Bothel. Wenn die Winter- und Frühjahrsstürme an der Ostsee vorbei waren, konnte wir bei der Steilküste nahe meines Heimatdorfes an den Strandabschnitten ebiden. Dabei stellten wir fest, dass fleißige Hände die Brandungszone von den vielen Steinen nach und nach befreit hatten. Diese hatten zuvor den Gang vom Strand ins Wasser zu einem Balancierakt gemacht. Die je nach Zeitaufwand schmalen oder breiten, steinlosen Gassen waren das markante Zeichen dafür, dass wieder mit Strandleben gerechnet werden konnte.
Wartete vor der weiterführenden Schule, die ich besuchte, ein Bus, stand mal wieder eine Klassenfahrt in das schuleigene Landheim an, wunderschön am Ufer eines Sees gelegen. Der Hausvater des Heims achtete zuverlässig darauf, dass der Lieblingsbeschäftigung quirliger Mädchen an heißen Tagen nichts im Wege stand: Baden.
Gewässer, die naturnah bleiben dürfen oder entsprechende Abschnitte behalten konnten, haben Ränder, die in entsprechenden Verlautbarungen als Ufer mit naturnahen Uferzonen, Verlandungs- und Flachwasserbereichen beschrieben werden. Charakteristisch für diesen Bereich ist ein schwankender Wasserstand und gegebenenfalls Uferabbrüche und -zuwachs, je nach dem, was Strömung und Wetter bieten. Es ist oder kann also vieles an einem See im Fluss sein. Wird dieses nicht gewünscht, muss massiv durch entsprechende Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass sich eine vorgesehene Uferlinie auch dauerhaft als solche erhält. Naturnah ist eine künstlich herbeigeführte Stabilität aber nicht. Selbstverständlich gibt es Vorstellungen davon, wie ein ideales Ufer auszusehen hat: Bruchwaldzone, Röhrichtzone, Schwimmblattzone, Tauchblattzone, nur: tatsächlich folgt fast kein Gewässerrand dieser idealen Vorgabe. Wir genossen es, durch eine abenteuerlich dichte Röhrrichtzone mit Rohrkolben und Schilfrohr, in dem die Teichralle rief und das Blässhuhn nistete, über den fürsorglich frei gehaltenen Holzsteg durch diese Verlandungszone des Sees zum begehrten Badebereich im Flachwasser zu gelangen. Der eignete sich fantastisch zum Toben im seichten, klaren Wasser. Das war allerdings zu seicht und klar für Seerosen, die in ruhigen Bereichen der Schwimmblattzone eines Gewässers eigentlich gerne mal im Bodenschlamm wurzeln, ihre dekorativen Blätter über dem Wasserspiegel ausbreiten, dichte Bestände bilden und so die von ihnen akzeptierte Wassertiefe tarnen. Die kann bis zu vier Meter betragen und liefert den Stoff, aus dem Schauergeschichten entstehen: über Unvorsichtige, die in lange, einen Unterwasserdschungel bildende Pflanzenstengel geraten, sich nicht befreien können und im hilflosen Kampf gegen den Wirrwarr von Seerosenstengeln lautlos in schlammigen Tiefen versinken. Wir strebten bei den herrlichen Landheimaufenthalten eher noch rasch eine Schwimmrunde im tieferen Wasser an, woran uns aber in der Regel die aufsichtsführende Lehrkraft im Ruderboot hinderte. So wurde uns verwehrt, die Tauchblattzone mit ihrem gegebenenfalls vorhandenen Unterwasserpflanzenbestand wie dem gemeinen Hornkraut (Ceratophyllum demersum) kennenzulernen. Tipp: Wie schon weiter oben erwähnt, halten sich die wenigsten Gewässer an die skizzierte, idealtypische Ufergestaltung, was nicht bedeutet, dass sie damit weniger naturnah sind als die kleine Zahl der Muster-Beispiele. Im Waldgebiet Trochel bei Bothel gibt es dafür ein interessantes Beispiel, das auch deshalb so spannend ist, weil es sich bei diesem Gewässer um eine ehemalige Sandgrube handelt, den sogenannten Silbersee, der sich mittlerweile zu einem sehenswerten Biotop entwickelt. Um zu ihm zu kommen, muss von der Ortsmitte aus dem „Holderweg“ bis zur „Trocheler Straße“ gefolgt werden, dann geht es links ab in die Feldmark bis zum Ende der Wegebefestigung. Der linke Feldweg biegt nach etwa 250 Metern rechtwinklig in den Trochel mit einer herrlichen Allee. Gut 250 Meter weiter quert der Weg die Wiedau und nach knapp 500 Metern grüßt links der Silbersee mit einer Informationstafel, die anschaulich etwas zum See, seiner Geschichte und dem dortigen Ökosytem festhält. Lohnend!