Tagesmutter Kirsi Lindemann aus Sottrum wirbt für mehr Akzeptanz für ihren Beruf - Von Dennis Bartz

Kein Kinderspiel

Tagesmutter Kirsi Lindemann mit Tochter Lena (links) und Tageskind Marie.
 ©Foto: Dennis Bartz

Landkreis Rotenburg. 85 Tagesmütter und einen Tagesvater gibt es im Landkreis Rotenburg. Tagespflegestellen sind seit 2004 gesetzlich den Krippen und Kindertagesstätten gleichgestellt und bieten damit eine vollwertige Alternative zu Regelbetreuung. „Wir haben zwar denselben Bildungsauftrag wie Kindertageseinrichtungen. In den Köpfen vieler Menschen ist das aber noch nicht angekommen“, bemängelt Tagesmutter Kirsi Lindemann aus Sottrum im Interview mit der Rundschau.

Welches Bild über Tagesmütter und -väter nehmen Sie in der Öffentlichkeit wahr?

Kirsi Lindemann: Für viele Menschen sind Tagesmütter Frauen, die sich ein paar Kinder nach Hause einladen, damit sie keine Langeweile haben. Nebenbei gibts dann ein paar Euro dafür. Für mich ist das ein Vollzeitjob, der mich voll auslastet. Ich habe viel Spaß an meiner Arbeit, aber ich übe diese auch professionell aus.

Wie meinen Sie das?

Lindemann: Ich habe beispielsweise ein Badezimmer für die Kinder eingerichtet, eigene Schlafräume und einen Spielbereich geschaffen. Oft haben Besucher einen Aha-Effekt und sagen: Oh, hoppla, Du wohnst ja in einem Kindergarten. Wer mich besucht, merkt sofort, wie viel dahintersteckt.

Wie viele Kinder betreuen Sie?

Lindemann: Im Landkreis Rotenburg ist es so geregelt, dass ich bis zu fünf Kinder aufnehmen darf. Zusätzlich betreue ich meine zweieinhalbjährige Tochter Lena. Der Schlüssel von fünf zu eins, den Krippen in der Praxis oft nicht einhalten können, kommt vielen Kindern zugute.

Warum das?

Lindemann: Als Tagesmutter habe ich den großen Vorteil, dass ich flexiblere Betreuungszeiten und geteilte Plätze anbieten kann. So sind einige Kinder beispielsweise nur am Montag und Dienstag bei mir. Das geht in der Krippe nicht. Dort wird erwartet, dass Kinder fünf Tage angemeldet werden. Das ist für diejenigen Mütter ärgerlich, die nur zwei Tage arbeiten müssen und ihr Kind an den anderen Tagen lieber zu Hause hätten. Die Jungen und Mädchen haben zudem eine feste Bezugsperson und nicht wechselnde Erzieher. Die Betreuung kann individuell gestaltet und Kinder damit häufig besser gefördert werden. Besonders Kinder, die schüchtern sind oder einen höheren Förderbedarf haben, können davon profitieren.

Ist die Betreuung gesichert, wenn Sie verreisen oder erkranken?

Lindemann: Ja, denn dafür gibt es zwei Vertretungsstützpunkte im Landkreis Rotenburg, die dann einspringen, wenn die Eltern die Betreuung nicht selbst übernehmen können.

Welche Voraussetzungen sind notwendig, um eine Tagesstelle zu eröffnen?

Lindemann: Dafür ist eine pädagogische Ausbildung oder ein 160 Stunden umfassender Qualifikationskurs erforderlich. Ich bin Heilerziehungspflegerin und konnte damit die Pflegeerlaubnis beim Landkreis beantragen. Tagesmütter und -väter müssen ein Konzept erstellen, das geprüft wird. Eltern können das jederzeit einsehen.

Gibt es Kontrollen?

Lindemann: Um die Pflegeerlaubnis zu bekommen, werden die Räumlichkeiten genau begutachtet und die Sicherheit geprüft. Dieser Vorgang wird jährlich wiederholt. Die Pflegeerlaubnis muss zudem alle fünf Jahre neu beantragt werden. Der Erste-Hilfe-Kurs ist alle zwei Jahre Pflicht, außerdem zwei Fortbildungen pro Jahr. Einmal im Monat gibt es einen Stammtisch für Tagesmütter. Dort sprechen wir über aktuelle Themen. Zusätzlich gibt es zwei Fachtreffen im Jahr.

