Osnabrück. Weltweit läuft die Forschung nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Auch Theresa Meyer, die in Schleeßel aufgewachsen ist und 2014 ihr Abitur am Gymnasium Sottrum gemacht hat, widmet sich in ihrer Masterarbeit der Infektionskrankheit Covid-19. Nach einem Bundesfreiwilligendienst als Rettungssanitäterin beim Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland Ludwigshafen hat sie den dreijährigen Bachelorstudiengang Biowissenschaften an der Universität Osnabrück absolviert. Momentan steckt die 24-Jährige schon mitten in der Forschungsphase für ihre Masterarbeit im Bereich der molekularen Biomedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie lebt mit ihrem Freund in Osnabrück und arbeitet nebenbei ehrenamtlich bei der Johanniter-Unfall-Hilfe. Im Interview erzählt sie, woran sie aktuell forscht und welche Ziele sie für die Zukunft hat.
Wie kam es zu der Entscheidung, Biowissenschaften zu studieren?
Theresa Meyer: Ich habe mein Abitur mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt in den Prüfungsfächern Mathe, Bio und Chemie gemacht, weil das Fächer waren, die mir einfach lagen und mir Spaß gemacht haben. Dazu kam, dass ich schon lange Interesse an der Medizin hatte und einfach gern Menschen helfe. So kam ich zum Rettungsdienst, wo ich während meiner Ausbildung zur Rettungssanitäterin festgestellt habe, dass mich am meisten die Frage beschäftigt, warum es den Menschen schlecht geht. Ich wollte wissen, welchen Ursprung Krankheiten haben und wie man sie langfristig bekämpfen oder gar verhindern kann. Die Biologie schien mir eine gute Grundlage zu sein, um später in die medizinische Forschung einzusteigen. Die Universität hier in Münster bietet aufgrund der Kooperation mit dem Universitätsklinikum dafür den passenden Masterstudiengang. Was möchten Sie im Lauf Ihrer Karriere erreichen? Meyer: Im Sommer nächsten Jahres werde ich eine Doktorandenstelle in meinem Institut antreten, auf die ich schon sehr gespannt bin. Ich hoffe, dass mir dadurch die Türen von Biopharma-Unternehmen geöffnet werden. Im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten zu können, das wäre das Gelbe vom Ei. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, fachliches Bindeglied zwischen Vertrieb und Entwicklung zu sein. Corona ist derzeit dauerpräsentes Thema in allen Bereichen. Wie wirkt sich die Pandemie auf den Laboralltag aus? Meyer: Was die Arbeitsinhalte angeht, ist das unterschiedlich. Ich arbeite am ZMBE, dem Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung, das in fünf Institute mit folgenden Schwerpunkten unterteilt ist: Experimentelle Pathologie, Medizinische Biochemie, Molekulare Virologie, Zellbiologie und Infektiologie. Mein Institut ist das der Infektiologie. Bei uns stehen Viruserkrankungen normalerweise nicht im Fokus. Aufgrund der aktuellen Notwendigkeit und resultierend aus der Zusammenarbeit mit unseren Kollegen der anderen Institute leisten wir aber natürlich trotzdem einen Beitrag. Da ich mich außerdem in meiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftige, ist es für mich natürlich besonders präsent. An den allgemeinen Arbeitsbedingungen hat sich bei uns gar nicht so viel verändert. Da wir im Labor mit humanpathogenen Erregern arbeiten, tragen wir grundsätzlich Kittel, damit diese nicht über die Kleidung nach draußen getragen werden. Auch das Hände-Desinfizieren beim Rein- und Rausgehen war schon immer Vorschrift. Seit März herrscht bei uns eine generelle Maskenpflicht und natürlich achten wir auf Abstand untereinander. Das ist manchmal gar nicht so einfach. In unserer Arbeitsgruppe sind wir aktuell 20 