Michael Dörner ist neuer Vorsitzender des Kunstvereins Rotenburg - VON ANN-CHRISTIN BEIMS

„Der Verein ist zukunftsfähig“

Am heutigen Kunstturm an der Nödenstraße hing früher die Feuerwehr ihre Schläuche auf.
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Rotenburg – Nach 27 Jahren hat Peter Mokrus den Vorstand des Rotenburger Kunstvereins verlassen. Vorsitzender ist jetzt Michael Dörner. Der Nartumer unterrichtet an der der Hochschule für Künste im Sozialen (HKS) in Ottersberg und hat viele Pläne für die Zukunft.

Herr Dörner, seit wann sind Sie im Kunstverein?

2012 habe ich Peter Mokrus kennengelernt. Er kam an unsere Hochschule und äußerte den Wunsch, eine Ausstellung mit jungen Künstlern durchzuführen. Meine Kollegen und ich waren begeistert und wir organisierten „Rapunzel, lass dein Haar herunter“, eine Anspielung auf den Turm mit den sehr speziellen Ausstellungsräumen. Seit dieser Zeit sind wir eng verbunden. Es folgten weitere Ausstellungen mit Studierenden, auch von Künstlern aus dem Kollegium. Ein Highlight war das Projekt „Es ist eben so“ 2018 zum 30-jährigen Bestehen des Kunstvereins. Es war ein Projekt mit Kunst im öffentlichen Raum, die sich in der gesamten Stadt ausbreitete. Einige Werke sind bis heute präsent. Ich bin seit einigen Jahren Mitglied und seit zwei Jahren im Kunstbeirat.

Was hat Sie dazu bewogen, sich für einen Posten aufstellen zu lassen, für den es so lange keinen Nachfolger gab?

Das ist eine gute Frage, weil es eigentlich nur eine Antwort geben dürfte, aber mehrere geben kann. Der wichtigste Grund ist der, dass ich eine Chance darin sehe, einem im Verhältnis zu umliegenden Kunstvereinen kleinem Verein mit meiner Fachkompetenz zu einem zeitgenössischen Programm zu verhelfen. Ich verfüge über ein großes Netzwerk im nationalen und internationalen Kontext, kenne durch meine künstlerische Arbeit und meine Tätigkeit als Professor viele Positionen, die in Rotenburg gezeigt werden könnten. Es besteht eine Chance, den Kunstverein über die Region hinaus zu einem attraktiven Ort für Kunst zu machen. Des Weiteren sehe ich eine große Möglichkeit, die gute Kooperation mit der HKS weiter auszubauen. Da dies ein Ehrenamt ist, zögert man in der Regel immer, vor allem, wenn man wie ich mitten im Berufsleben steht und freischaffender Künstler ist. Insofern habe ich mir mit meiner Antwort etwas Zeit gelassen. Peter hat dieses Amt 27 Jahre lang hervorragend ausgefüllt und den Verein mit langjährigen Mitstreitern sehr ambitioniert geleitet. Das ist schon ein Pfund, ein Erbe, das ich zunächst nicht in dieser Weise einfach übernehmen wollte. Irgendwie hat Peter es geschafft, mich mit dem Kunstverein-Virus zu infizieren.

Sehen Sie also Ihre Arbeit als Pluspunkt?

Natürlich ist die Kooperation gepaart mit meinem Netzwerk und meiner Fachkompetenz ein Pluspunkt, der allen zugutekommt. Der Kunstverein profitiert von den Ausstellungen und dem Zulauf junger aufstrebender Künstler, die Studierenden vom renommierten und eigenwilligen Ausstellungsort.

Sie sind kein Rotenburger, ist das ein Nachteil?

