VON MATTHIAS RÖHRS

So schlecht wie der Ruf?

Bike-and-Ride am Rotenburger Bahnhof hat sicherlich noch Luft nach oben. Dennoch werden die Abstellanlagen von Pendlern und Reisenden rege angenommen.  ©Gath

Eine Studie des ADAC stellt der Bike-and-Ride-Anlage am Rotenburger Bahnhof ein eher schlechtes Zeugnis aus. Ihre Aussagekraft ist umstritten. Dennoch kann und soll es besser werden. Das weiß auch der Bürgermeister.

Mit dem Rad zum Bahnhof und dann weiter mit dem Zug zur Arbeit? Das klingt in einer Stadt wie Rotenburg nach einer guten und zeitgemäßen Idee. Auch wer außerhalb der Kreisstadt in der Nähe eines Bahnhofs wohnt, wird beim Pendeln vielleicht schon auf diese Idee gekommen sein. Aber ist die Idee wirklich so gut? Immerhin soll der Rotenburger Bahnhof beim sogenannten Bike-and-Ride der schlechteste im Bremer Umland sein.

Das geht zumindest aus einer Studie des ADAC – des Automobilclubs – hervor, der Stationen in der Umgebung der größten deutschen Städte dahingehend untersucht hat. Von sieben Bahnhöfen bei Bremen liegt Rotenburg mit „ausreichend“ auf dem letzten Platz. Die Meinungen über den Bahnhof der Wümmestadt gehen sicherlich auseinander, das Urteil wirkt trotzdem hart. Dass aber Verbesserungsbedarf besteht, weiß man aber auch in der Kreisstadt.

Der ADAC hat eigenen Angaben zufolge 80 Bahnhöfe zwischen April und Juni insgesamt auf die Bike-and-Ride-Qualität gecheckt. Der Großteil habe „sehr gut“ (14) oder „gut“ (42) abgeschnitten. Aufgeteilt hat der ADAC sie in mehrere Tabellen, die den jeweilen Großstädten zugeordneten wurden. Rotenburgs „Bremen-Konkurrent“ Ritterhude schnitt bundesweit sogar mit am besten ab. Eine sehr gute Note erhielt außerdem der Bahnhof Sagehorn mit seinen gerade erst neu aufgebauten Abstellanlagen, die die Prüfer insbesondere mit der Sonderausstattung überzeugten.

In Rotenburg bemängelten die Prüfer, dass es keine Schließfächer beispielsweise für Helme gibt, außerdem gibt es weder Lademöglichkeiten für E-Bikes oder Pedelecs noch eine Wartungsstation. Positiv hebt die Studie allerdings hervor, dass die Abstellanlagen nah am Bahnhofszugang liegen. Auch mit „Lage“ und „Ausstattung“ punktet man in der Kreisstadt. So schlecht scheint ein „ausreichend“ also nicht zu sein. In Zukunft soll sich die Fahrradsituation am Bahnhof aber verbessern, hört man aus dem Rathaus.

Demzufolge möchte die Stadt den Bahnhof als „Zweirad-Hub“ weiter auszubauen. „Dazu gehört eine smarte Infrastruktur, sodass man zum Beispiel mit dem Zug aus Bremen kommend ein Leihfahrrad vorbestellen oder aber auch eine Abstellbox vorreservieren und mit dem Smartphone öffnen kann“, erläutert Rotenburgs Bürgermeister Torsten Oestmann (parteilos). „Ferner gibt es die Idee, mit größeren Firmen im Innenstadtgebiet und im Gewerbegebiet zusammen eine Lösung zu betreiben, die es Zugpendlern ermöglicht, am Bahnhof auf das gesichert abgestellte E-Bike zu wechseln und dies nach der Fahrt in der Firma gesichert und mit Ladetechnik versorgt abzustellen.“

Zu diesen Themen gebe es bereits erste Gespräche – eine Realisierung sei aber aufgrund des Umfangs und der Finanzierung nicht unbedingt zeitnah zu erwarten.

Gut im Bremer Umland schnitten noch Syke, Stubben (das liegt in der Nähe von Gnarrenburg und gehört zu Beverstedt) und Hude ab, Lemwerder bekam wie Rotenburg ein „Ausreichend“, hatte zum Prüftermin allerdings mehr freie Kapazitäten.

Wieso ausgerechnet diese Bahnhöfe ausgesucht wurden und andere, in Sachen Abstellflächen schlechtere nicht, dazu gibt der ADAC in seiner Studie keine Auskunft. Lediglich heißt es: 80 pendlerstarke Umlandgemeinden mit maximal 25 000 Einwohnern seien selektiert worden, „sofern diese einen Bahnanschluss haben oder in einer angemessenen Zeit mit dem Fahrrad erreichbar sind“.

Das Ganze erinnert ein wenig an den aktuellen „European Railway Station Index 2024“ der Lobby-Organisation Consumer Choice Center, der in einem Ranking von 50 Bahnhöfen den Bremer Hauptbahnhof am zweitschlechtesten bewertete. Die „unabhängige Verbraucherschutzgruppe“, zu deren Sponsoren Fluggesellschaften sowie Unternehmen der Energiewirtschaft und Chemieindustrie gehören, legte dabei fachlich umstrittene Kriterien an – unter anderem spielt für sie bei der Bahnhofsqualität die Pünktlichkeit der Züge eine Rolle. Der Automobilclub tritt mit seiner Studie schon seriöser auf, dennoch bleibt die Aussagekraft wohl überschaubar.

Auch Rotenburgs Bürgermeister Oestmann zieht die Aussagekraft der Bike-and-Ride-Studie in Zweifel. Gleichwohl birgt sie für die Stadt keine Überraschungen. „Wir stellen ebenfalls fest, dass wir am Bahnhof mehr Abstellkapazitäten für Fahrräder benötigen.“ Dazu sei man aktuell in der Prüfung, ob weitere Bügel unter der überdachten Fläche aufgestellt werden können – denkbar sind demnach 30 bis 60 Bügel, also bis zu 120 Plätze mehr. „Eine Realisierung hängt aber im Wesentlichen von der finanziellen Machbarkeit ab, wie andere Kommunen sind auch wir gerade mitten in der Haushaltsaufstellung. Sofern die Mittel zur Verfügung stehen, wäre eine zeitnahe Realisierung möglich“, so Oestmann.

Unabhängig davon seien weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Fidi-Boon-Wech in der Planung und zeitnah zu erwarten – darunter eine zusätzliche gesicherte Abstell-Gemeinschaftsbox, außerdem eine E-Bike-Ladestation, „sodass wir durch diese bereits mit Mitteln hinterlegten und geförderten Maßnahmen etwas zur Entspannung beitragen werden. Natürlich ziehen wir bei Neuausstattungen auch neue Techniken in unsere Überlegungen mit ein“, zum Beispiel eine Bedienung der Abstellboxen per App.