Neuenkirchen. Auch wenn die Anzahl der mit dem Corona-Virus Infizierten in der Region steigt, ist für viele der Virus noch abstrakt und gedanklich weit weg, trotz aller Maßnahmen der Regierung. Der Covid-19 ist eben unsichtbar, riecht nicht und schmeckt nach nichts. Der Eingriff in das alltägliche Leben ist für alle schon heute weitgehend, aber es gibt Menschen in unserem direkten Umfeld, die an der Bäckertheke, als Hausarzt, als Krankenhauspersonal sowie als Kassierer im Supermarkt ihre Gesundheit riskieren, um die Versorgung der Menschen weiter aufrecht zu erhalten.
Allerdings gibt es in vielen Betrieben auch etliche Mitarbeiter, die in Zeiten der Corona-Krise bis an die physische Belastungsgrenze gefordert werden, ohne dass dies der Öffentlichkeit wirklich bekannt ist. So auch bei der Firma „MaiMed“ in Neuenkirchen. Sie ist einer der führenden Hersteller von Medizin-, Pflege-, Schutz- und Hygieneprodukten in Europa und hat ihren Stammsitz, einschließlich Logistikzentrum mit mehr als 27.000 Palettenstellplätzen, in Neuenkirchen, Brochdorf. Bei dem derzeit riesigen Bedarf an den Produkten der international aufgestellten Firma ist die momentane Auslastung der 100 Mitarbeiter offensichtlich. Die Rundschau hat mit Geschäftsführer Dirk Pfemfert über die aktuelle Situation gesprochen.
Wie bewältigen sie die aktuelle Belastung als Hersteller für die wichtigen Schutzprodukte, die so dringend in der Medizin und Pflege benötigt werden? Wir sind uns unserer Verantwortung in Corona-Zeiten sehr bewusst und versorgen aktuell in erster Linie das Gesundheitswesen zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung, aber auch systemrelevante Unternehmen und Institutionen, die auf den zwingenden Einsatz unserer Produkte angewiesen sind. Dies gelingt uns insbesondere Dank des herausragenden Einsatzes unserer Stammbelegschaft, als auch durch die Hinzugewinnung neuer Mitarbeiter. Ist ihr Lager schon leer verkauft? Welche Dimensionen hat der Umsatzzuwachs? Das Lager wird quasi zu keiner Zeit leer verkauft sein, da wir kontinuierlich weiterproduzieren. Aber, und das ist insbesondere in einer global auftretenden Pandemie sowie einer global vernetzten Wirtschaft bei enormer Steigerung der Nachfrage gegenwärtig unumgänglich, kommt es leider in einzelnen Produktgruppen innerhalb der medizinischen Schutzprodukte, Hygieneartikel und Desinfektionsmittel im Markt zu spürbaren Engpässen. Wie groß der Umsatzzuwachs ausfällt, werden wir Ihnen erst am Ende des Jahres benennen können. Denn es ist heute auch noch nicht abzusehen, wie gesättigt der Markt nach der Corona-Krise sein wird und ob dann auch ein paar flaue Monate auf uns zukommen. Gegenwärtig zeigt sich im ersten Quartal 2020 eine Verdoppelung bis Verdreifachung des Umsatzes. Wie umfangreich ist eigentlich ihr Sortiment und sind alle Artikel noch lieferbar? Unser Sortiment umfasst circa 1.500 Artikel, welche weltweit über Tochtergesellschaften, eigene Sales Offices sowie Kooperationspartner in den einzelnen Ländern vertrieben werden. In Deutschland haben wir flächendeckend ein Netz an Medizinprodukteberatern, die unsere Kunden in unserem Hauptmarkt betreuen. Unsere Produkte finden unter anderem Anwendung in Kliniken, Arztpraxen, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäusern, Pflegeeinrichtungen, Sozialstationen sowie der verarbeitenden Industrie und im Handwerk. Bei bestimmten Produkten, wie Schutzmasken, Schutzkittel, Desinfektionsmittel und Handschuhe, übersteigt die aktuelle Nachfrage natürlich unsere Vorräte und Produktionskapazitäten. Trotzdem versuchen wir diese Kapazitäten kurzfristig zu steigern, damit mehr von unseren hochwertigen Produkten ausgeliefert werden können. Wo produzieren sie eigentlich die Medizinprodukte, auch in Neuenkirchen? Durch die stetige Weiterentwicklung der Geschäftsbeziehungen mit den Produzenten und deren Produktionsstätten in Europa und Asien haben wir eine breite Basis für eine zuverlässige Produktion auch bei extrem hoher weltweiter Nachfrage geschaffen. Das war immer der Garant für den Erfolg von MaiMed. In Neuenkirchen produzieren wir zurzeit nicht. Hier an unserem Stammsitz sind unsere Logistik und vertrieblichen Aktivitäten sowie das Management gebündelt. Vor einigen Monaten erweiterten sie ihren Hauptsitz in Neuenkirchen mit drei Lager- und Logistikhallen