Smaida Brestrich und Jil Beyer: Zwei HKS-Absolventinnen in Kambodscha - Von Björn Blaak

Die Waisen von Wat Opot

Smaida Brestrich (links) und Jil Beyer stellten an der HKS Ottersberg ihr Transcultural Art Project vor u2013 und hoffen auf Nachahmer.
 ©Björn Blaak

Ottersberg. Zwei Stunden lang knattert das Tuk Tuk von Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh in südlicher Richtung über endlose Straßen, vorbei an Reisfeldern, zur Wat Opot Children’s Community, einem Waisenhaus, in dem Kinder im Alter von vier bis 16 Jahren ein neues Zuhause gefunden haben. In dem dreirädrigen Gefährt sitzen Smaida Brestrich und Jil Beyer, beide ausgebildete Kunsttherapeutinnen, beide Absolventinnen der HKS in Ottersberg. Was die beiden Mittzwanzigerinnen mitten ins Nirgendwo verschlagen hatte, erzählten sie am Mittwoch in der Hochschule für Künste vor Studenten, die trotz der frühen Tagesstunde, es war 8.30 Uhr, schon aufnahmefähig waren.

Brestrich und Beyer hatten ihren Vortrag mit „The Transcultural Art Project 2“ überschrieben und deckelten damit ein Kunstprojekt der besonderen Art an einem besonderen Ort, tief in den Eingeweiden eines zutiefst erschütterten Landes.

Im Februar machten sich die beiden auf, um Kindern in jenem Waisenhaus die Möglichkeit zu geben, die erlebten Traumata mit Bewegung und Kunst zu mildern. Ihr Ziel war es, dazu beizutragen, dass die Kinder zu „reifen und gesunden Persönlichkeiten heranwachsen und erfolgreich Entwicklungsaufgaben bewältigen können“. 2001 war die Community gegründet worden, damals jedoch lebten ausschließlich Menschen dort, die sich mit HIV infiziert hatten und dem Tode geweiht waren. Das hat sich grundlegend geändert. Heute wohnen dort sowohl HIV-infízierte als auch gesunde Kinder wie eine große Familie. Sie eint nicht nur, dass sie keine Eltern mehr haben, sondern auch, dass sie Kinder und somit neugierig auf jeden neuen Tag sind. Kunst jedoch gehörte zu ihrem Alltag selten dazu. Das, so fanden Brestrich und Beyer, müsse sich ändern. Beyer, die heute am Rande Berlins lebt, hatte jenem Waisenhaus bereits 2017 einen zweiwöchigen Besuch abgestattet und wusste schon damals, dass sie wiederkehren würde. Mit Brestrich fand sie jemanden, der ähnlich wie sie tickte und schon während ihrer Studienzeit Kindern Kunst nähergebracht hatte. In der Wümmeschule gab sie, während des Studiums, eine Kunst-AG. Das Projekt in Kambodscha war auf vier Wochen angelegt. Im Dezember begannen die Planungen für die Reise und ein Konzept wurde erarbeitet, das im Endeffekt jedoch viel zu umfangreich war, wie die beiden konstatieren. Denn Vor Ort lief dann doch einiges anders als geplant. In ihrem Blogeintrag vom 21. Februar heißt es: „Wir konnten unseren Augen und Ohren nicht trauen, als wir eines Morgens sahen, dass plötzlich mitten durch Wat Opot eine Straße gelegt wird. Schwere Bagger und andere Baufahrzeuge waren angerückt und machten ordentlich Krach. Die Geräuschkulisse war zu laut, um mit den Kindern angemessen künstlerisch arbeiten zu können.“ Überrascht wurden die Kunsttherapeutinnen jedoch auch in einer anderen Beziehung: „Die Kinder in Wat Opot waren hungrig nach Kunst“, erinnert sich Brestrich. Mit den Schülern in Ottersberg hatte sie da ganz andere Erfahrungen gemacht. Dort bestand eine der Hauptaufgaben darin, die Heranwachsenden überhaupt für Kreatives zu gewinnen. In Kambodscha, so stellten beide fest, seien die Kinder „agiler, nicht so müde“. Sie folgern, dass die vielen Pflichten und Regeln, die Kinder in Deutschland zu befolgen hätten, ihnen ein Stück geistiger Freiheit nehmen würden. Die Kinder in Wat Opot jedenfalls ließen sich inspirieren, malten und gestalteten, sogar mit ungewöhnlichen Materialien: „Melinda, eine Mitarbeiterin von Wat Opot, hatte die Idee, dass wir aus alten DVDs ein Mosaik machen könnten. Da dachten wir gleich an die Gestaltung einer Wandfläche nahe des neuen Swimmingpools. So entwarfen wir ein Motiv und begannen dann es auf die Wand einzuzeichnen. Die Kinder halfen uns, die in der Sonne angewärmten CDs auseinanderzubrechen und in kleine Teile zu schneiden. Mit Silikon als Kleber puzzelten wir an drei Tagen mit vielen fleißigen Helfern und ungeachtet der Hitze die CDs an die Wand“, so der Blogeintrag vom 4. März. Doch nicht nur Gestalterisches stand auf dem Programm. Auch Bewegung soll den Kindern zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen. Jeden Samstag haben die Kinder die Möglichkeit, an einer Yoga-Stunde teilzunehmen. Für Brestrich und Beyer, beide ausgebildete Yogalehrerinnen, war das die Gelegenheit, sich auch dabei einzubringen. Viel zu schnell ging den beiden der Monat vorbei und mit großem Bedauern mussten sie die Kinder wieder zurücklassen. Doch sie hoffen, dass es auch in Zukunft Volunteers geben wird, die sich in Wat Opot einbringen. Deshalb auch ihr Vortrag in der HKS. Ihre Erfahrungen, ihre Gedanken und die vielen Anekdoten sollen andere Studenten motivieren, es ihnen gleichzutun, und die Waisenkinder in Kambodscha ein Stück weit des Weges zu begleiten. Erste Früchte habe ihr Vortrag möglicherweise bereits getragen. Eine Gruppe Studenten, die eigentlich ein Projekt in Sri Lanka unterstützen wollten, davon aber wegen der unruhigen politischen Situation dort Abstand genommen haben, hätten nun ihr Augenmerk auf Kambodscha gerichtet. Nichts könnte Brestrich und Beyer mehr Freude bereiten. Doch, eines: Wenn sie wieder selbst dorthin fahren könnten, mit dem Tuk Tuk, vorbei an Reisfeldern hinein in ein tief traumatisiertes Land zu den Waisen von Wat Opot. • Weitere Informationen zu dem Projekt gibt es auf www.transcultural-art-project.jimdofree.com und auf www.watopot.org.

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