Mitarbeiter. Wir mussten ein Schichtsystem einführen. Dass wir so viele sind, liegt auch daran, dass einige jetzt eigentlich im Ausland wären. Ist in Ihrem Studiengang auch ein Auslandsaufenthalt vorgesehen? Meyer: Vorgesehen nicht, aber es ist eine Möglichkeit. Ich hatte mich auch dafür entschieden und habe ein DAAD-Stipendium erhalten, mit dem ich für ein halbes Jahr nach Brasilien gehen wollte. Bis März war ich tatsächlich dort und konnte einige Wochen an der São Paulo State University mit den Kollegen dort an EHEC-Erregern forschen. Leider musste ich aufgrund der Pandemie vorzeitig zurückreisen. Immerhin konnte ich mich so schon früher mit meiner Masterarbeit befassen. Kürzlich kam die bahnbrechende Nachricht, dass das Mainzer Biotechnologie-Unternehmen BioNTech einen Impfstoff entwickelt hat, der eine 90-prozentige Wirkung verspricht. Wird die Impfstoffentwicklung Thema Ihrer Masterarbeit sein oder woran forschen Sie? Meyer: Nein, ich beschäftige mich auf andere Art mit dem Virus. Ein neuartiges Virus ist immer hochkomplex und birgt viele Herausforderungen. Zunächst einmal muss man es charakterisieren und verstehen, wie es wirkt. In meiner Masterarbeit entwickle ich ein Therapeutikum, also ein Medikament, das unter anderem für die Heilung von Covid-19 eingesetzt werden könnte. Vereinfacht könnte man sagen, ich entwickle ein Transportsystem, mit dem genbasierte Wirkstoffe leichter zelluläre Barrieren überwinden können. Dieses wollen wir vorrangig gegen SARS-CoV-2 testen. Da steckt sicher viel Zeit und Geld hinter? Meyer: Das ist richtig. Für meine Forschung gibt es einen Förder-Topf, aus dem wir Wirkungsstoffe, Verbrauchsmaterialien und humane Zellen beziehen, die ich für meine Arbeit nutze. Um Letztere muss ich mich besonders kümmern und sie pflegen wie einen Garten, damit sie die Situation im Körper immer möglichst genau widerspiegeln. Dazu kommen noch die Arbeitswerkzeuge. Ich pipettiere den ganzen Tag, deshalb ist meine Pipette mein Schatz. Wenn die einmal runterfällt, dann weine ich (lacht). Wir versuchen natürlich die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, so sinnvoll wie möglich einzusetzen. Man muss sich gut überlegen, was man tut und immer auf dem neusten Stand der Forschung seiner Kollegen sein, um unnötige Experimente und Zeitverlust zu vermeiden. In meiner Masterarbeit steckt aber nicht nur meine Zeit. Sie baut auf den Forschungsergebnissen meiner Kollegen und Vorgänger auf. Das ist das Schöne an der Wissenschaft. Forschung ist kein Einzelsport, Forschung ist Teamwork. Wenn aus Ihrer Arbeit ein theoretisch wirkungsvolles Medikament hervorgeht, wie wahrscheinlich ist es, dass es in die Entwicklung geht? Meyer: Das liegt nicht in meiner Hand. Wir erforschen öffentlich zugängliches Wissen und erarbeiten Methoden, die hoffentlich publiziert werden. Wenn das der Fall ist, kann es sein, dass ein Pharmaunternehmen darauf aufmerksam wird und eine Kooperation vorschlägt. Bis zur finalen Zulassung unseres Medikamentes, kann es aber durch notwendige klinische Studien gut und gerne zehn bis 15 Jahre dauern. Von Ihrem Standpunkt aus betrachtet, würden Sie sich gegen Corona impfen lassen? Meyer: Das werde ich von vielen gefragt (lacht). Zunächst möchte ich betonen, dass wir in der Forschung alle Kollegen sind. Es gibt dafür einen Verhaltenskodex, die GWP (gute wissenschaftliche Praxis). Damit will ich sagen, wir unterstützen uns und wir vertrauen uns. Wenn ein funktionierender und sicherer Impfstoff in Deutschland die Zulassung erhält, würde ich mich definitiv impfen lassen und das allen empfehlen. Selbstverständlich sollte man Risikogruppen den Vortritt lassen.