Unterstedt. Eine Polizeistreife rollt am „Campus Unterstedt“ vorbei – wie so oft seit der Nacht zum vergangenen Samstag. „Das produziert Sicherheit“, sagt Dorothee Clüver. Sie ist Koordinatorin des Flüchtlingsheims in der ehemaligen Lungenklinik. „Und auch, dass unser komplettes Team das Wochenende über vor Ort war, ist gut für alle Beteiligten.“ Derzeit leben auf dem „Campus Unterstedt“ fast 100 Menschen, Männer, Frauen, Kinder, die meisten von ihnen aus Syrien.
Gegen 2.15 Uhr hatte die Rotenburger Polizei die Nachricht erhalten, es sei zu einem Zwischenfall in dem Flüchtlingsheim gekommen. „Wir dachten, es wäre etwas zwischen den Flüchtlingen vorgefallen“, sagt Polizeipressesprecher Heiner van der Werp. „Als wir dann vor Ort waren, bekamen wir relativ schnell ein klares, ganz anderes Bild von der Lage.“ Denn nach Aussage der Bewohner hatten sich zwei Männer durch einen unverschlossenen Nebeneingang Zutritt zum Haus 3 des Campus-Geländes verschafft. Dort hätten sie die Nachtruhe der Flüchtlinge gestört, Fotos gemacht und auch rechtsextreme Parolen gerufen, heißt es von Seiten der Polizei. Danach hätten sie das Gelände wieder verlassen.
Dass die Polizei die Täter bereits ermittelt hat, liegt an dem Handy-Video, dass einer der Bewohner während des Vorfalls aufgenommen hatte. „Man sieht auf dem Bild auf der einen Seite die Flüchtlinge, auf der anderen die beiden Männer, sehr groß und sehr breit“, schildert van der Werp die Szenen des „nächtlichen Spuks“, wie es in einer Mitteilung der Polizei heißt. „Es war ein sehr makaberes Bild.“ Deutlich ist: „Es ging den Tätern darum, zu provozieren und den Menschen dort Angst zu machen“, so van der Werp. Anhand des Handy-Videos gelang es der Polizei auch schon, die beiden Männer zu identifizieren – beide gehören nach Angaben der Beamten der rechten Szene an. Derzeit laufen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen an.
„Bei einem der Männer haben wir Beweismittel sichergestellt“, sagt van der Werp. Was damit genau gemeint ist, dazu schweigt er sich aus ermittlungstaktischen Gründen aus. „Wir prüfen jetzt alles weitere.“
Derzeit gilt, dass die zwei Täter bislang „zum Glück nur“ Hausfriedensbruch begangen haben, wie der Polizeipressesprecher bemerkt. Auch Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber ist erleichtert, dass alles glimpflich abgelaufen sei. „Es gab keine Verletzungen, keine Sachbeschädigungen“, so der Verwaltungschef.
Weber ist froh über das Verhalten der Flüchtlinge: „Sie sind gelassen geblieben und haben Ruhe bewahrt, so dass es zu keiner Auseinandersetzung kam.“ Auch lobt er die Arbeit der Rotenburger Polizei, die bei alldem schnell reagiert hätte. „Gut ist zudem, dass wir das Video haben.“ Dazu kommen die Flüchtlinge als Zeugen. Trotzdem ist Weber erschrocken darüber, was in jener Nacht passiert ist. Denn noch in der vergangenen Woche hatte er sich erleichtert darüber geäußert, dass es in Rotenburg noch keine wie auch immer gearteten Aktionen gegen Flüchtlinge gegeben habe. Das ist jetzt anders. „Wir hatten das natürlich immer im Hinterkopf, mit solchen Dingen muss man rechnen“, so Weber. „Es war ein absoluter Einzelfall, aber die latente Gefahrensituation ist nunmal immer da, und die wird in den nächsten Wochen auch nicht weniger werden.“
Am Montag drehte es sich daher im Rathaus um die Sicherheitsmaßnahmen für den Campus. „Wir haben das mit den Flüchtlingen erörtert“, so Weber. Auch für Clüver ist die Folge der Nacht von Freitag auf Samstag klar: „Die Tür bleibt fortan verschlossen.“