Der Hausarztversorgung in Niedersachsen droht laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVN) eine Krise. Immer mehr Ärzte verabschieden sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Aktuell können sich in Niedersachsen sofort 549 Hausärzte, 154 Fachärzte sowie fünf Psychologische Psychotherapeuten niederlassen, teilt die KVN mit. Im Landkreis Rotenburg gibt es 22 offene Hausarzt-Stellen. Es gibt in der Versorgungsquote allerdings ein Süd-Nord-Gefälle.
Menschen im sogenannten Altkreis Rotenburg können sich über eine hausärztliche Versorgungsquote von 99,8 Prozent freuen. 44,8 Stellen sind besetzt, 5,5 Stellen sind noch offen. Im ehemaligen Landkreis Bremervörde ist die Situation dagegen etwas prekärer. Für den Bereich Bremervörde weist die KVN eine Versorgungsquote von 79,2 Prozent und 8,5 offene Stellen aus, der Bereich Zeven steht mit 79,9 Prozent und acht offenen Stellen nur unwesentlich besser da. Dennoch gilt die Hausarztversorgung im Landkreis insgesamt als gut. Nach der Anzahl der freien Sitze gibt es in den Regionen Salzgitter (24), Wolfsburg (18), Papenburg (17,5), Syke (17,5), und Buxtehude (16) landesweit den größten Bedarf. Regionen sind in dieser Statistik nicht gleichbedeutend mit Landkreisen.
„Die Zukunft vieler Arztpraxen in Niedersachsen ist ungewiss“, mahnte erst kürzlich Dr. Eckart Lummert, Vorsitzender der KVN-Vertreterversammlung, im Vorfeld eines Symposiums zum Thema. Die Gründe liegen ihm zufolge in erster Linie an den Altersstrukturen der Ärzte und Psychotherapeuten. Das Durchschnittsalter der 16 885 KVN-Mitglieder betrage 54,6 Jahre, viele gingen also in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand. „Gleichzeitig kommen nicht genügend nach. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge und der starren Zugangsregelungen zum Medizinstudium mangelt es an jungen Ärztinnen und Ärzten, aber auch an Medizinischen Fachangestellten“, so Lummert. Ein Beispiel einer Schließung in jüngerer Zeit war die Hausarztpraxis Runnebaum in Rotenburg. Dort konnte kein Nachfolger gefunden werden. Mehrere hundert Patienten mussten sich daraufhin einen neuen Hausarzt suchen. Zwar gibt es Kapazitäten in Stadt und Umland, doch nicht jedem fällt der Wechsel leicht. Im Nordkreis ist es hingegen schwieriger, einen Platz zu bekommen. „In den hausärztlichen Planungsbereichen Zeven und Bremervörde zeigt die Entwicklung in der Versorgungsquote eine sichtbare Verschlechterung“, bestätigt der KVN-Bezirk Stade auf Nachfrage. Die Schließungen von mehreren hausärztlichen Praxen ohne Nachfolge oder die nicht gelungenen Nachbesetzungen von ausscheidenden Angestellten führe in der Folge zu der schlechteren Quote. Das Land Niedersachsen versucht schon seit einiger Zeit, Hausarztstellen insbesondere in ländlichen Regionen attraktiver zu machen. Eine Idee, die langfristig Erfolge erzielen könnte, ist die sogenannte Landarztquote, mit der das Land 60 Studienplätze für diejenigen reserviert, die später eine Tätigkeit als Hausarzt auf dem Land ausüben werden. Kürzlich konnte die niedersächsische Ärztekammer vermelden, dass erstmals alle 60 jährlich vorgesehenen Studienplätzen in Göttingen, Hannover und Oldenburg vergeben werden konnten. Es ist der zweite Jahrgang mit der Landarztquote. Das wird nicht reichen, so Thorsten Schmidt, stellvertretender KVN-Vorstandsvorsitzender, während des Symposiums. „Nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung brauchen wir in Niedersachsen jedes Jahr 470 Medizinstudienplätze zusätzlich. Davon sind wir weit entfernt.“ Nach den Bedarfsplanungszahlen könnten sich rein rechnerisch in vielen Regionen Niedersachsens Hausärzte, insbesondere auf dem Land, niederlassen. „Die große Herausforderung besteht darin, die freien Sitze auch tatsächlich zu besetzen.“ Damit die medizinische Versorgung langfristig gestärkt wird, fördert auch der Landkreis Rotenburg seit 2019 Medizinstudierende, die später mindestens fünf Jahre vor Ort praktizieren möchten. Hier wählt man den Weg eines Stipendiums, immerhin 500 Euro monatlich überweist der Landkreis an jeden der aktuell acht Stipendiaten. Zwei Stipendien möchte man jährlich vergeben. Die Bewerberzahl schwankt allerdings, schränkt Sprecherin Christine Huchzermeier auf Nachfrage ein. Durchschnittlich erhalte der Landkreis fünf bis sechs Bewerbungen pro Runde. Es habe allerdings auch Jahrgänge mit nur ein oder zwei interessierten Studierenden gegeben, aber auch schon welche mit neun Interessierten. MATTHIAS RÖHRS