Rotenburg. „Es gibt zu wenig gute Trauerredner“, sagt Peter Klein. Vor rund fünf Jahren entscheidet er sich, das selbst in die Hand zu nehmen und steigt ein in das Geschäft des letzten Abschieds. Er redet, bis es preisverdächtig wird. Heute steht eine Trophäe in seinem Regal, die dem Barmstedter Bühnenperformance und -wirksamkeit bescheinigt: Den „Excellence Award“ hat er vor Kurzem bei einem Rednerwettstreit ergattert, dem Internationalen Speaker Slam.
Worte geschickt aneinanderreihen, überzeugen, inspirieren und mitreißen: Dem 61-Jährigen liegt das. „Ich habe die Gabe, warum sie nicht auch nutzen? Sie brachliegen zu lassen, das wäre doch Verschwendung“, sagt der ehemalige Sparkassenbetriebswirt. Auch wenn er zum Entspannen lieber alte Choräle auf der Orgel spielt: Sprechen ist sein Ding. Er formuliert punktgenau und bildhaft, sanft-sonore Stimme und gekonnte Betonung helfen dabei. Das geht auch nebenbei – das Telefongespräch für diesen Artikel führt der Preisträger beim Fensterputzen.
„Das kann ich auch!“ Als Peter Klein entschließt, Trauerredner zu werden, steht gerade einer in seinem Wohnzimmer. Ein Freund ist zu Besuch und berichtet von seinem neuen Job. „Das kann ich auch!“, sagt der ehemalige Banker. Zwei Wochen später überzeugt er bei einem Beerdigungsinstitut: Er ist engagiert. Dabei hatte er in dem Feld bislang keine Erfahrung. Das Auftreten sei der Schlüssel gewesen, das gezeigte Selbstbewusstsein. Abschiedsworte: Ihnen fehlt oft die Herzlichkeit, meint Peter Klein. Die letzten Worte am Sarg sollen Impulse geben. „Das Leben ist zu Ende. Da muss es doch eine inspirierende Rede geben. Eine, die anspornt, das Leben bewusst zu Leben“, sagt er. Für Peter Klein ist dieses Bewusst-Sein inzwischen Programm. Das ist im vergangenen Jahrhundert noch anders: Bis 1993 lebt er in Rotenburg und arbeitet bei der Sparkasse. Nach 37 Jahren und verschiedenen Stationen bei Banken in Hamburg und Schleswig-Holstein hängt er den Dienst in Kreditinstituten an den Nagel: „Da fehlte was. Irgendwann passte der Nine-to-five-Job einfach nicht mehr“. Persönlichkeitsentwicklung wird sein „Trip“, wie er sagt. Vor Publikum zu sprechen, ist für Peter Klein kein Problem. Wo andere sich mit Lampenfieber quälen, reißt er seine Zuhörer mit. Nicht nur vor Angehörigen von Verstorbenen oder bei Anekdoten im privaten Bereich. Als Schulelternratsvorsitzender spricht er zur Begrüßung vor Erst- und Fünftklässlern, aber auch vor Abschlussklassen und ihren Eltern. „Es ist schön, wenn hinterher fremde Menschen auf einen zukommen und sagen: tolle Rede. Das freut mich unheimlich.“ Aus der Freude am gekonnten Reden wird ein „Speaker-Trip“: Peter Klein will das Thema vertiefen und trifft bei seinen Recherchen zu dem Thema auf die Speaker Tobias Beck und Hermann Scherer. Beim von Scherer ins Leben gerufenen Speaker-Slam hat er sich bereits 2018 eingeschrieben, es kam aber immer etwas dazwischen – unter anderem Corona. „Aber so hatte ich dann 900 Tage, um mich vorzubereiten“, scherzt der Preisträger. Die Zeit nutzt er, um immer mal wieder zu überlegen: Wofür schlägt mein Herz wirklich? So will er zu „seinem“ Thema kommen, mit dem er einen Raum voller Menschen und eine Jury schnell in seinen Bann zieht. „Die Ideen für die Rede kamen dann immer spontan zwischendurch. Dann habe ich schnell mal die Aufnahmefunktion vom Handy benutzt und zuhause Notizen gemacht.“ „Ich hatte Blut geleckt.“ Als das Skript steht, rückt auch der Internationale Speaker Slam in Masterhausen näher. Das Event, das unter anderem schon in New York, Wien, Hamburg, und München stattfand, flößt dem ehemaligen Rotenburger Respekt ein. In der Zeit direkt davor schwingt allerdings immer etwas Nervosität mit. Doch sobald er die Bühne betritt, läuft es wie auf Schienen. Das Ziel ist klar: „Meine Motivation fürs Antreten war es tatsächlich, auch den Preis zu holen. Ich hatte Blut geleckt und wollte mehr“. Die Bedingungen dafür sind allerdings nicht ideal. Sommerliche Temperaturen heizen die Halle auf. Die Klimaanlage ist überfordert und die Geräte, die zur Live-Übertragung der Beiträge dienen, kühlen die Techniker mit Eisbeuteln. Der Veranstalter überspielt die Lage mit einem Scherz: „Wer bei diesem Wettbewerb vier Minuten redet, ist hinterher immer schweißgebadet – auch bei kühleren Temperaturen“. Diese vier Minuten bieten die eigentliche Herausforderung: Der Sprecher muss in dieser Zeit sein Publikum mitreißen und begeistern. Einen Vortrag so zu kürzen und trotzdem alles zu sagen, was wichtig ist, und sich dann noch mit seinem Publikum zu verbinden: „Das ist wohl die Königsklasse im professionellen Speaking. Nerven wie Drahtseile brauchen die Teilnehmer sowieso, denn nach genau vier Minuten wird das Mikrofon ausgeschaltet“, erklärt Peter Klein. Zum Ende wählt eine professionelle Jury, unter anderem Jörg Rositzke, Geschäftsführer de TV Senders Hamburg 1, einen Gewinner aus. Jeder Teilnehmer hat sein Thema selbst festgelegt: Einer spricht zum Beispiel über Biogasanlagen, ein anderer outete sich als Holzspezialist. Peter Klein punktet mit der Frage nach dem Zweck individuellen Handelns und letztlich nach dem Sinn des Lebens: „Versetzt euch einmal in euer 85-jähriges im Schaukelstuhl sitzendes Ich, das auf euer Leben zurückblickt. War das Leben dann ganz okay? Reicht euch ganz okay? Oder wollt ihr aus tiefstem Herzen sagen können: Genau so wollte ich es!“ Ob man seinen Sinn in Geld findet, in seelischem Wachstum oder aber im klassischen Bürojob mit Abenden vorm Fernseher, das sei jedem selbst überlassen. Aber: „Die Wahl sollte jeder bewusst treffen.“ Mit dem Award ist die Speaker-Karriere des Rotenburgers noch lange nicht gelaufen. Er will Unternehmer unterstützen, ihre Mitarbeiter zu motivieren und beispielsweise bei Betriebsversammlungen reden, Impulse geben. Der Schlüssel liege darin, die Belegschaft für das Unternehmensziel zu begeistern. Oder wie der Speaker es mit Antoine de Saint-Exupéry sagt: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“.