Interview mit Elke Twesten über ihren Parteienwechsel - Von Nina Baucke

Von Grün zu Schwarz

Elke Twesten (von links), Gabriele Schnellrieder vom Grünen-Kreisverband und die neue Landtagskandidatin Birgit Brennecke bei der Kandidatenkür Ende Mai: "Die Wahl meiner Gegenkandidatin war eine Wahl gegen mich", sagt Twesten heute. Archivfoto: Nina Baucke
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Rotenburg/Scheeßel. Nahezu ein halbes Jahr von der Landtagswahl kippte am vergangenen Freitag die ehemalige Grünen-Abgeordnete Elke Twesten die Ein-Stimmen-Mehrheit der rot-grünen Landesregierung. Während Ministerpräsident Stephan Weil in die Offensive ging und mit dem 15. Oktober nun der vorgezogene Wahltermin feststeht, trat Twesten am Montag der CDU bei. Im Interview mit der Rundschau äußert sich die Scheeßelerin zu den Hintergründen ihrer Entscheidung und ihrer Zukunft.

Wie geht es Ihnen Tage später, nach bundesweiter Berichterstattung und jeder Menge Reaktion in den sozialen Netzwerken mit Ihrer Entscheidung?

Elke Twesten: Nach wie vor habe ich die richtige Entscheidung getroffen. Vorwürfe wie der des Verrats sind schmerzlich und tun weh, aber damit musste ich rechnen. Ich habe in meinem unmittelbaren Umfeld hier im Landkreis und von vielen mir auch nicht persönlich bekannten Menschen aus ganz Niedersachsen und ganz Deutschland sehr viel positive Rückmeldungen für diesen Schritt erfahren, auch wenn die Kommentare in den angeblich „sozialen“ Medien sehr negativ sind. Was allerdings in den sozialen Netzwerken zum Teil geschrieben wird, ist auch trotz aller Wut und Unverständnis nicht zu rechtfertigen und interessanterweise auf eine merkwürdige Art oft auch frauenfeindlich.

Sehen Sie sich die Kommentare, beispielsweise bei Facebook, noch an? Wie gehen Sie damit um?

Twesten: Ich habe einen Überblick darüber, wie die Menschen, auch bei Facebook und in anderen Netzwerken, reagieren. Ich bin dankbar, ein Team hinter mir zu haben, das die Kommentarspalte redaktionell betreut – auch, wenn das bei der riesigen Menge kaum zu schaffen ist. Beleidigende, verachtende und teils auch strafrechtlich relevante Kommentare werden von uns dokumentiert und gelöscht.

Es heißt immer wieder, Sie hätten, da Sie ja nicht direkt, sondern über die Landesliste im Landtag sitzen, auch einfach Ihr Mandat zurückgeben können – wofür dann ein anderer „Grüner“ nachgerückt wäre. Ein Parteienwechsel wäre ja dennoch möglich gewesen. Warum dieser deutlich radikalere Schritt, der zum Sturz einer Regierung führt?

Twesten: Die politische Arbeit im Landtag kann nur effektiv sein, wenn sie vor Ort verwurzelt ist. Meine Wählerinnen- und Wählerstimmen stammen zu einem Großteil aus dem eher bürgerlichen Lager. Für dieses Vertrauen setze ich mich selbstverständlich bis zum Ende der Legislatur ein. Mit dem Kreisverband war ein Zusammenwirken nach erheblichen Differenzen kaum noch möglich. Lange schon gab es zudem immer wieder inhaltliche Differenzen in der Landtagsfraktion: Wolf, Fracking, Deichschutz, Landesraumordnungsprogramm, Krankenhausplanung und die mangelnde Unterstützung seitens der Ministerien. In einem Flächenland wie Niedersachsen gibt es gerade vor Ort große Erwartungen, die die Grünen nicht erfüllen, weil sie nicht nah genug bei den Menschen auf dem Land sind. Ich finde, das kann und muss man besser machen.

Weil sagte, er werde nicht „einer Intrige weichen“. Welche Gründe hat er, von einer Intrige zu sprechen?

