Interview: Letzte Amtszeit für Stefan Tiemann - Von Heidrun Meyer

„Es ist Zeit für Veränderung“

Stefan Tiemann tritt 2019 nicht erneut zur Wahl an. Foto: Heidrun Meyer ©

Sittensen. Im kommenden Jahr steht die Samtgemeindebürgermeisterwahl an. Amtsinhaber Stefan Tiemann hat den Rat darüber informiert, dass er nicht wieder kandidieren wird. Seine Amtszeit endet am 31. Oktober 2019. Der 47-Jährige hat 1990 seinen Dienst bei der Samtgemeinde begonnen. 2005 wurde er zum Samtgemeindebürgermeister gewählt, 2011 wiedergewählt. Mit seiner Frau Sandra lebt er in Sittensen.

Sie waren noch jung, als Sie diesen Posten übernommen haben. Sind Sie amtsmüde?

2019 habe ich diese Arbeit 14 Jahre gemacht. Man merkt immer mehr, dass es den Wunsch nach Veränderung gibt, um noch einmal etwas Neues zu machen. Es war und ist aber eine tolle Aufgabe, die Spaß macht.

Fühlt man sich wohl, hört man nicht zwangsläufig auf. Warum Ihre Entscheidung?

Ich bin Zeitbeamter. Als man neu dabei war, wollte man viel bewegen und quasi die Welt verändern. Dann macht man es ein zweites Mal. Da war noch Feuer da, ich wollte weitere Sachen umsetzen. Nun muss ich mich entscheiden, ob ich noch einmal sieben Jahre Samtgemeindebürgermeister in Sittensen sein will. Dann bin ich Mitte 50, wenn die Amtszeit abgelaufen ist. Will ich für mich noch etwas verändern, muss ich es jetzt tun, auch in Anbetracht des Alters.

Es gibt allerorts festgefahrene Strukturen, auch in Sittensen. Konnten Sie beitragen, diese aufzubrechen?

Das ist zum Teil gelungen. Wenn man ehrlich ist, haben sich nach 14 Jahren aber wieder Strukturen eingelaufen. Das liegt in der Natur der Sache. Was hätte ich den Leuten sagen sollen, wenn ich noch einmal angetreten wäre? Letztlich wäre es ein „Weiter so“ gewesen. Und das reicht mir nicht. Obwohl es immer wieder neue Aufgaben gibt. Gerade im Kinder- und Jugendhilfebereich ändert sich ganz viel. Aber die Herangehensweise bleibt immer dieselbe. Es darf einfach mal wieder kribbeln.

Die Wahlbeteiligung geht allgemein zurück, man kann von einer Entfremdung zwischen Bürgern, Politik und Verwaltung sprechen. Stimmen Sie dem zu?

Ich glaube nicht, dass das auf Sittensen zutrifft. Wir haben hier vernünftige Kontakte mit der Bevölkerung. Es gibt allerdings unpopuläre Maßnahmen, so dass die Menschen, wenn es um ihre eigenen Belange geht, sehr viel lautstarker und organisierter geworden sind.

Macht das die Arbeit schwieriger?

Durchaus, aber auch interessanter. Wir hatten sicher strittige Themen, aber es gibt wenige Leute, die das für immer nachtragen. Wenn eine Entscheidung getroffen ist, wird sie letztlich akzeptiert. Das gilt auch für mich, wenn es um Beschlüsse geht, die ich manchmal nicht mittragen kann. So zum Beispiel der Standort für den Kindergartenneubau, den ich für falsch halte. Aber nun machen wir gemeinsam das Beste daraus.

Kommunalpolitik hat großen Einfluss auf das Leben der Menschen vor Ort und ist doch oft weit weg. Was denken Sie, woran das liegt?

Man hat sofort Resonanz, wenn es die Leute persönlich betrifft. Sei es beim Straßenausbau, dem Bau von Windkraft- oder Biogasanlagen. Allgemein gesehen hält sich das Interesse eher zurück. Es ist eine Aufgabe der Räte, da gegenzusteuern.

Hätten Sie sich mehr Unterstützung von den politischen Gremien gewünscht?