Ja, das ist richtig, Ich bin in der Kurpfalz, in Wiesloch in der Nähe von Heidelberg geboren und mit 25 Jahren nach Hamburg gezogen. Seit 2008 arbeite ich an der HKS und 2013 bin ich in den Kreis Rotenburg gezogen. Ich hatte in Hamburg und Pinneberg große Ateliers und Lagerräume, die ich in einer alten Mühle in Nartum wiedergefunden habe. Drei Jahre lang habe ich diesen heruntergekommenen Industriebau in Eigenregie ausgebaut und fühle mich dort richtig wohl. Überhaupt fühle ich mich mittlerweile dem Norden verbunden, auch wenn die heimatlichen Gefühle einen nie ganz verlassen werden. Peter Mokrus wohnt in Rotenburg, das ist sicherlich ein Vorteil gewesen. Aber der Vorstand besteht aus sieben Mitgliedern, einige davon Rotenburger. Außerdem, ich bin nicht unnahbar. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, mich besser kennenzulernen.

Soll die Zusammenarbeit von HKS und Verein weiter intensiviert werden?

Die Zusammenarbeit hat bislang bestens funktioniert. Da ich noch in der Hochschule arbeite, permanent Projekte initiiere und die Künstler begleite und fördere, wird es sicher weiterhin eine gute Kooperation geben. Es ist geplant, die freien Zeiten zwischen den vier großen Ausstellungen pro Jahr mit Bachelor- und Masterabschlusspräsentationen zu füllen, aber auch Projekten ein Forum zu bieten. Ich könnte mir auch vorstellen, kleine Vorträge und Diskussionsrunden durchzuführen.

Sie waren, wirft man einen Blick auf Ihre Vita, unter anderem für eine Gastprofessur in Japan, wie kam es dazu?

Japan hat mich als junger Mensch sehr fasziniert. Ich mag die Kultur, die Lebensweise und das Essen. Damals, das war in Ende der 90er-Jahre, habe ich in der Volkshochschule versucht, japanisch zu lernen. Ich war mehrfach in Japan, auch für eigene Ausstellungen. Aufgrund der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Osaka wurde ich eingeladen, mit anderen Künstlern im Kirin Plaza auszustellen. 2000 fand in Kiwamizawa, das ist eine Stadt auf der nördlichen Insel Hokkaido, ein internationales Projekt statt, bei dem ich als Gastprofessor Studierende aus USA, Korea, Japan und China begleiten durfte. Mittlerweile war ich auch mehrfach in China und habe dort unterrichtet. Asien insgesamt finde ich faszinierend. Ich war auch oft in Venezuela und habe enge Kontakte und Kooperationen zur Universidad del Zulia in Maracaibo. Insofern gibt es nicht wirklich eine Priorisierung auf ein Land. Ich fühle mich überall schnell zu Hause.

Sie haben schon an vielen Orten ausgestellt, gab es ein besonderes Erlebnis?

Ja, in der Tat waren das einige Ausstellungen, die besonders waren. Ob im SMAK in Gent oder im Kirin Plaza in Osaka, als ich mir mit Jonathan Meese ein Hotelzimmer geteilt habe. Oder im Centro Wilfredo Lam in Havanna, als wir permanent observiert wurden oder im Centro Cultural Matucana in Santiago de Chile, als ich bei der Eröffnung der Ausstellung neben der Ehefrau des Präsidenten sitzen musste, weil wir beide ein Bein im Gipsverband hatten. Da gäbe es viele schöne Anekdoten zu erzählen.

Peter Mokrus sagte, es ist schwieriger geworden, die Menschen für Kunst zu begeistern. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich glaube nicht, dass es schwieriger geworden ist. Es ist vielmehr so, dass die Anzahl an Ausstellungen, aber auch die kulturellen Angebote sich vervielfacht haben. Wenn ich alles, was mich interessiert, besuchen wollte, würde meine Zeit nicht ausreichen. Das heißt, ich muss im Vorfeld recherchieren und eine Auswahl treffen. Ich werde nur das besuchen, was mir am interessantesten erscheint, in der Nähe liegt oder zeitlich gut passt. Das sind Faktoren, die wir beim Erstellen eines Programmes beachten müssen. Menschen, die voll im Berufsleben stehen, andere Interessen haben oder eine Familie, sind schwieriger zu erreichen als Singles oder Menschen im Ruhestand. Im Umkehrschluss heißt das, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir einen Zugang zu unserem Programm erleichtern und unter den vielen Angeboten attraktiv hervorstechen können.

