Otterstedt (kr). Bei der alljährlichen „KulturLandKultur“ Veranstaltung im Mai zwischen Oste, Wieste, Wörpe und Wümme gibt es immer wieder innovative Entdeckungen In den offenen Ateliers und Werkstätten schließen sich Künstler zusammen, deren Persönlichkeiten und Werke sich ergänzen und gegenseitig bereichern. Viele Kunstfreunde unternehmen Exkursionen zu den Ausstellungsorten und nutzen dabei die Gelegenheit, mit den Ausstellern ins Gespräch zu kommen. In Otterstedt gab es jüngst gleich drei Anlaufpunkte, an denen es viel zu sehen gab.
Einer davon war das Atelier der Malerin Christina Völker, die 2013 den Kunstpreis der Stadt Verden gewann. Bei ihr war die Ottersberger Cartoonistin, Malerin und Kinderbuchautorin Anja Jo Schanz zu Gast, die sich mit Kleinkunst präsentierte. „Bildschönes & Federleichtes“ hatte sie ihre Werke umschrieben, wobei die Collagen im Kleinformat große Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Ihre Stilmittel sind Ausschneidebögen, Seiten aus alten Büchern, Spielkarten, Zeitschriften und Fotografien, die sie coloriert und übermalt und dadurch Abgrenzungen fließend ineinander übergehen lässt. Alle Bilder erzählen eine Geschichte, die durch die Materialien miteinander verbunden sind, aber dem Betrachter viel Raum für eigene Interpretationen lassen. Gegenständlichkeit vermischt sich so mit Fantasie und geht einen neuen Zusammenhang ein. In allen Collagen findet sich, mal mehr, mal weniger deutlich der Buchstabe A, der nicht für ihren Vornamen steht, sondern für Anfang. Schanz stammt aus Paderborn und lebt seit ihrem Studium an der Hochschule für Künste im Sozialen (HKS) in Ottersberg. Farbgewaltig geht es in Werken von Christina Völker zu. Auch sie arbeitet mit übermalter Fotografie, bevorzugt aber einen modern-gegenständlichen Stil. Menschen, die in ihren Bildern vorkommen, haben zumeist kein Gesicht. Diese gewollte Anonymisierung bezieht sich in einer Serie auf das Thema Flucht und Migration. Erwachsene haben kleine Kinder an der Hand, tragen Koffer, sie kehren dem Betrachter oft den Rücken zu und drücken existenzielle Wendepunkte aus. Alles sieht nach erzwungener Veränderung aus, die Völker in Acryl, manchmal auch mit Bitumen umsetzt. Die Künstlerin, die ihr Atelier in einem aufgegebenen Lebensmittelladen in Otterstedt betreibt, erinnert in ihren Arbeiten nicht nur an Historie und Schicksale, sondern vergegenwärtigt auch kollektive und individuelle Erlebnisse und Geschehnisse. Darüber hinaus thematisieren sie die Erinnerung selbst, stellen sich aber auch Vorgängen der Gegenwart. Fotografische Bildinhalte, übermalt mit Acryl und Lackstift lenken den Blick auf Gebäude, deren Funktion sich nicht erschließt, bevor man einen zweiten Blick darauf geworfen hat. Glas, Beton, Fassadenverkleidungen formieren sich zu einer Bildserie, die an Industriefotografie erinnert. Christina Völker stammt aus Kassel und studierte ebenfalls an der HKS Ottersberg und betreibt eine rege Ausstellungstätigkeit, die über den Landkreis hinaus geht.