Gibt es ausreichend Tagespflegestellen im Landkreis?

Lindemann: Leider noch nicht. Ich habe die ersten freien Plätze erst wieder im Jahr 2021. Ich bekomme so viele Anfragen, dass ich locker drei bis vier Gruppen eröffnen könnte. Als Tagesmutter kann man sich die Kinder herauspicken, die gut in die Gruppe passen. Der Landkreis ist deshalb bemüht, weitere Tagesmütter und -väter zu finden.

Welche Alterspanne decken die Pflegestellen ab?

Lindemann: Grundsätzlich dürfen Tagespflegestellen Kinder im Alter bis 14 Jahren aufnehmen. Es geht aber hauptsächlich um das Alter bis drei Jahre als Alternative für die Krippe. Da haben Eltern die freie Wahl. Wenn es einen freien Kindergartenplatz gibt, hat dieser jedoch Vorrang. In diesem Fall fördert der Landkreis die Kosten für die Tagesmutter nicht und die Eltern müssten diese komplett privat finanzieren.

Wie teuer ist ein Platz?

Lindemann: Der Landkreis übernimmt 4,10 Euro pro Betreuungsstunde. Um die Kosten zu decken, stocken viele Tagesmütter diesen Satz auf – in meinem Fall zahlen Eltern einen Euro zusätzlich. Der Landkreis berechnet anhand des Einkommens der Eltern, welchen Anteil sie an den Kosten übernehmen müssen, maximal sind das 2,50 Euro pro Stunde.

Wie sind Ihre Arbeitszeiten?

Lindemann: Ich biete insgesamt 40 Stunden Betreuung pro Woche an – die tatsächliche Arbeitszeit liegt aber deutlich darüber, bei etwa 50 Stunden. Schließlich gibt es immer etwas vorzubereiten und auch der Papierkram im Büro ist ein immer größerer Aufwand. Die gesamte Vor- und Nachbereitung sowie die Buchhaltung, die Elterngespräche – all das wird nicht bezahlt. Der Aufwand und die Verantwortung in dem Beruf sind sehr hoch.

Warum machen Sie den Job?

Lindemann: Es gibt für mich nichts Schöneres. Wenn Kinder morgens strahlend zu mir auf den Arm hüpfen, Mama aus der Tür schubsen und dann fröhlich spielen, macht mich das glücklich. Die Arbeit ist sehr erfüllend, abends falle ich müde ins Bett.

Wie ist das für ihre eigenen zwei Kinder? Gibt es da Eifersüchteleien?

Lindemann: Das kommt vor. Aber insgesamt tut ihnen das sehr gut. Wenn es morgens an der Tür klingelt, ist Lena immer ganz gespannt darauf, wer zuerst kommt. Die Tageskinder sind für sie so etwas wie Geschwister. Sie gehören zur Familie.

Kann man mit dem Job als Tagesmutter die Familie ernähren?

Lindemann: Ich kenne alleinerziehende Frauen, die das durchaus schaffen. Man muss aber ehrlicherweise dazu sagen, dass man sich dafür einschränken muss. Es ist zudem schwierig, etwas für die Altersvorsorge zu tun und Rücklagen zu bilden. Gut ist, dass der Landkreis bei Krankheit und Urlaub 30 Tage finanziell einspringt.

Was würde Ihnen die Arbeit erleichtern?

Lindemann: Es wäre toll, wenn wir einen Teil aus dem Fördertopf für Kindergärten und Krippen bekommen würden, zum Beispiel für Spielzeug und Bastelmaterialien. Denn das zahlen wir aus eigener Tasche. Wir sind im Sozialgesetz mit Kitas gleichgestellt, werden aber nicht genauso unterstützt.

Weitere Infos gibt es im Familienservicebüro, unter Telefon 04261/9832941 sowie per E-Mail an familienservicebuero@lk-row.de.

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