Rotenburg. Pünktlich schwebt die Aquila-A210 auf dem Flugfeld in Rotenburg ein und landet sanft auf der Landebahn. Am Steuerknüppel der Maschine sitzt Josef Bartmann. Der Sauerländer ist 94 Jahre alt und trotz seines Alters ein echter Überflieger. Gerade erst hat er seine Fluglizenz erneuert und darf zwei weitere Jahre fliegen.
Bartmann nutzt den kurzen Luftweg öfter mal für einen Besuch bei seinem Sohn Hans-Günter, denn der ehemalige Starfighterpilot hat sich im Heeslinger Ortsteil Boitzen niedergelassen und betreibt dort einen Alpaka-Ferienhof. „Ich bin fit wie ein Turnschuh, das haben mir auch die Flugärzte erst kürzlich wieder bescheinigt“, erzählt der 94-Jährige im Gespräch mit der Rundschau.
Der Wirbel um seine Person ist ihm sichtlich unangenehm: Eigentlich habe er keine Zeit für so viel Interesse an seiner Person, erklärt der freundliche Senior. 1921 in Arnsberg geboren, machte er bereits 1937 seinen Segelflugschein und wurde 1939 zur Luftwaffe eingezogen. Dort war er anfangs für die Pflege der Maschinen zuständig, ehe er 1939 seinen Pilotenschein machte. Als „Propeller-Putzer“ bezeichnet er seine damalige Tätigkeit und lächelt schelmisch. Seine Flugleistung war so gut, dass er gleich noch eine Ausbildugn zum Fluglehrer gemacht hat und während des Zweiten Weltkrieges kreuz und quer durch Europa geflogen ist. Im Dezember 1943 holte Bartmann mit seiner Maschine Verwundete aus dem Kessel von Stalingrad. Unterwegs haben gegnerische Truppen seine zweimotorige Maschine beschossen. „Da habe ich die Motoren ausgestellt und einen geeigneten Landeplatz für die Notlandung gesucht“, erinnert sich der Flugveteran. „Ich habe zwar den Vogel ordentlich auf den Bauch gelegt, mehr war es eigentlich nicht“, meint er bescheiden. In dieser Situation kamen ihm seine Erfahrungen aus der Segelfliegerei zugute. Schließlich konnte er alle gut nach unten bringen und über den zugefrorenen Don bei Nacht und Nebel vor dem Feind fliehen. Die Erlebnisse in den Kriegsjahren sind vielfältig, Einrad-Landungen und Flaksplitter im Cockpit haben den nervenstarken Kriegspiloten nie von seinem Vorhaben abbringen können. Für seinen Einsatz mit der legendären „Tante Ju“ bekam er eine Ehrenurkunde, schließlich gehörte er zu den Männern, die den alten Mythos um diese Maschine unsterblich gemacht haben. Dennoch geriet er 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Die währte für ihn nur kurz, da er mit Hilfe einer kleinen List fliehen konnte. Zu Fuß begab er sich auf den Heimweg, über 700 Kilometer vom Chiemsee bis nach Arnsberg. „Überall auf dem Weg bin ich herzlich empfangen worden, hatte immer einen Schlafplatz und genug zu essen“, erklärt Bartmann mit einem Schmunzeln. Doch auch nach dem Krieg ließ ihn die Fliegerei nicht los, mit Gleichgesinnten gründete er Anfang der fünfziger Jahre einen Fliegerclub in Arnsberg. Mit einem befreundeten Hagener Verein konstruierten und bauten sie schließlich ein doppelsitziges Segelflugzeug. Damit erreichte sein Traum vom Fliegen eine neue Dimension, und während er dies erzählt, leuchten seine Augen. Es habe sich viel verändert, vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl der Flieger sei nicht mehr so stark wie damals. Heute komme man, starte, lande und fahre wieder weg, stellt Bartmann etwas wehmütig fest. 1975 musste Bartmann alle Fluglizenzen erneuern, da seine Zulassungen nur für Militärmaschinen gültig waren. „Aber das war auch kein Problem“, erklärt der Arnsberger. In seiner wenigen Freizeit habe er früher viele Flüge nach Schweden, Bordeaux oder in die Steiermark gemacht, wobei er eine besondere Vorliebe für Österreich habe, da er als Fluglehrer dort über drei Jahre tätig gewesen sei. Seiner Heimat ist er treu geblieben, lebt heute in Arnsberg bei seiner Tochter, außerdem hat er noch zwei Söhne, drei Enkel und zwei Urenkel. Noch bis zum heutigen Sonntag bleibt er bei seinem Sohn in Boitzen. Dann fliegt er wieder nach Hause. Es wird ein Abschied, aber bestimmt nicht für immer: Der 94-Jährige plant bestimmt bald seinen nächsten Flug und wird seine Maschine wieder sicher auf dem Flugfeld in Rotenburg landen.