mit einer Fläche von circa 9.500 Quadratmetern. War das Schicksal oder Fügung diesen Schritt damals zu gehen, um heute die dringend benötigt neuen Kapazitäten nutzen zu können? Die Nachfrage nach dem von MaiMed angebotenen Produktsegment steigt nicht nur bei unseren klassischen Kunden im Gesundheitswesen, sondern auch in annähernd allen Bereichen unserer Gesellschaft. Zunehmend immer höhere Hygienestandards in Industrie, Handel und Dienstleistung machen den Einsatz von medizinischen Schutzprodukten, Hygieneartikel und Desinfektionsmittel unabdingbar. So war es ohnehin erforderlich, die Lager- und Logistikkapazitäten der seinerzeit schon sehr guten Auftragssituation anzupassen. Was bedeutet die aktuelle Krise für ihre Abläufe im Betrieb und wie schützen sie ihre Mitarbeiter? Die Herausforderung in diesen Tagen als Medizinproduktehersteller und –lieferant ist, unsere Produkte dem Gesundheitswesen, als auch anderen systemrelevanten Unternehmen, schnellstmöglich zur Verfügung zu stellen bzw. an die Einsatzorte im Kampf gegen Krankheit und Verbreitung zu verbringen. Im Rahmen unseres Qualitätsmanagements erfolgt unsere Arbeit ohnehin bereits hohen Hygienestandards. Dennoch haben wir bereits vor Wochen weitreichende Schutzmaßnahmen, der nunmehr auch allgemeingültigen Regel in unserer Gesellschaft, für unsere Mitarbeiter untereinander, wie auch mit externen Geschäftskontakten umgesetzt. Wie organisiert sich derzeit Ihre Belegschaft, um das hohe Pensum zu schaffen? Haben Sie einen Dreischichtbetrieb mit Schlafplätzen im Betrieb oder welche Blüten treibt diese Lage bei MaiMed? Um der enormen Nachfrage nachkommen zu können, bedurfte es in der Tat sukzessiv einiger Umstrukturierungen. Ohne Mehrarbeit, Schichtarbeit und Neueinstellungen, so ist unbedingt festzuhalten, ist das gegenwärtige Absatzvolumen zu leisten, schlicht nicht möglich. Aber geschlafen wird bei MaiMed weder während der Geschäftszeiten noch außerhalb dieser „noch“ nicht. Können Sie Abläufe an andere Firmen verlagern, um der Belastung Herr zu werden oder beschäftigen Sie kurzfristig mehr Mitarbeiter? Wir haben schon in der Vergangenheit aufgrund der hohen Hygienestandards und Serviceorientierung gegenüber dem Kunden, selten operative Abläufe ortsfremd abgebildet. Seit 2019, sprich infolge der Logistikerweiterungsbaumaßnahme, kommt das nur noch einzelfallweise vor. Davon möchten wir insbesondere in Corona-Zeiten, wo zu viele Schnittstellen eher ein Risiko als eine Chance darstellen, nicht häufiger Gebrauch machen. Daher haben wir uns entschieden, weiterhin qualifizierte Mitarbeiter für uns zu gewinnen. Dürfen überhaupt noch betriebsfremde Personen auf Ihr Gelände oder gibt es schon Polizeischutz, angesichts des blühenden Onlinehandels von Geschäftemachern? Der Zutritt auf unserem gut gesicherten Betriebsgelände ist nur geladenen „Gästen“ erlaubt, aber selbst davon nehmen wir in den letzten Wochen Abstand und empfangen gegenwärtig keine Besucher. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass MaiMed nicht an Endverbraucher, sondern tatsächlich nur auf Geschäftskundenebene, sprich Business to Business („B2B“), verkauft. Insbesondere in diesem Fall, so können Sie sich sicher vorstellen, ist das ein sehr glücklicher Umstand, denn die Medizinprodukte, Hygieneartikel und Desinfektionsmittel landen nun nicht stärker als sonst ungenutzt in den Vorratsschränken von Endverbrauchern, sondern finden ihren Einsatz zielgerichtet und bedarfsgerecht insbesondere in der medizinischen Versorgung. Verraten Sie, um wie viel sich der Durchlauf im Lager erhöht hat oder wird nun vermehrt bei den großen Mengen ein kompletter Container an den Kunden geliefert? Es ist eine deutliche Steigerung zu vernehmen, sodass bei Weitem nicht jede Anfrage bedient werden kann. Bei einigen Produkten ist die Nachfrage zehnmal so hoch und höher, sodass MaiMed auch schon genau auswählen und reduzierte Mengen zuteilen muss. Allerdings wird sich die Kennzahl des Lagerumschlags erst am Ende des Jahres zutreffend beziehungsweise hinreichend konkret fassen lassen, denn Corona ist erst seit nunmehr zehn Wochen ein akutes Thema mit globalen Wechselwirkungen. Das sogenannte Containergeschäft gehört bei unseren Großkunden grundsätzlich zum Geschäftsmodell, und auch in diesem Bereich ist eine starke Steigerung der Absätze zu