„Hilfe und Tat“ hört auf - VON PETRA HOLTHUSEN

Ein letztes Mal nach Polen

Den letzten humanitären Hilfstransport nach Polen wickelt "Hilfe und Tat" nach Angaben der Vorstandsmitglieder Ute Fetkenhauer und Günter Grajetzky im Juli ab, danach stellt der Verein die Arbeit ein.
 ©Holthusen

Eine Hilfsorganisation verabschiedet sich.

Ottersberg – „Es ist nicht so, dass wir nicht mehr wollen – wir können nicht mehr“, macht Ute Fetkenhauer deutlich. Die Schriftführerin (81) und der Vorsitzende Günter Grajetzky (76) informieren darüber, dass der humanitäre Ottersberger Verein „Hilfe und Tat“ seine Arbeit in der bisherigen Form einstellen muss. 30 Jahre lang hat „Hilfe und Tat“ Sachspenden für Alte, Arme und Kranke nach Polen und früher auch Russland gebracht. „Wir sind mit dem Verein alt geworden“, sagt Fetkenhauer. Der Altersschnitt der Aktiven nähere sich der 80, und kaum einer der freiwilligen Fahrer sei gesundheitlich noch in der Lage, einen Lkw 2 000 Kilometer nach Ermland-Masuren und zurück zu steuern, ergänzt Grajetzky. Jüngere kamen nie nach. Ende Juli rollt deshalb der letzte Hilfsgütertransport nach Polen.

Es ist alles gepackt und ladefertig. Nachdem der Verein die Spendenannahme Anfang April beendet hatte, hat das Packteam die Lagerhalle im Achimer Gewerbegebiet jetzt leergeräumt. Aus der einst mietfrei zur Verfügung gestellten Halle müssen sie sowieso langsam raus, nachdem der Eigentümer gewechselt hat. Auf die letzte Reise gehen laut Grajetzky zehn Paletten Inkontinenzartikel und zwei Paletten Kleidung. Empfänger sind die Sozialämter, Altenheime und Johanniter in Górowo Ilaweckie (Landsberg) und Bartoszyce (Bartenstein), die die Sachspenden an Bedürftige verteilen. Außerdem mit an Bord: Matratzen für ukrainische Feldlazarette bei Charkiw, die Grajetzky von der Spende eines betagten Bremers kauft und die der ukrainische Pastor aus Bartoszyce ins Kriegsgebiet bringen will.

Die ehrenamtlich Engagierten von „Hilfe und Tat“ wissen, wie sehr die Hilfsgüter in Ermland-Masuren gebraucht werden. Unter welchen Bedingungen Alte und Kranke dort oft leben, „kann sich hier bei uns kein Mensch vorstellen“, weiß Fetkenhauer. Wo Grajetzky sich schon getraut hat mitzuteilen, dass „Hilfe und Tat“ ab Herbst nicht mehr kommt, flossen erste Tränen. „Das tut mir so leid“, sagt er und muss selbst schlucken. So wie das Packteam beim letzten gemeinsamen Einsatz: „Das war ganz komisch“, erzählt Fetkenhauer. Auch für die Aktiven, die viel Zeit und Kraft in die humanitäre Hilfe für Osteuropa gesteckt haben, geht etwas Besonderes zu Ende.

Die Geschichte begann nach dem Ende des Eisernen Vorhangs mit Uwe Remmers und seiner Hilfe für Menschen in Weißrussland und im russischen Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Mit sechs weiteren Männern gründete Remmers im Januar 1994 den Verein „Hilfe und Tat“, den er bis 2018 führte und der heute rund 100 (fördernde) Mitglieder zählt.

Als die Einreise nach Russland wegen der Formalitäten immer komplizierter wurde und irgendwann aufgegeben wurde, fand der Verein mit der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren im ehemaligen Ostpreußen ein neues Betätigungsfeld, vermittelt vom Landkreis Verden, der partnerschaftliche Kontakte in den Landkreis Bartoszyce unterhält. „Hilfe und Tat“ baute Beziehungen zu dortigen Einrichtungen auf und sammelte in der Region rund um Ottersberg Monat für Monat Kleidung, Hausrat, Wäsche, Medizin- und Hygieneartikel von großherzigen Spendern.

Im Schnitt 20 Mal im Jahr traf sich das Packteam, etwa ein Dutzend Frauen und Männer, in der Lagerhalle, um die Hilfsgüter zu sortieren und gezielt für die Empfänger zu verpacken. Acht bis neun Mal im Jahr machten sich die freiwilligen Fahrer mit Lkw und Transporter auf den Weg, jeweils 45 bis 50 Tonnen Sachspenden an Bord, um diese an ihr Ziel zu bringen.

Neue Mitstreiter für diese Arbeit konnte „Hilfe und Tat“ nicht gewinnen. Aber auch wenn der Verein keine Spenden mehr annimmt und die letzte Tour fährt: Von Auflösung wollen Grajetzky und Fetkenhauer nichts wissen. Sie hoffen noch, dass sich neue Menschen mit neuen humanitären Zielen finden, die zu „Hilfe und Tat“ passen, sodass etwa der Fuhrpark dem Zweck und der Satzung entsprechend weiter genutzt werden könnte. Gebraucht würden zunächst mal neue Vorstandsmitglieder. Sollte sich jedoch bis Herbst nichts tun, müsste die Vereinsauflösung in die Wege geleitet werden, erklärt Grajetzky.

Interessierte können per E-Mail an info@hilfe-und-tat.de Kontakt aufnehmen.

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