Aber Rotenburg will neuen Landschaftswart / BUND-Vorsitzender übt Kritik - VON MICHAEL KRÜGER

Radtke mischt sich weiter ein

Noch ist Manfred Radtke Landschaftswart der Stadt Rotenburg und kann offiziell in seiner Funktion Kritik wie an der Räumung des Staugrabens am Weicheler Damm vorbringen. Im Sommer will die Stadt aber einen Nachfolger vorschlagen. ©Krüger

Rotenburg – Manfred Radtke ist unbequem. Aber das weiß er, und eigentlich ist das auch genau sein Job als Ehrenamtlicher. Den wird er nun aber vermutlich loswerden. Seit 2015 ist der heute 78-Jährige Landschaftswart der Stadt Rotenburg, eine weitere Wahlperiode wird wohl nicht dazukommen. Die Verwaltung will Radtke dem Landkreis, der die Landschaftswarte der 13 Kommunen im Sommer turnusgemäß neu benennt, nicht wieder vorschlagen. Sie hat einen anderen Kandidaten. Radtke ist erstaunt: „Es ist noch nie jemand abgewählt worden als Landschaftswart, weil er seinen Job zu gut gemacht hat.“

Tatsächlich ist die Beziehung des nimmermüden Landschaftswarts, der fast 30 Jahre für die Grünen im Stadtrat gesessen hatte, zur Verwaltung eine recht lange – mit öffentlich ausgetragenen Konflikten. Der ehemalige Verwaltungsbeamte im Postwesen hatte sich immer wieder vor allem in Bebauungspläne intensiv eingearbeitet und Kritik an naturschutzfachlichen Aspekten geäußert. 2017 kam es im Streit mit der damaligen Rathausspitze um Bürgermeister Andreas Weber (SPD) zu einem kurzzeitigen Bruch und Rücktritt. Es ging um aus Radtkes Sicht unsachgemäße Räumarbeiten in der Natur und fehlende Kommunikation. Man vertrug sich wieder, jetzt ein ähnliches Szenario: Nach Räumarbeiten der Stadt Anfang des Jahres am Staugraben hinter dem Wohngebiet am Grafeler Damm spricht Radtke von einem einstigen Biotop, in dem alles, was gelebt habe, getötet worden sei. Bürgermeister Torsten Oestmann sieht es anders. Das Regenrückhaltebecken am Ahbeek sei in Rücksprache mit der Naturschutzbehörde des Landkreises auf rund 500 Metern Länge instandgesetzt worden. Es sei eine „abwassertechnische Anlage“, kein Biotop. „Wir halten uns an den Artenschutz. Nur weil es sich hier um ein Regenrückhaltebecken handelt, sind wir davon nicht befreit“, so Ingenieur Lars Strehl aus der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft im Bauamt der Stadt im Februar gegenüber dieser Zeitung.

Oestmann spricht von „unterschiedlichen Auffassungen“. Radtke auch. Trotzdem scheint es keine gemeinsame Grundlage mehr zu geben. Das Tischtuch zwischen Landschaftswart und Verwaltung endgültig zerschnitten? Der Bürgermeister möchte die Personalie noch nicht öffentlich kommentieren. Schließlich habe man das Thema bislang nur im nicht öffentlich tagenden Verwaltungsausschuss behandelt. Er sei „irritiert“, dass das Thema bereits aufkomme. Bestätigen könne er aber, „dass wir eine gewisse Vorstellung geäußert“ haben. Und die lautet offensichtlich Daniel Diercks statt Manfred Radtke. Das Vorstandsmitglied der Biologische Schutzgemeinschaft Wümme könnte auf Radtke als Landschaftswart folgen, wenn die Rotenburger Ratspolitik dem Vorschlag folgt. Oestmann sagt, es müssten jetzt weitere Gespräche geführt werden. Mitte Mai müsse die Stadt dem Landkreis einen Namen nennen. Ob es tatsächlich Diercks sein könnte, kommentiert er nicht. Auch nicht, ob die Bestellung eines Architekten zum Landschaftswart in der Kreisstadt nicht weitere Debatten um eine zu große Lobby der Baubranche in der Frage um die Stadtentwicklung entfachen könnte. „Man erwartet von meinem Nachfolger ein Verhalten gegenüber der Stadt, das ich nicht garantieren kann“, sagt Manfred Radtke. Dass das Bauamt ein Problem mit ihm habe, weil er stets genau hinschaue, welche Vorhaben mit dem Naturschutz vereinbar seien, könne er durchaus verstehen. Nur: „Warum Torsten Oestmann, der für die SPD und die Grünen zum Bürgermeister gewählt worden ist, auch diese Meinung vertritt, wundert mich.“ Radtke befürchtet gar, dass die nächste Umweltausschusssitzung des Stadtrats wegen der bekannten Probleme in der Haushaltsaufstellung so lange verschoben wird, dass er in seiner Funktion als Landschaftswart als hinzugewähltes Mitglied keine Anträge mehr einreichen kann. Zwei gibt es davon aktuell: Zum einen sollen die Räummaßnahmen am Staugraben kritisch hinterfragt werden, zum anderen hat Radtke eine kurze jährliche Übersicht zur Zahl gefällter und neu gepflanzter Bäume durch die Stadt gefordert. Ist er seinen Posten als Landschaftswart im Sommer los, will sich Radtke trotzdem weiter einmischen. 2011 hatte er die Kreisgruppe des Naturschutzverbandes BUND wiederbelebt, heute zählt sie mehr als 750 Mitglieder. Damit habe er genug zu tun. „Solange ich kann, gebe ich keine Ruhe“, sagt er. Das sei dann zwar nicht immer große Politik, aber vor Ort könne er etwas bewirken. Dass das auch andere tun, stimme ihn positiv. Auch wenn die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr Naturschutzaspekte bei ihrer Entwicklung außer Acht gelassen habe, gebe es genug Leute, „denen das nicht egal ist“. Die Stadt sei nicht bereit, öffentliche Flächen so zu pflegen, dass Leben entstehe neben den Straßen. Stattdessen sehe er „überall Rindenmulch“. Das sei halt einfach zu pflegen. Und so streite er weiter für seine Sache. Hinweise von Bürgern, denen es nicht gefällt, wohin sich die Stadt entwickelt, gebe es genug. Ob Landschaftswart oder nicht: „Die Leute rufen mich eh an.“