Twesten: Hier wird der Versuch einer Legendenbildung unternommen. Es gab und gibt für meinen Wechsel kein Angebot und keine Gegenleistung von Seiten der CDU. Auch war meine Entscheidung nicht so unvorhersehbar, wie es die Gegenseite gerne darstellen möchte. Vergangene Woche Dienstag habe ich der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Anja Piel meine Entscheidung und die inhaltlichen Gründe dafür mitgeteilt. Sie hat den Ernst der Situation nicht kapiert. Meine Entscheidung ist nicht Teil irgendeiner Intrige, sondern die Konsequenz aus einem längeren Entfremdungsprozess und einem zerrütteten Vertrauensverhältnis zu den Grünen.

Welche Absprachen gab es im Vorfeld der Verkündung am Freitag mit der CDU?

Twesten: Ich habe mich, wie ich es von Anfang an gesagt habe, vergangenen Donnerstag mit Herrn Thümler und anderen Christdemokraten getroffen, um meine Entscheidung und ihre Konsequenzen zu besprechen.

Welche Möglichkeiten hinsichtlich Posten und Kandidaturen haben Sie bei den Christdemokraten?

Twesten: Wie immer, wenn man eine neue Heimat findet, muss man sich erst mal einrichten. Ich werde die nächsten Monate und Jahre dazu nutzen, meinen Platz in der CDU zu finden. Auch hier möchte ich noch einmal betonen, dass mir weder ein Mandat noch irgendein Posten versprochen wurde.

Welche Rolle spielt die verlorene Kandidatenkür Ende Mai bei Ihrer Entscheidung?

Twesten: Die Wahl meiner Gegenkandidatin war ganz klar eine Wahl gegen mich. Das Vertrauensverhältnis zur Basis und der Partei insgesamt wurde dadurch nachhaltig beschädigt. Meine Nicht-Wahl war längst nicht der einzige Grund für meinen Wechsel, sondern vielmehr nur die Spitze des Eisbergs wie man mich systematisch weghaben wollte und gegen mich gearbeitet hat. Es ist mir nicht leichtgefallen, die Grünen nach 20 Jahren zu verlassen. Dennoch ist diese Entscheidung langsam aber sicher zustande gekommen – es ist weder gekränkte Eitelkeit, noch Frust, noch ein spontaner Impuls – es ist das Ergebnis eines schon lange währenden Prozesses: Ich fühle mich in dieser Partei nicht mehr wohl.

Bei einem Votum für Sie: Hätten Sie dieselbe Entscheidung getroffen und wären zur CDU gewechselt - dann womöglich in der folgenden Legislatur?

Twesten: Ich kann nicht ausschließen, dass ich mich so entschieden hätte.

Welche Auswirkungen hat Ihre Entscheidung auf die Ebene der Lokalpolitik – im Kreistag sowie im Scheeßeler Gemeinderat?

Twesten: Auch auf kommunaler Ebene werde ich mich im Rahmen meines Ehrenamtes weiterhin für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger stark machen. Im Zuge der leider gescheiterten Koalitionsverhandlungen nach den letzten Kommunalwahlen haben sich bereits viele Schnittmengen mit der CDU herauskristallisiert – ich bin sicher, wir werden sehr produktiv und harmonisch zusammen arbeiten.

Wie bewerten Sie Ihre 20-jährige Mitgliedschaft bei den Grünen?

Twesten: Die Grünen waren für mich eine sehr lange Zeit meine politische Heimat und wir hatten eine gute gemeinsame Zeit. Andererseits war es nie ganz einfach, als Realpolitikerin und mit Sympathie für Schwarz-Grüne Koalitionen in einem eher links ausgerichteten Landesverband wie hier in Niedersachsen aktiv zu sein. Der Schritt, diesen Cut zu machen, ist mir nicht leichtgefallen – war aber nach den Erfahrungen insbesondere der letzten Monate konsequent und richtig.

Für welche Positionen werden Sie in der CDU mehr kämpfen müssen, als bei den Grünen?

Twesten: Insbesondere was die Frauenpolitik angeht, ist die CDU sicherlich nicht so weit wie die Grünen. Doch ich hoffe sehr, hier innerhalb der Partei auch neue Impulse setzen zu können.

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