Serie „Verwaise Orte“: Rotenburger Cohn-Scheune coronabedingt weiter geschlossen

Virtueller Rundgang im Lockdown

Die Open-Air-Ausstellung war in den Sommermonaten zu sehen.
 ©Archivfoto: Förderverein Cohn-Scheune

Unter dem Titel „Verwaiste Orte“ stellen wir regelmäßig beliebte Rotenburger Einrichtungen und Treffpunkte vor, die in diesen Tagen coronabedingt weitgehend menschenleer sind. Für den vierten Teil haben wir uns bei der Cohn-Scheune umgesehen.

Rotenburg (jt). Die Cohn-Scheune kann aktuell immerhin virtuell besichtigt werden – auf Besuche vor Ort müssen Interessierte jedoch noch warten. Auf der Internetseite www.cohn-scheune.de gibt es jedoch einen 360 Grad-Rundgang. Der ein oder andere wird diese Form der virtuellen Stippvisite kennen – inzwischen werden so vor allem Wohnungsbesichtigungen angeboten. Der ausführliche Rundgang durch die Cohn-Scheune lohnt sich, Nutzer erfahren viel über die jüdische Kultur in und um Rotenburg.

Hinter den geschlossenen Türen tut sich ebenfalls einiges. Gerade wird die Herausgabe eines Sammelbandes vorbereitet, der neue Forschungsergebnisse zur Familie Cohn und zum jüdischen Leben in Sottrum, Zeven, Visselhövede und Scheeßel beinhaltet. „Dabei wird es auch einen Rückblick auf das zehnjährige Bestehen der Cohn-Scheune und die Veranstaltungen der Kulturwerkstatt geben“, berichtet Inge Hansen-Schaberg, Vorsitzende des Fördervereins Cohn-Scheune. Der Sammelband wird mit zahlreichen Abbildungen versehen. Er wird im Laufe dieses Jahres beim Verlag Hentrich & Hentrich in Leipzig erscheinen.

Neben weiteren Inhalten, die derzeit nur virtuell entdeckt werden können, gibt es eine Videobotschaft zum Thema „Antisemitismus in der NS-Zeit: Das Beispiel der Rotenburger Familie Cohn“ – die Idee dazu kam durch eine Anfrage des Ratsgymnasiums zustande. „Im vergangenen Jahr konnten wir von April bis Ende September die frei zugängliche Open-Air-Ausstellung ,Am Ende des Tunnels zeigen‘“, erinnert Hansen-Schaberg an die vergangenen Monate, die von der Pandemie und den damit verbundenen Schließungen vieler Kulturstätten geprägt waren. „Als wir mit der Planung zu der Open-Air-Ausstellung begannen, war Corona in dieser Form nicht vorhersehbar“, führt die Vorsitzende aus – die glücklicherweise draußen installierte Ausstellung thematisierte die Kindertransporte in der NS-Zeit von Berlin nach Großbritannien. Ebenfalls draußen, direkt vor der Stadtkirche, konnte im September 2020 das zehnjährige Bestehen der Cohn-Scheune als Jüdisches Museum und Kulturwerkstatt gefeiert werden.

Andere, schon länger geplante, Veranstaltungen mussten jedoch verschoben werden. Dazu gehört ein Vortrag von Professor Dr. Wolfgang Benz, dem ehemaligen Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, der eine Antwort auf die Frage gibt, warum nicht alle jüdischen Menschen ins Exil flüchteten.

Auch die deutsch-persische Lyriklesung: „Atash, Atash. Ins Feuer springt das Herz“ mit dem Bremer Verleger Madjid Mohit und der Lyrikerin Schirin Nowrousian konnte noch nicht stattfinden. Der Vortrag von Dr. Anthony Grenville aus London über das Exil in Großbritannien muss ebenso warten wie der Vortrag von Dr. Joachim Woock, Thema: „Als Anne Frank durch Rotenburg fuhr – KZ-Züge rollten durch die Landkreise Verden und Rotenburg“.

Neben den Veranstaltungen, die schon jetzt geplant sind, sind im Haus Dauerausstellungen zu sehen. So befindet sich im Obergeschoss der Cohn-Scheune eine von Professor Michael Amthor erstellte Sammlung von Gegenständen aus der jüdischen Kultur und Religion und der Nachbau der Gebetsraummöbel der Zevener jüdischen Gemeinde von 1937/38. Zudem kann eine nicht mehr für den Gottesdienst verwendbare Thora-Rolle präsentiert werden, die von der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg als Dauerleihgabe überlassen worden ist. Im Erdgeschoss gibt die Dauerausstellung einen guten Einblick in die 200-jährige Geschichte jüdischen Lebens in Rotenburg und den Nachbargemeinden sowie in die Geschichte der Familie Cohn. „Ende Februar 2020, also gerade noch vor dem Lockdown, konnte die Ausstellung um die Exilgeschichte der beiden Cohn-Töchter und die Rückkehr nach Deutschland erweitert werden“, so Hansen-Schaberg. Wenn es das Infektionsgeschehen erlaubt, sollen die bisher verschobenen Termine nachgeholt. Bis dahin ist ein Besuch der Ausstellung zumindest virtuell weiter möglich.

• Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.cohn-scheune.de.

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