Kulturland in der Kritik und die Suche nach Antworten - Von Christiane Looks

Ist das richtig?

Im Twistmoor erinnert eine Hütte an die schwere Arbeit im Moor. Foto: Joachim Looks ©

Oersdorf. Neue Bücher mit Fotografien pflege ich zunächst durchzublättern, um mich über die Fotos einstimmen zu lassen auf das, womit beim Lesen zu rechnen ist. So geschah dieses auch mit dem heute leider vergriffenen Buch zu „Natur und Landschaft im Landkreis Rotenburg“. Wie zu erwarten, blieb ich gleich bei dem einen oder anderen Kapitel hängen, um angeregt durch die eindrucksvollen Aufnahmen darüber zu grübeln, wo genau sie angefertigt wurden und ob wir an der Stelle auch schon einmal gewesen sind.

Aus dem Studium des Buches entwickelte sich so manch eine Entdeckungstour, und es erfüllte mit Freude, wenn nach mühsamem Suchen gefunden werden konnte, was ein Foto zeigte.

Es gab aber auch Erstaunliches, das gezeigt wurde: ein Flüsschen, welches in eleganten, großzügigen Bögen durch Wiesen floss, nicht selbstverständlich für ein Fließgewässer, das sicher nie der Schifffahrt dienen wird, denn in dem Fall wäre es wohl eher üblich gewesen, für Schiffe lästige Flussschleifen zu begradigen.

So ist der Rhein im 19. Jahrhundert zwischen Karlsruhe und Mannheim von 135 mäandrierenden Flusskilometern auf 86 begradigte Kilometer gebracht worden. Die Twiste bei Twistenbostel, deren Foto mich damals stutzen ließ, wurde aber nie verändert, um als Transportweg zu dienen, obwohl sie aus einem Entwässerungsgrabensystem des Hammoors an der Kreisgrenze Stades zu unserem Landkreis entsteht. Bei einer wirtschaftlich interessanten Größe und Mächtigkeit des Moores wäre dieses sicher probiert worden, mündet die Twiste doch in die Oste und hätte damit Zugang zu einem deutlich größeren und besser nutzbaren Fluss gehabt.

Im Hellweger Moor beabsichtigte Johann August Hinze, Assistent und Freund des königlich-hannoverschen Moorkommissars Jürgen Christian Findorff, genau dieses, als er am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert den zur Entwässerung des Moores notwendigen Moorkanal in Anlehnung an den im Teufelsmoor gebauten Oste-Hamme-Kanal schiffbar für Torfkähne errichten ließ. Die Twiste ist in dem Sinne nie ausgebaut worden. Ihr Ausbau erfolgte, um sie für die Entwässerung anliegender Flächen zu nutzen.

Die Umwandlung nutzbarer Gebiete zu solchen, die bewirtschaftet werden konnten, wurde jahrhundertelang begrüßt und gefördert. In einer Umwelt, die lange Zeit als unbeherrschbar und feindlich galt, war jede Urbarmachung als Leistung selbstverständlich gefeiert worden. Das änderte sich, als Möglichkeiten einer Kultivierung sowie Nutzung entwickelt wurden, die zuvor nie auch nur in Ansätzen erahnt werden konnten. Zwar hatte die jahrhundertlange Umwandlung von scheinbar nutzlosem Land zu arten- und strukturreichem Kulturland geführt, dessen Artenvielfalt häufig größer war als jener der vorgefundenen Naturlandschaft. Diese positive Einschätzung begann aber zu kippen, als klarer wurde, dass es in einem weitgehend erschlossenen Europa praktisch keinen Raum mehr für Urbarmachungen irgendwelchen Ödlandes geben werde. Dies führte zu Bemühungen, immer effizienter zu wirtschaften, weil es kaum noch im großen Stil weiter vermehrbare landwirtschaftliche Flächen gibt. Mit verheerenden Folgen für den ehemals vorhandenen Struktur- und Artenreichtum. Dieser erfordert eine Bewirtschaftung, die berücksichtigt, dass örtliche Bedingungen oft anderes verlangen als jenes, was standardmäßig empfohlen wird. Das Problem ist, Standardmischungen können deutlich günstiger hergestellt werden als Regiosaatgut. Eine mit regionalem Saatgut angelegte Blühflächen kostet gegenüber einer mit Standardmischung eingesäten ein Mehrfaches. Sie wurde aber nicht angelegt, um später wirtschaftlich genutzt zu werden. Das sieht bei Wirtschaftsflächen anders aus. Sie müssen „am Markt mithalten“ – ein zunehmendes Problem, für das Antworten gesucht werden.

Und die Twiste? Entsteht zwischen Winderswohlde, Oersdorf und Wohlerst, fließt, teilweise begradigt, am Twistmoor vorbei über die Niederung von Fehrenbrucher Bach und Fallohbach, die sie entwässern hilft, nach Südwesten in Richtung der ungefähr 16 km entfernten Oste, wobei das Twistmoor im Landschaftsrahmenplan des Landkreises Rotenburg als eines mit besonders hohem Erlebniswert erwähnt wird. Zu erreichen ist es über Heeslingen. Von dort geht es über die L124 bis zum Abzweig der K120 in Richtung Wense, Viehbrock, Oersdorf. Mitten in Oersdorf zweigt links der „Brinkkrog“ ab. In ihn einbiegen und aus dem Ort hinaus, am Hammoor zur Rechten entlang an zwei Windrädern vorbei bis ganz zum Ende fahren. Ungefähr 300 Meter nach dem zweiten Windrad links wird die hier unscheinbare Twiste überquert. Am Ende des Weges führt ein kleiner Verbindungsweg durch das Twistmoor nach Winderswohlde. Das Hochmoor wurde rechterhand für bäuerliche Handtorfstiche genutzt. Eine kleine Moorhütte erinnert an bescheidenden Schutz bei der schweren Arbeit im Moor. Sie wird offensichtlich gerne von Eulen genutzt, die ihre Spuren hinterlassen. Eine kleine Brücke überquert den Grenzgraben zwischen den Landkreisen Stade und Rotenburg. Er mündet später in die Twiste und gehört zum Grabensystem, mit dem Hammoor und Twistmoor entwässert werden.