Die Menschen am Rotenburger Lönsweg bleiben besorgt. Nachdem dort Anfang des Monats ein Chihuahua von „Kampfhunden“ totgebissen wurde, fordern sie Konsequenzen der Behörden. Die haben zwar Auflagen erteilt für die Halterin, doch das reicht vielen nicht aus. Der Unmut wächst.
Rotenburg – Niemand hier hat etwas gegen Hunde. 15 Anwohner des Rotenburger Lönswegs sitzen am vergangenen Donnerstagabend im Restaurant „Am Ahe Wald“ zusammen und sprechen knapp zwei Stunden über die Situation. Viele haben selbst Hunde, sie sorgen sich, nicht wenige haben Angst. Und sie fordern von den Behörden eine Lösung für ein Problem, das eigentlich seit Jahren bekannt sei – aber erst seit dem 1. September durch einen dramatischen Vorfall Gehör findet. Die elfjährige Hanna ist mit dem vierjährigen Familienhund Cookie an der Brauerstraße unterwegs. Als zwei große frei laufende Hunde aus dem Lönsweg auf sie zustürmen, nimmt sie den kleinen Chihuahua auf den Arm. Ein Pitbull springt an ihr hoch, entreißt ihr den Hund, der Chihuahua wird gebissen und stirbt wenig später in einer Tierklinik. Das Mädchen bleibt unverletzt. Aber der Schrecken ist groß. Nicht nur bei ihr.
Zweieinhalb Wochen nach dem Vorfall haben sich die Nachbarn vernetzt. Viele kennen sich sonst gar nicht richtig, aber alle, die an diesem Donnerstagabend im Restaurant „Am Ahe Wald“ von Hannas Mutter Beata Traue zusammenkommen, eint die Sorge. „Jeder Fußgänger“, sagt eine Nachbarin, der an dem Haus mit den insgesamt drei „Kampfhunden“ am Lönsweg vorbeigehen muss, „wechselt die Straßenseite“. Erst kürzlich habe sie beobachtet, wie ein Kind auf einem Dreirad auf dem Weg zur Kita direkt nebenan vor Schreck gestürzt sei, weil die Hunde am Zaun „durchgedreht“ seien. Bis noch mehr passiere als eine Attacke auf ein Mädchen mit einem Angriff auf einen kleinen Hund, sei es kein weiter Weg mehr. „Das ist doch eine tickende Zeitbombe!“ Die Hunde seien nicht erzogen, würden kaum ausgeführt, von Schlägen ist die Rede. Da sei es ganz natürlich, dass sich tierische Aggressionen aufbauen. Und immer wieder sei es schon in der Vergangenheit vorgekommen, dass die Hunde vom Grundstück weglaufen und Menschen bedrängen, insbesondere Hundehalter. Ein Chatverlauf eines Nachbarn mit Landkreis und Stadtverwaltung belegt das. Seit Dezember 2021 hatte dieser versucht, eine Tierwohlgefährdung zu melden und von der Angst der Nachbarn berichtet. In der Sache kam er aber nicht weiter. Aus dem Rotenburger Rathaus ist mittlerweile zu vernehmen: Die Sache wird intern geklärt. Auch von der Polizei hieß es nach der Beißattacke Anfang September, die Problematik sei bislang nicht bekannt gewesen. Dabei berichten Nachbarn, Vorfälle mit den frei laufenden Hunde schon mehrfach gemeldet zu haben. Zuletzt habe sich im Juni ein Anwohner an die Polizei gewendet, weil er mit seinem Hund bedrängt worden sei. Nun gibt es verschiedene Zuständigkeiten. Die Polizei wird erst einmal bei direkten Gefahrenlagen aktiv, zuletzt am 15. September. Da waren die Hunde wieder alleine im Wohngebiet unterwegs und mussten eingefangen werden. Zudem werde das Gebiet öfter „bestreift“: Kontrollfahrten. Die Stadt hat als Ordnungsbehörde der Halterin mittlerweile eine schriftliche Ordnungsverfügung zugestellt, im Sinne einer Gefahrenabwehr ständig dafür zu sorgen, dass die Hunde das Grundstück nicht eigenständig verlassen können. Der Stabmattenzaun müsse rund um das Grundstück absolut dicht und das Hoftor stets geschlossen sein, wenn die Hunde im Freien sind. Zudem sei eine weitere Sicherung des Tors nötig, damit es nicht ohne Aufsicht von innen geöffnet werden könne. Auf der Straße müssen die Hunde angeleint sein und Maulkorb tragen. Komme die Halterin der Weisung nicht nach, drohe ihr ein Zwangsgeld. Zahle sie das nicht, sei eine Ersatzzwangshaft möglich. Und schließlich prüft das Veterinäramt des Landkreises, ob die Hunde nach dem Gesetz als gefährlich eingestuft werden müssen. Details gibt es aus dem Kreishaus dazu nicht: „Zu einem laufenden Verfahren gibt der Landkreis keine Auskunft“, teilt die Pressestelle mit. Und so bleiben auch für die besorgten Anwohner viele Fragen offen, die aus ihrer Sicht nicht weiter aufgeschoben werden dürften. Die Polizei ermittelt zwar nicht nur wegen „Sachbeschädigung“ des getöteten Hundes gegen die Halterin, sondern auch wegen einer möglichen Körperverletzung der Elfjährigen, die durch den Vorfall nach Angaben ihrer Mutter traumatisiert ist. Direkte Befragungen der Nachbarn zu weiteren Vorfällen habe es aber nicht gegeben, um die Lage im Wohngebiet komplett zu erfassen, ist ein weiterer Kritikpunkt. Polizeisprecher Heiner van der Werp entgegnet: „Eine Befragung der Nachbarn war zur Beweisführung bislang nicht erforderlich.“ Auch ihm sei aber bewusst, dass es sich um einen „heftigen Sachverhalt“ handele. „Ich bin völlig ratlos und unendlich traurig“, sagte Beata Traue. Helfen die Auflagen der Behörden? Wird geklärt, ob die Frau mit der Haltung der drei großen Hunde wirklich überfordert ist? Oder passiert erst richtig was, wenn etwas viel Schlimmeres passiert ist? Die Anwohner des Lönswegs wollen sich nicht mit der aus ihrer Sicht weiter problematischen Situation abfinden.