Was kann man machen, um die Menschen wieder zu begeistern?

Wir werden weiterhin Ausstellungen und Projekte durchführen. Vielleicht können wir mit mehr zeitgenössischer Kunst auch junge Menschen begeistern. Diskussionsrunden veranstalten, Exkursionen zu interessanten Ausstellungen organisieren oder Atelierbesuche bei Künstlern. In jedem Fall wollen wir uns medial neu aufstellen. Die Website wird ein frisches Gesicht bekommen. Junge Menschen sind besser über die sozialen Medien zu erreichen. Es soll ein Instagram- und Facebookaccount eingerichtet werden. Wir werden versuchen, auch aktuelle Interessen in das Programm einzubeziehen.

Wie wollen Sie den Kunstverein weiter zukunftsfähig machen?

Der Verein ist zukunftsfähig. Das Gebäude hat eine gute Voraussetzung für viele frische, innovative Ausstellungen und Aktionen. Der Kunstverein ist finanziell gesund und hat viele Mitglieder. Wir haben einen hervorragenden Vorstand gewählt, der mir Hoffnung macht, dass wir neuen, frischen Wind in das Gemäuer und den Verein bringen. Mit Martin Vosswinckel als zweitem Vorsitzenden und Britta Riebesehl sind schon zwei mir vertraute Menschen im Vorstand. Aber auch alle weiteren, Stephan Kalt, Michael Sackmann, Stefanie Fries und Bettina Pröhl, sind engagiert angetreten.

Gibt es auch Dinge, die sich ändern müssen?

Ja sicher wird es einiges geben, das wir modernisieren. Die Neugestaltung der Website, die Kommunikation über Messenger werden die ersten Aktionen sein. Auch das äußere Erscheinungsbild kann eine Auffrischung vertragen. Wir wollen die Vermittlung und Informationsmitteilung beschleunigen. Die Akquise von neuen Mitgliedern soll einfacher vonstatten gehen und online möglich sein. Es wäre auch zu überprüfen, inwieweit eine Sanierung der Innenwände dazu beitragen würde, dass die Feuchtigkeit im Turm abnimmt. Trotz allem, was mir in den Sinn kommt, was man verändern könnte, muss ich auch loben, was der Kunstverein bisher zustande gebracht hat. Das war und bleibt großartig.

Corona hat gebremst. Wie geht es Künstlern damit, dass sie ihre Kunst in dieser Zeit nicht zeigen dürfen?

Die Pandemie hat alles durcheinandergewirbelt und teilweise in Schockstarre versetzt. Aber Künstler wären nicht Künstler, wenn sie sich nicht permanent neu erfinden würden. Es sind so viele kluge neue Ideen entstanden, dass man sich manchmal fragt, warum wir das nicht schon vorher gemacht haben. Zum Glück haben viele Künstler oft ein zweites Standbein. Aber vielen Kollegen ging es nicht so gut. Insofern hoffe ich auf eine Solidargemeinschaft, die Kulturschaffenden unter die Arme greift. Es gibt reichlich Kapital, das immer gut angelegt werden kann im Ankauf von Kunstwerken oder der finanziellen Unterstützung von innovativen Kunstprojekten.

Eine erste Ausstellung war jetzt wieder zu sehen, womit geht es weiter?

Das Programm für 2020 war fertig, als der erste Lockdown kam. Insofern werden wir zunächst das Jahresprogramm von 2020 fortführen. Es wird vier große Ausstellungen geben: Nach Clemencia Labin, die auch schon an der Biennale in Venedig teilgenommen hat, kommt der Fotograf Jürgen Strasser aus Worpswede. Im September zeigen wir den in Rotenburg schon bekannten Amir Omerovic und Ende des Jahres zwei junge aufstrebende Künstlerinnen, Josephine Henning und Lydia Radzuweidt, die gerade den Ottersberger Kunstpreis gewonnen hat. Dazwischen kommt im Februar eine Ausstellung mit Künstlerbüchern, die Studierende angefertigt haben und im Juni die Bachelorabschlusspräsentation von Kira Keune.

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