VON PETRA HOLTHUSEN

„Was wir lieben, schützen wir auch“

Die Sprache der Bäume hat Künstler Werner Henkel anhand der Zweigwuchsformen aufgeschlüsselt.
 ©Holthusen

„Berichte aus den Wäldern“: Werner Henkels Kunst will Bewusstsein schaffen

Fischerhude – Schnörkellos, verästelt, eingerollt, knotig oder filigran – jede Baumart hat ihre charakteristischen Schriftzeichen. 16 Baumsprachen hat Werner Henkel anhand der Zweigwuchsformen aufgeschlüsselt und in der jeweiligen Artenschrift lange Briefe geschrieben. „Was hat der Baum mir mitzuteilen?“, das kann jeder für sich selbst übersetzen beim Besuch von Henkels Ausstellung „Berichte aus den Wäldern“ in Buthmanns Hof in Fischerhude. „Die Sprache der Bäume“ ist die zentrale Werkgruppe im Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst, und Natur ist seit 40 Jahren das zentrale Thema in Henkels Arbeiten – genauer gesagt die Beziehung von Mensch und Natur.

„Natur ist nicht das da draußen, sondern in uns“, sagt der 68-Jährige, „wir leben in lebendiger Symbiose mit der Natur.“ Mit jedem Atemzug „nehmen wir Sauerstoff auf, den die Natur produziert und uns schenkt“. Für diese existenzielle Symbiose will Henkel ein Bewusstsein schaffen, gerade weil heute „viele Menschen dem Wald entfremdet sind“. Mit mehr Bewusstsein „würden wir nicht so zerstörerisch mit unserer Umwelt umgehen“, was für Henkel ein „Ausdruck von Verhältnislosigkeit“ ist. Aus Bewusstsein könne jedoch Beziehung entstehen, aus Beziehung Verantwortung: „Was wir lieben, schützen wir auch.“ Seine eigene Liebe zur Natur und der daraus erwachsene Wunsch, sie zu schützen, prägt den freischaffenden Bremer Künstler schon fast sein ganzes Leben lang. Mit einem enormen Ideenreichtum und beeindruckender Experimentierfreude transportiert er seine Themen, findet immer neue künstlerische Ausdrucksformen, um den Blick zu öffnen für die Lebendigkeit, Schönheit und Vollkommenheit der Natur. Durch die verwendeten Materialien macht er sie sinnlich erlebbar: In seinen Collagen und Installationen kombiniert er pflanzliche Teile mit zeichnerischen und grafischen Elementen, übersetzt die Sprache der Natur in künstlerische Signaturen – oft „Zufallsprozesse mit organischer Dynamik“, wie Henkel sagt. „Über das Thema ergibt sich die Arbeitsweise.“ Seine „Berichte aus den Wäldern“ bereichern perfekt die Sommerausstellung des Kunstvereins, der unter dem Titel „Baum – Kunst und Natur“ Baumdarstellungen von früheren Fischerhuder Künstlerinnen und Künstlern zeigt. Henkel bringt aktuelle Bezüge und moderne Ausdrucksformen ein – nicht nur im Giebel für zeitgenössische Kunst, sondern auch im Hauptraum inmitten der „Alten Fischerhuder“. Mit deren Werken verschränkt zu sein, Wechselwirkungen zu erzeugen, das war die Bedingung des renommierten Gastkünstlers. Und so tanzen als erstes seine gerollten, kreisförmig formierten Ginkgoblätter mit ästhetischer Leichtigkeit ins Blickfeld. Im Giebel hängen Henkels Objektkästen mit Schriftbildern von 16 Baumarten seine in der jeweiligen Artenschrift verfassten Briefe gegenüber: Zwiegespräche zwischen Mensch und Baum als Sinnbild der Verständigung. „Brieffreundschaften stehen für Beziehung“, sagt Henkel. Für den Schrecken zerstörter Wälder steht Henkels „Harzreise“: Heinrich Heines gleichnamiger Reisebericht von 1826 bildet den gedruckten Hintergrund für die mit schwarzer Tusche gezeichneten Silhouetten abgestorbener Fichten. Das Bild entstand, nachdem Henkel im Harz stundenlang durch toten Wald gewandert war: „Wenn man das sieht, kommen einem die Tränen.“ Künstlergespräch Die Ausstellung „Berichte aus den Wäldern“ von Werner Henkel ist bis zum 1.  September beim Kunstverein Fischerhude in Buthmanns Hof zu sehen – donnerstags bis samstags jeweils von 14 bis 17 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr. Für Sonntag, 11. August, sind Interessierte zu einem vertiefenden Austausch im Rahmen eines Künstlergesprächs mit Werner Henkel eingeladen. Beginn ist um 15 Uhr. Die Website des Künstlers ist unter www.naturarte-wernerhenkel.de zu finden.

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