Sittensen. Mit dem Übergang von der Volksschule zur weiterführenden Schule lernte ich Anfang der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts etwas kennen, was es in unserer Dorfschule nicht gab: einen Schulförderverein zur Errichtung eines Landschulheimes. Beim ersten Elternabend meiner neuen Klasse wurde dieser Verein vorgestellt, und alle Anwesenden traten dem Verein selbstverständlich bei.
Obwohl die weiterführenden Kieler Schulen in der Regel bereits über eigene Heime verfügten, beteiligten sie sich über Fördervereine an dem Plan der Stadt, im Harz ein Schulheim zu bauen. Und das für jene Einrichtungen, denen es nicht möglich war, eigene Heime vorzuhalten.
Peter Frankenfeld, umtriebiger Entertainer und Showmaster, der Rundfunk und Fernsehen im Nachkriegsdeutschland nachhaltig prägte, hatte 1954 als Moderator einer Benefizveranstaltung in der Kieler Ostseehalle nicht unwesentlich dazu beigetragen, einen Grundstock für den vorgesehenen Bau des Landschulheims zu legen, der im Laufe der folgenden Jahre durch zahlreiche Aktionen so anwuchs, dass bis 1960 fast ein Viertel der Baukosten auf diese Weise finanziert werden konnten. Für Jahrzehnte wurde so die Kieler Hütte ein gern genutzter Aufenthaltsort für begeisterte Kinder aus der norddeutschen Tiefebene, nur nicht für uns Unglückliche, deren Schulen über eigene Heime verfügten. Dafür kamen aber meine Eltern, nachdem unser Dorf in die Stadt Kiel eingemeindet worden war, als nun Kieler Lehrkräfte in den Genuss erlebnisreicher Aufenthalte im Oberharz. Irgendwann war meine Mutter so genervt durch das Maulen des eigenen Nachwuchses, nie in die Kieler Hütte fahren zu dürfen, dass sie kurzerhand mit uns in eine Jugendherberge im Oberharz fuhr und wir mit ihr während unerträglich heißer Sommerferientage all die Wandertouren zu unternehmen hatten, die sie sonst mit Schulklassen absolvierte. Denke ich an diese Unternehmung von vor fünfzig Jahren, so ist mir vor allem Wald, Wald, Wald und nochmals Wald in Erinnerung geblieben. Die gute Bodenqualität der Region, in der ich aufwuchs, hatte dazu geführt, dass ehemals vorhandene Wälder landwirtschaftlicher Nutzung wichen. Restbestände, die holzwirtschaftlichem Bedarf ihren Erhalt verdankten, bestanden zumeist aus Buchen, deren majestätischer Wuchs an die Höhe eines Kirchenschiffes mittelalterlicher Dome erinnerte. Im Oberharz begleiteten uns dagegen Fichten – schon erstaunlich, den Weihnachtsbaum meiner Jugendzeit hier ohne entsprechenden Schmuck als Wegbegleiter bei Waldwanderungen zu entdecken. Eigentlich ein Baum der Taiga, wurde sie nach ruinösen Holzeinschlägen, bedingt durch den Hunger nach Bau- und Brennholz sowie Holzkohle, systematisch in offene, ungeschützte, nährstoffarme Flächen als Reinbestand gepflanzt – mit Erfolg! Der Erfolg war deshalb so groß, weil Industrialisierung und Städtewachstum nicht mehr auf Nadelholz als Baumaterial, Telegraphenmasten, Eisenbahnschwellen und Rohstoff für die Papierindustrie verzichten konnten. Dabei wurde immer mehr klar, dass Fichtenäcker zunehmend Probleme durch Sturmwurf, Borkenkäferbefall, Versauerung des Bodens wegen schwer zersetzbarer Nadeln und vieles mehr ergeben würden. So begann bereits im 19. Jahrhundert zögernd und zuerst nur im Kleinen der Umbau von risikoreichen Fichtenmonokulturen zu baumartenreichen Mischwäldern – ein Umdenken, das erst seit wenigen Jahrzehnten wirklich zu greifen beginnt. Fichtenäcker wie im Harz der 1960er Jahre finden sich in unserer Region nicht. Fichten wurden zwar lange Zeit auch hier gern als Ertragsbringer eingesetzt, dominierten aber nie ganze Wälder. Trotzdem werden auch bei uns seit etwa dreißig Jahren immer weniger Waldflächen allein mit Fichten bestückt, forciert durch weltweite klimatische Veränderungen, denen der Baum aus der Taiga in unseren Breiten auf die Dauer nicht wird standhalten können. Neugierig geworden auf einen Wald im Umbruch? Der Thörenwald bei Sittensen ist ein anschauliches Beispiel dafür. Zu ihm gelangt, wer Sittensen in nördlicher Richtung über Stader Straße, L130 Richtung Apensen verlässt. Nach dem Überqueren der Autobahn A1 auf der Landesstraße bleiben und hinter Lengenbostel rechterhand über die Straße „Am Blöcken“ nach Freetz fahren. Hier am T-Stück rechts in die „Dorfstraße“ abbiegen. Sie geht in die „Wienerberger Straße“ über. Kurz vor der Autobahn zweigt links ein befestigter Weg ab, der in etwa parallel zur A1 verläuft. Nach Erreichen des Thörenwaldes weist ein Schild links auf einen Parkplatz am Waldrand. Ein zentraler, ausgebauter Weg führt in den gut erschlossenen Wald, der zu beiden Wegeseiten abwechslungsreiche Waldbilder mit unterschiedlichen Wirtschaftskonzepten zeigt, darunter auch noch solche, in denen Fichten dominieren.