Ottersberg. Weiter so, Profit machen um jeden Preis, Natur ausbeuten, Menschen ausbeuten, Warnzeichen ignorieren, die auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich geflissentlich übersehen – ist ein anhaltender Trend. Die Wirtschaft boomt wie nie zuvor, Deutschland ist derzeit eines der reichsten Länder – aber wie sieht es hinter den Kulissen wirklich aus? Mit diesen Themen beschäftigte sich die Bremer Wirtschaftswissenschaftlerin Rena Fehre kürzlich in einem Vortrag in der Aula der Ottersberger Hochschule für Künste im Sozialen.
Sie setzte damit die Vortrags- und Diskussionsreihe fort, die ein anderes Bewusstsein auf den Weg bringen soll. Zielsetzung ist, die ethische Wirtschaftsphilosophie in eine sozial verträgliche Richtung zu bringen.
Sie zeigte verschiedene Handlungsfelder auf, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, dennoch aber Politik und Wirtschaft einbezieht. Analysen hätten ergeben, dass die derzeit verfolgten Wirtschaftsziele die Belange der Menschen hinten an stellen würden. Dabei wurde unter anderem die Armuts-, Hunger-, Umwelt- und Sinnkrise genannt, die die Menschen krank machen würden. 147 Großkonzerne seien an der Macht und jeder sei nur auf Profit bedacht. „Es ist an der Zeit, das Ruder herumzuwerfen. Das Gemeinwohl steht auf dem Prüfstand. Es gibt inzwischen eine kleine Gemeinde in Bayern, die macht vor, wie es gehen kann. Sie agiert nach dem sozialökologischen Vorbild. Auch im Norden, in der Gemeinde Geestland zum Beispiel gibt es erste Ansätze, die als Vorbild dienen“, sagte Fehre. Eigentum würde verpflichten, dem Allgemeinwohl zu dienen. Die Auffassung: Deutschland – weiter so – sei nicht mehr haltbar. Das Land brauche eine neue ethische und zukunftsorientierte Wirtschaftsordnung, damit die soziale Schere nicht noch weiter auseinanderklaffen könne. Die Wissenschaftlerin führte dabei die Richtlinien von Christian Felber an, dem Sozialwissenschaftler und Reformer, der neue Ansätze manifestiert und die Bewegung Gemeinwohl Ökonomie gegründet hat. Er holte zwar Unternehmer für ein Umdenken ins Boot und sei auch auf internationaler Ebene erfolgreich, benötige aber dringend Unterstützung, um zum Wohle der Menschen in einen globalen Prozess eintreten zu können, der demokratisch und partizipatorisch sei. Mitbestimmung, Transparenz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit seien dabei Werte, die sich an einer, dem Gemeinwohl verpflichtete Wirtschaft orientieren würde. Wirtschaft in ihrer Produktionskraft müsse die Menschen einbinden. Menschenwürde, Solidarität, Mitbestimmung, ein gutes Miteinander, Sozialverträglichkeit und der Blick auf Umweltverträglichkeit müsse vor Profit kommen. Ethisches Wirtschaften dürfe diese Werte nicht ausschließen, wie es derzeit Usus sei. Es dürfe kein Wirtschaften ohne den sozialen Grundgedanken mehr geben, forderte Fehre. Unternehmen mit Verantwortung sollten eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen. Mehr noch, es müsse Pflicht für sie werden mit Hinblick auf wesentliche Anspruchsgruppen. Als Anreiz könnte es Steuervorteile geben, günstige Kredite, Förderungskooperationen und gesellschaftliche Anerkennung. Am besten wäre es, wenn öffentliche Unternehmen mit gutem Beispiel vorangingen und sich den grundsätzlichen Zielen der Menschenwürde, der Nachhaltigkeit, Solidarität, Gerechtigkeit, Transparenz und Mitentscheidung verpflichten würden, ohne sich vom jeweiligen politischen Konsens anhängig zu machen. Es wäre ein richtiger Schritt, wenn jedes Unternehmen Rechenschaft über seine gesamte Tätigkeit in der Gemeinwohlbilanz abgeben würde. Die bisherige Finanzbilanz sollte dabei in die zweite Reihe treten. Unternehmen mit vorzeigbaren Ergebnissen könnten mit niedrigen Steuern oder Zöllen belohnt werden und Vorrang bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen erhalten. Darüber hinaus sollten Gewinne der Unternehmen der Einkommen und der Alterssicherung der Beschäftigten zugutekommen“, riet Fehre. Seit dem Start der Gemeinwohl-Ökonomie im Jahre 2011 seien weltweit tausende Menschen aktiv geworden. Insgesamt konnten inzwischen 1.000 Menschen, Privatpersonen aber auch Vereine, Gemeinden und nicht weniger als 2.500 Unternehmen gezählt werden, darunter eine bekannte Münchener Bank.