Es muss einem in so einem Job bewusst sein, dass man ein Einzelkämpfer ist. Es gab sicher Phasen, wo es extrem schwierig war. Das ist immer ein Auf und Ab. Dennoch sind alle Entscheidungen, die zukunftsweisend waren, vor allem im Bereich Schule, Kindergarten und Abwasser, mit großer Mehrheit umgesetzt worden.

Was ist für Sie das bislang prägendste Thema?

Sicher die schulische Entwicklung in Sittensen und damit verbunden die erste Abiturentlassung an der KGS in diesem Jahr.

Wo sehen Sie künftig Ihre Prioritäten?

Nach dem 1. November 2019? Da werde ich erstmal was für mich tun. Eine schöne Auszeit nehmen. Dann soll es um Dinge gehen, die ich bisher vernachlässigt habe: die eigene Gesundheit, Familie, das soziale Umfeld. Wieder einen anderen Lebensrhythmus bekommen. Bis dahin werden wir aber nochmal richtig Gas geben.

Was möchten Sie in Ihrer verbleibenden Dienstzeit noch realisieren?

Zum einen geht es um die konkreten Planungen für den Kindergartenneubau in Tiste und den Sporthallenneubau an der KGS. Zum anderen möchte ich den neuen Grünschnittsammelplatz fertigstellen lassen. Das hat sich aufgrund des aufwändigen Genehmigungsverfahrens verzögert. Ich hoffe auch, dass wir zum Ende dieses Jahres den Planer für den Umbau des Volksbankgebäudes zum Rathaus haben und 2019 den neuen Kindergarten eröffnen können. Auch die Planungen für das neue Rathaus möchte ich bis dahin abgeschlossen haben. Die neue Kindertagesstätte hat sicher Priorität, da drückt es am meisten. Wir haben unsere Immobilien gut in Schuss. Klar kostet das Geld, aber es sind Investitionen in die Zukunft und diese tragen zur Weiterentwicklung bei. Dafür geht es den Gemeinden ausgesprochen gut, weil wir als Samtgemeinde ihnen diese Aufgaben abgenommen haben. Es ist zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass die Samtgemeinde die Kindergärten betreibt. Woanders machen das die Gemeinden. Insgesamt ist es uns, denke ich, gemeinsam gut gelungen, die Samtgemeinde voranzubringen. Auch wenn es anders kommuniziert wird, wir stehen als Samtgemeinde finanziell gut da.

Die Zusammenarbeit im Rathaus funktioniert gut?

Unbedingt. Wir haben hier tolle Leute mit einer guten Altersstruktur. Wir konnten Führungspositionen aus unserem Team besetzen, haben konsequent Weiterbildung betrieben und das Glück, kaum Fluktuation zu haben. Personalplanung ist schwierig, aber für die nächsten zehn bis 15 Jahre sind wir sehr gut aufgestellt.

Thema Rathaus: Sie favorisieren einen Neubau und den bisherigen Standort. Hat Sie der Beschluss dagegen in Ihrer Entscheidung, nicht wieder anzutreten, beeinflusst?

Nein, mir ging es darum, dass wir zügig in andere Räumlichkeiten kommen und meine Mitarbeiter nicht mehr mit den Unwägbarkeiten dieses Gebäudes leben müssen. Hätte man nicht auf den Umbau bestanden und wäre zunächst mit einfachen Mitteln in das Volksbankgebäude eingezogen, hätten wir jetzt vernünftige Arbeitsbedingungen. Das weitere Vorgehen hätte man in Ruhe überlegen können.

Können Sie nach Amtsende ohne Emotionen als normaler Einwohner die Geschicke weiterverfolgen?

Die Entscheidung aufzuhören ist nicht von jetzt auf gleich gefallen. Ich habe das gut und reiflich überlegt. Man trägt als Samtgemeindebürgermeister viel Verantwortung. Gerade wenn man vor Ort lebt, ist man immer in dieser Position. Es heißt nicht, da kommt Stefan Tiemann, sondern der Samtgemeindebürgermeister. Das ist schön, kann aber auch zur Belastung werden. Trotzdem war es rückblickend gut und richtig, stets vor Ort gewesen zu sein. Ich hoffe, dass uns ein erfrischender Wahlkampf bevorsteht. Das ist ein hochattraktives Amt. Es gibt tolle Kollegen, und die Samtgemeinde bietet beste Voraussetzungen.