließlich im Alter von nur 44 Jahren dazu zwang, seine Uniform an den Nagel zu hängen.

Zu diesem Zeitpunkt stockte auch Metternichs Karriere als Sportfunktionär, die ihn nach eigenem Bekunden womöglich weit gebracht hätte. „Das ist vielleicht mein größtes Talent“, sagte er und berichtete mit strahlenden Augen von großen Erfolgen, die er bereits in jungen Jahren feierte. „Ich habe den FC Bayern in den Westerwald geholt und den Fußball-Damen des TuS Ahrbach den Weg in die Bundesliga geebnet.“ Metternichs Erfolg fand Beachtung, sein Name landete so unter anderem in den Notizbüchern von Eintracht Frankfurt und in denen des 1. FC Köln, die ihre Fühler nach ihm ausgestreckt hatten, ehe seine Krankheit den Traum von einer großen Karriere im Fußballzirkus zerstörte.

Mit Partnerin Doris und ihren drei Kindern zog Metternich 1991 nach Scheeßel, ehe 1996 der Umzug nach Rotenburg und die Hochzeit drei Jahre später folgten.

In der Wümmestadt widmete sich Metternich bis zuletzt mit ganzer Kraft dem Rotenburger SV und machte ihn deutschlandweit bekannt. Wegen seines engen Kontaktes zum damaligen Manager Uli Hoeneß gelang es ihm sogar, den FC Bayern zweimal für ein Trainingslager nach Rotenburg zu holen (1999 und 2001). Auch bei den Testspielen, zum Beispiel des Hamburger SV, St. Pauli und Werder Bremen, zog Metternich die Fäden.

Sein größter Coup gelang ihm 2006, als er maßgeblich daran beteiligt war, dass Rotenburg zur WM-Stadt wurde. „Ich habe mit Unterstützung von Reinhard Lüdemann Trinidad und Tobago hierher geholt – alle hatten uns für verrückt gehalten. Aber wir haben es geschafft“, erinnerte sich Metternich, der für seinen großen Willen und seinen Optimismus bekannt war.

Diese Eigenschaften waren es, die Metternich antrieben, als er den Rotenburger SV 2012 vor dem beinahe sicheren finanziellen Kollaps bewahrte: „Die Bank wollte uns damals den Hahn zudrehen – mit einem Rechtsanwalt im Schlepptau konnten wir das verhindern.“

Es sei ihm immer egal gewesen, was andere über ihn denken, behauptete Metternich. Doch seine Familie und enge Freunde kannten ihn anders. Ehefrau Doris beschrieb ihn als sensibel, als herzensgut, tierlieb und sozial. So fuhr Metternich fünf Jahre für das Busunternehmen Nadolny schwerbehinderte Kinder zur Schule nach Wilstedt. Eine Aufgabe, die ihm viel bedeutete.

Tief verwurzelt war in Metternich, dem Jungen aus dem Westerwald, die Herkunft als Sohn eines Schäfers. Auf der Tarmstedter Ausstellung war er Stammgast, Schafe faszinierten ihn.

Gesundheitlich angeschlagen, schaffte es Metternich trotzdem nicht, einen Gang zurückzuschalten. Ehrgeizig, zeitweise sogar verbissen, wie er war, wollte er bis zuletzt sämtliche Planungen selbst in der Hand haben. So organisierte er das Jubiläum „100 Jahre Rotenburger Fußballsport“, gab das Hochglanzmagazin „Tooor!!! Geschichte & Geschichten“ mit heraus und war für die Organisation des U16-Länderspiels zwischen Deutschland und Österreich im Ahe Stadion verantwortlich – doch den Anpfiff des Spiels am vergangenen Sonntagvormittag verpasste er bereits gesundheitsbedingt.