Facettenreich: der spannende Lebensweg des Scheeßeler Theater-Regisseurs Heribert Eiden - Von Andrea Winterhalter

Eheringe mit Blut bezahlt

Heribert Eiden am Stehpult in seinem Arbeitszimmer. Hier tüftelt er oft an neuen Projekten und überarbeitet Stücke, die einige Zeit später die Besucher begeistern. Fotos: Andrea Winterhalter
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Scheeßel. Liegewagenschaffner, Fließbandarbeiter, Unterhosenmodel, Krankenpfleger, Plasmaspender, Lehrer, Theater-Regisseur... Diese Liste, die für mehr als ein halbes Dutzend Folgen der beliebten Quiz-Sendung von Robert Lemke gereicht hätte, ist Bestandteil der Biografie eines einzelnen Mannes. Dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind und Geld nicht auf den Bäumen wächst, weiß Heribert Eiden sehr genau. Als Student waren für den heute 67-Jährigen nicht nur Partys und Büffeln, sondern auch etliche Jobs angesagt, mit denen er sich in den 1970er-Jahren über Wasser hielt.

„Während meiner Studienzeit in Bochum und Freiburg habe ich häufiger Arbeiten angenommen, die in der Jobbörse für Studenten offeriert wurden“, erinnert sich der Scheeßeler. So posierte er mal in Unterhosen für eine Werbekampagne des Textilherstellers „Fruit of the Loom“ und lächelte als überzeugter Altbiertrinker für „Hannen Alt“ in die Kamera.

„Aber auch als Liegewagenschaffner, ‚Küchenmädchen‘ für eine Bankiersfamilie und bei Opel am Fließband im Kühlerbau habe ich gearbeitet“, berichtet er. „Das war eine echt harte Sache. Ich kann gut verstehen, dass Menschen nach so einem Arbeitstag, wenn überhaupt, nur noch die Bild-Zeitung lesen.“

Aber nicht nur mit Fließband-, Haushalts- und Model-Tätigkeiten bestritt Eiden seinen Lebensunterhalt. „Alle 14 Tage ging ich regelmäßig zur Plasma-Spende und ließ mir für Geld einen Liter Lebenssaft abzapfen. Davon wurden Eheringe gekauft. Diese Ringe habe ich quasi mit meinem Blut bezahlt“, schmunzelt er.

Nachhaltig unter die Haut ging ihm der Job als Krankenpfleger auf einer neurochirurgischen Intensivstation in Freiburg, wo er häufiger die Nachtschicht übernahm. „Ich habe Blasenkatheder gelegt und gespritzt. Das gibt es heute für ungelernte Kräfte nur noch gegen Rauswurf. Es war eine oft sehr traurige, aber sinnintensive Zeit. Wenn Menschen verstorben waren, habe ich alle Schläuche gezogen, sie sauber gemacht und den berühmten Zettel am großen Zeh befestigt. Dann ging es in den Keller. Die Leichen kamen ganz hinten in das letzte Zimmer mit der Nummer 007.“

Viele Menschen unserer Region kennen den mittlerweile pensionierten Lehrer. Er unterrichtete an der Beekeschule, der Eichenschule und der Lauenbrücker Fintauschule. Theater- und kulturaffine Mitbürger kennen ihn als Regisseur der Theatergruppe „Rollentausch“ sowie als Vorstandsmitglied der Kulturinitiative Rotenburg (KiR). Heribert Eiden lebt mit seiner Frau Gabriele und Hund Emma in einem schmucken Einfamilienhaus in Scheeßel. „Wir sind Eltern von drei erwachsenen Töchtern sowie Großeltern von sieben Enkelkindern“, erzählt der 67-Jährige stolz.

„Den Schreibtisch habe

ich rausgeschmissen“

Der in die norddeutsche Tiefebene immigrierte „Ruhrpottler“ sitzt in seinem Arbeitszimmer. Die Holzregale ächzen förmlich unter dem Gewicht der Bücher, die sich in ihnen bis unter die Decke stapeln. Merkwürdig: Es gibt hier keinen klassischen Schreibtisch. In der Ecke steht ein recht zierliches Stehpult. „Den Schreibtisch habe ich rausgeschmissen“, erklärt er. „Das Stehen ist besser für den Rücken – und außerdem ist man gezwungen, Ordnung zu halten.“ Heribert Eiden, der es sich auf einer Sitzgelegenheit neben der Tür bequem gemacht hat, berichtet weiter aus seinem Leben.

„Als drittes Kind meiner Eltern erblickte ich 1949 in Wattenscheid im südlichen Ruhrgebiet das Licht der Welt. Ich wuchs gemeinsam mit dem ältesten Bruder auf. Der zweite, der nur ein Jahr älter als ich war, starb noch vor meiner Geburt an einer Lungenentzündung. In den Nachkriegsjahren herrschte Vitaminmangel und auch Medikamente waren rar. Meine Mutter hat nie über dieses Thema reden wollen.“ Vater Eiden arbeitete, wie es in der Gegend typisch war, im Bergbau. Das hat die Familie geprägt. „Er bekleidete eine leitende Position und war auch Leiter der Gruben-Wehr. Das hieß, er musste immer präsent sein, wenn etwas Schlimmes passierte. Dann musste er beispielsweise Rettungsaktionen leiten oder Brände bekämpfen. Um sich in Krisensituationen wach und auf den Beinen zu halten, nahm er schon mal Aufputschmittel.“

In den Familienurlauben reiste man damals gern an den Chiemsee, an Österreichische Seen oder auf Holländische Inseln. Die Zeltlager, die seine katholische Heimatgemeinde organisierte, liebte der Wahl-Scheeßeler jedoch ganz besonders.

