VON NINA BAUCKE Sottrum – Niemand mag Augentropfen, auch Charlie nicht: Der junge Irish Doodle versucht der Hand von Marco Werhahn Beining auszuweichen, die sich ihm mit einer Einwegpipette nähert. Am Ende klappt es trotzdem, dank einiger beruhigender Worte von Charlies Frauchen, und auch Auszubildende Luzie Sueße streicht immer wieder über das rotbraune, lockige Fell des Hundes. Es ist ein ganz normaler Vormittag in der Klinik für Kleintiere Sottrum. Allerdings: Normal bedeutet im Arbeitsalltag der Veterinäre und Tiermedizinischen Fachangestellten (TFA), dass Leerlauf und Langeweile gar nicht erst aufkommen.
„Das sieht ja schon sehr gut aus“, freut sich Marco Werhahn Beining, als er einem Kater in die Augen schaut. Schon seit Längerem wird der Stubentiger aufgrund einer Hornhauterkrankung regelmäßig in der Kleintierklinik behandelt, heute nähert sich die Therapie dem Abschluss – sehr zur Freunde seiner Besitzerin. Während sie mit der Transportbox inklusive Inhalt das Sprechzimmer verlässt, setzt sich der Tierarzt an den Computer: Berichte, Rezepte, Termingespräche – all das erledigt er gleich im Anschluss an die Behandlung, „sonst sitze ich abends noch zwei Stunden an dem Papierkram“. Inzwischen macht sich Sueße, die im ersten Lehrjahr zur Tiermedizinischen Fachangstellten ist, daran, den Behandlungstisch gründlich zu desinfizieren.
Und dann entert Charlie den Raum, buchstäblich: Sofort lässt er sich das Fell kraulen, legt dann den Kopf neben die Tastatur auf dem kleinen Schreibtisch, an dem der Tierarzt immer noch sitzt, und schnüffelt einmal durch das Behandlungszimmer. „Er ist etwas hibbelig“, stellt der Veterinär fest. Aber souverän gelingt es ihm und der Auszubildenden, den tierischen Patienten schnell in den Griff zu bekommen – sodass Charlie ihnen zum Abschied die Pfote reicht. Vor allem sind es Hunde und Katzen, die auf dem Behandlungstisch Platz nehmen, manchmal auch Nagetiere, wie Kaninchen, Hamster oder Meerschweinchen – und dann sind da die absoluten Ausnahmen, mit denen es Marco Werhahn Beining schon zu tun hatte: ein Reh und ein Fuchs. Vögel, Reptilien und Fische finden sich nicht in dieser Praxis – für sie gibt es eigene Experten. Die Behandlungszimmer befinden sich im vorderen Teil der Klinik, hinten sind die Station und die Operationsräume. In einem von ihnen sitzen gerade Tierärztin Franziska Werhahn Beining und TFA Christina Meyer. Vieles hier erinnert beklemmenderweise an den eigenen Zahnarztbesuch: das Besteck mit Pinzetten, Zahnsteinentferner und Minispiegel, die schwenkbare Lampe und auch das hohe Sirren. Denn Franziska Werhahn Beining macht sich an einem Zahn ihres Patienten zu schaffen, der zwischen ihr und Christina Meyer auf dem Tisch liegt. Das Sirren wird nur von einem manchmal etwas unregelmäßigen Piepen übertönt – denn der graue Herdenschutzhund, dem es da gerade ans Gebiss geht, ist narkotisiert und das Piepen markiert seinen Herzschlag. „Der Zahn ist krank und muss raus“, erklärt Franziska Werhahn Beining. Und wenn das Tier ohnehin schon mal in Narkose ist, nutzt sie die Gelegenheit zu einem intensiven Zahn-Check-up. Überhaupt hat es das Team der Klinik für Kleintiere Sottrum vor allem mit der Behandlung von Augen- und Zahnkrankheiten zu tun. Bei der Rottweilerhündin, die nun mitsamt Besitzern ins Sprechzimmer kommt, ist der Fall allerdings etwas anders gelagert: Sie ist trächtig – und da schon die letzte Geburt nicht ganz einfach für sie war, sollen die Welpen nun per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Doch dafür müssen 60 Kilogramm Hund erst einmal in den Narkoseschlaf versetzt werden, keine leichte Aufgabe, denn das Tier ist durch die unbekannte Umgebung verängstigt und aufgeregt. Es klappt, kurze Zeit später liegt die Rottweilerdame auf dem Rücken und mit abgespreizten Beinen auf dem Tisch im OP – während nebenan eine Tierärztin einen Kater kastriert. Mit gezielten Handgriffen bereiten Marco Werhahn Beining und sein Team die Entbindung vor, über der Hündin liegt ein türkisfarbenes Papiertuch – während drei Tiermedizinische Assistentinnen bereitstehen, eine für jeden Welpen. Dann ist es soweit, wenige Schnitte – und drei dunkle Fellbündel landen nacheinander in den Armen der drei jungen Frauen. Inzwischen vernäht Marco Werhahn Beining die Wunde wieder, aus der Wanne unter der Wärmelampe, in der die Welpen sich der Welt zurechtfinden, ertönt ein hohes Fiepen – ihre Pflegerinnen können sich ein glückliches Grinsen nicht verkneifen. Die Rottweilerhündin, der Kater und der zahngeplagte Herdenschutzhund erholen sich schließlich auf der Station von Narkose und Behandlung, jeder in einer eigenen Box natürlich. Auf seine Erholung muss das Team der Klinik für Kleintiere Sottrum allerdings noch etwas warten – die nächsten vierbeinigen Patienten warten schon.