spüren. Durch diesen hohen Bedarf an zum Beispiel Untersuchungshandschuhen haben sich die Produktionszeiten erheblich verlängert und wir haben derzeit einen Vorlauf von circa acht bis neun Monaten. Sind nicht viele von Ihren 27.000 Palettenstellplätzen schon längst leer? Wir bieten ein sehr breites Produktportfolio an, daher nein, wir sind nicht „leer“. Einzelne, infolge des Corona-Virus aktuell noch stärker nachfragte Artikel, haben gewiss eine sehr kurze Verweildauer im Lager. Insgesamt aber lässt sich heute festhalten, es wird ständig neue Ware eingelagert und an den Kunden im Bedarfsfall umgehend ausgeliefert. Außerdem haben wir so gut es eben auch im Januar schon abzusehen war, dass es bei einigen Produkten einen Engpass geben könnte, umgehend versucht die Produktionsmengen zu erhöhen. Wir müssen aber feststellen, dass diese Einschätzung bei weitem nicht ausreicht. Allein das Bundesland Nordrhein-Westfalen soll ja irgendwo eine Million FFP Schutzmasken bestellt haben. Wie viele Container wären so eine Menge überhaupt? Eine Million FFP2 Atemschutzmasken sind in etwa zwei 40“-Container. Mit Ihren engen wirtschaftlichen Kontakten nach Asien war Ihnen sicher die Gefahr, auch für Europa, durch COVID-19 schon früher bewusst. Hat die Politik dennoch rechtzeitig gehandelt und bringen die Maßnahmen überhaupt etwas? Da wir unsere Produkte in Teilen rohstoffnah in Asien fertigen (China, Malaysia, Thailand, Indonesien und so weiter) und überdies die Nachfrage asiatischer Kunden nach unseren Produkten zudem deutlich zunahm, beschäftigen wir uns geschäftlich nunmehr in der Tat seit Januar 2020 mit dem Corona-Virus. Dadurch werden wir aber dennoch nicht zum Experten für Virologie und bewerten daher selbstverständlich nicht das Handeln einzelner Akteure, Institutionen und von Politik insgesamt. Festzustellen ist hier aber, dass wir schon sehr früh erkannt haben, dass es bei einigen Produkten einen Engpass geben wird. Wie sehen Sie die Funktion ihrer Firma für die Gesellschaft in dieser Krise eigentlich selber? Mit unserem Produktportfolio als Medizinproduktehersteller ist MaiMed ein elementar wichtiger Baustein für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung sowie zuverlässiger Hersteller und Partner für die auch in anderen Branchen zwingend einzusetzenden Schutzprodukte Hygieneartikel und Desinfektionsmittel. Sprich, auf uns kommt es mehr denn je an. Dieser Verantwortung ist sich das MaiMed-Team uneingeschränkt bewusst, und dafür setzen wir uns sehr sehr gern ein. Das gesamte MaiMed-Team, vom Lager über den Einkauf, den Vertrieb und die Verwaltung ist ein großer Dank auszusprechen, denn die Belastung ist derzeit sehr hoch und wir versuchen trotzdem alles zeitnah und umgehend zu erledigen und die Ware zu liefern, wo sie dringend benötigt wird. Wie lautet Ihre unverbindliche Einschätzung, wie lange der Corona-Virus noch das öffentliche Leben, wie jetzt, beeinflussen wird? Das hängt von derart vielen unvorhersehbaren Wechselwirkungen ab, dass selbst Experten sich nur bedingt zu einer Aussage hinreißen lassen. Insofern übernehmen wir an dieser Stelle besser den uns zugedachten Auftrag: Herstellen und Liefern von Medizin- und Schutzprodukte sowie Hygieneartikeln. Was wird sich in ihrer Branche in der Zeit nach Corona ändern? Wird der Standort Neuenkirchen noch weiter ausgebaut, etwas Baugrund hätten sie ja noch? Die Auftragssituation war bereits vor Corona sehr gut, sodass sich ganz unabhängig davon tatsächlich bereits zuvor die Frage stellte, ob und wann der dritte Bauabschnitt zur Erweiterung des Logistikstandortes in Neuenkirchen ins Auge zu fassen sein würde. Schon vor Corona hat sich allerdings auch ein angespanntes wirtschaftliches Umfeld gezeigt, sodass wir diesen Plan erst einmal in das Jahr Ende 2020 geschoben haben. Gegenwärtig steht allerdings mehr denn je andere eine wichtige Aufgabe zu bewerkstelligen im Raum: Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und aller systemrelevanten Unternehmen/Institutionen der Gesellschaft. Dann, nach der Corona-Krise, ist zu bewerten, wie es weiter geht und was die nächsten Schritte sind, um auch für die Zukunft noch etwas bessere, bedeutet noch größere Lagerbestände, zu haben. Da gibt es schon jetzt Ansatzpunkte, die dann mit dem Land Niedersachsen besprochen und dringend erörtert werden müssen.