Nachdem er das Abitur in der Tasche hatte, war für ihn klar: Lehrer wollte er werden. So ging es zum Studium zunächst nach Bochum, dann nach Freiburg.

Im Breisgau kam es zu der schicksalhaften Begegnung mit einer jungen Studentin aus Göttingen. 1974 lernte er seine künftige Ehefrau Gabriele auf einer Verlobungsfeier in einer Schwarzwaldhütte kennen. „Der Funke sprang sofort über“, schwärmt er.

Die Strecke zwischen den beiden Universitätsstädten wurde an den Wochenenden mit Trampen überwunden. Die Sehnsucht war groß. „Als ich eines Abends nach Hause kam, stand sie mit ihren Koffern vor der Tür. Wir haben uns dann einfach meine 14 Quadratmeter große Bude geteilt und weiter studiert.“

Das Theater begeistert ihn schon in Kindertagen

Die erste Lehrerstelle trat Eiden in Weil am Rhein an. 1976 und 1978 wurden die Töchter Judith und Eva geboren. „Ein Lehrerposten in Sittensen lockte uns nach Norddeutschland. Mit einem Zirkel habe ich auf einer Landkarte um Sittensen Kreis mit einem Radius von 15 Kilometern geschlagen. Unsere Wahl fiel auf Scheeßel.“ 1980 gesellte sich die dritte Tochter, Isabel, dazu. 1983 zog die fünfköpfige Familie in ihr Eigenheim.

Theaterbegeistert war Heribert Eiden von Kindesbeinen an. Schon in sehr jungen Jahren wirkte er selbstbewusst bei Krippenspielen mit und bewunderte gemeinsam mit den Eltern Klassiker wie „Die Räuber“ im Bochumer Stadttheater.

Diesen roten Faden nahm der Scheeßeler im Rahmen seiner Lehrertätigkeit wieder auf. In der Beekeschule stellte er eine Theater-AG auf die Beine, die sich einen Namen machte. „Die Truppe war etwa 20 Mann stark und alle waren begabt. Aufgrund des guten Rufes wurden wir zu Gastspielen eingeladen. Einige Stücke, die wir auf die Bühne brachten, waren selbst geschrieben.“ Mutig befasste sich die Truppe mit Themen wie Drogenmissbrauch oder Rechtsradikalismus. „Dieses Stück musste tatsächlich zweimal abgesagt werden, weil der Protest zu groß war“, erinnert er sich.

Aber auch in der Fintauschule wirkte Eiden erfolgreich als Regisseur. Der Theaterfunke zwischen den Schülern und ihm sprang einfach über. „Ich habe nie Theaterpädagogik studiert“, bekennt er. Das Wissen und die Fertigkeiten eignete sich das Naturtalent in Fortbildungen an. „Thomas Stermann, der Lehrer für Darstellendes Spiel ist, hat mich sehr unterstützt und auf eine angenehme Art und Weise begleitet.“

Seine Theatergruppe „Rollentausch“ gründete sich im Jahr 2000 aus der katholischen Laientruppe „Komödchen“, die sich zusammengefunden hatte, um auf einem Pfarrfest einen Sketch aufzuführen. Mittlerweile ist das Ensemble in der Region sehr bekannt und hat etwa zwölf abendfüllende Stücke auf die Bühne gebracht.

Nicht allein die Liebe zum Theater ist Lebensinhalt des mittlerweile pensionierten Lehrers. Er hat ein Faible für klassische Kammermusik, gute alte Rockstücke und Jazz. Außerdem ist er im Vorstand der KiR. „Ich schwimme, fahre gern Fahrrad und Familienhund Emma möchte auch bewegt werden“, ergänzt er. Die größte Leidenschaft teilt Heribert Eiden mit seiner Frau Gabriele: die Familie.

Diese ist mittlerweile mit drei Töchtern, drei Schwiegersöhnen und sieben Enkelkindern recht stattlich geworden. „Im vergangenen Jahr sind wir für Besuche etwa 30.000 Kilometer Auto gefahren, weil alle quer in der Republik verteilt leben.“

Eine besondere Tour unternahm Großvater Eiden im vergangenen Sommer mit den beiden ältesten Enkeln Elmar (7) und Jonathan (8): Die Herrentruppe unternahm eine viertägige Radtour mit Übernachtungen im Zelt oder in Jugendherbergen. Eine weitere Reise dieser Art ist auch für den kommenden Sommer geplant.

Mehrere werden wohl noch folgen, denn ein weiteres Ereignis steht im Sommer an. „Das achte Enkelkind kommt, so Gott will, zur Welt“, erzählt er. Zur Geburt eines jeden Enkelkindes hat er eine Silvesterrakete steigen lassen.

Ob wohl das Abfeuern einer einzelnen Rakete schon ein genehmigungspflichtiges Privatfeuerwerk darstellt?

In diesen Momenten ist es ihm wohl nicht so wichtig. „Wenn das Kind geboren ist, steigt wieder eine Rakete ganz hoch in den Himmel.“

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