Ehlen, Dammann-Tamke, Wildtier: CDU Sottrum lädt zur Diskussionsveranstaltung - Von Andreas Schultz

Wolf ja, aber ...

Helmut Dammann-Tamke, CDU-Landtagsabgeordneter und Präsident der Landesjägerschaft, ist dafür, auffällige Wolfsrudel durch gezielte Abschüsse zu prägen. So lasse sich sicherstellen, dass Wolf sich von Mensch und Nutztier fernhalte. ©Andreas Schultz

Sottrum. Wolfskritiker blieben am Mittwoch weitestgehend unter sich. „Die Giftigen sind nicht da“, war eine Bemerkung, die vor Beginn der Diskussionsveranstaltung zu vernehmen war. Der Sottrumer Gemeindeverband der Christdemokraten hatte eingeladen, den Umgang mit dem Wolf in der EU zu diskutieren – zufällig genau an dem Tag, als die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zum erleichterten Abschuss von auffälligen Wölfen abgenickt hat.

Rund 50 Interessierte hatten sich in dem Saal eingefunden, wo sonst auch schon Platz für 200 war. Trotzdem zeigte sich Ortsvereinsvorsitzender Helmut Intemann positiv überrascht über die aus seiner Sicht gute Resonanz. Die 50 lauschten sowohl Heiner Ehlen und Helmut Dammann-Tamke. Der ehemalige niedersächsische „Minister für Essen und Trinken“, wie Ehlen sich nennt, und der jetzige Landtagsabgeordnete blieben in ihren Ausführungen ihrer bisher öffentlich verfolgten Linie treu: Der Wolf müsse ins Jagdrecht.

Gleichzeitig machten beide deutlich, an diesem Abend ausdrücklich nicht in politischer Funktion zu sprechen. Demnach vertrat Ehlen den „Zentralverband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Niedersachsen“ (ZJEN) als deren Präsident, Dammann-Tamke sprach für die Landesjägerschaft Niedersachsen, ebenfalls in der Rolle des Präsidenten.

Für Ehlen war klar: Die Jagden sollen wertvoll bleiben. Dabei störe der Wolf empfindlich. Wo er auftritt, reißt er unter anderem Schalenwild, Schwarzwild und Hirsche. Ein Dilemma für Jagdbesitzer, weil sich das auf die Wildbestände auswirkt, die im Normalfall von Jagdpächtern geschossen werden können. So sinke der Wert der Gebiete – für die Pacht genauso wie für die Wiederveräußerung. „Das ist auch ein Stück weit Enteignung“, so Ehlen. Zur Untermauerung seiner Argumentation zeigte der ZJEN-Vorsitzende Grafiken vom Wildrückgang und Bilder von blutigen Schaf- und Kuhkadavern. „Das sind Dinge, die dürfen uns nicht kalt lassen. Nicht alle sind gleich tot, teils sind sie angefallen und ihnen wurde etwas rausgerissen. Da bleibt dann nur die Nottötung“, gab Ehlen zu verstehen.

Mit Blick auf die Europakarte erklärte er, der europäische Wolfsbestand habe „aus unserer Sicht“ längst die Vorgaben der FFH-Richtlinie für den „günstigen Erhaltungszustand“ erreicht. Das Thema sei politisch überfällig, und das nicht nur mit Blick auf den Koalitionsvertrag von SPD und CDU: „Wir hoffen, dass die EU nach der Europawahl in die Puschen kommt“, so Ehlen. Der Wolf sei zwar an sich eine Bereicherung, aber nicht das nette Tierchen zum Streicheln, wie es unter Stadtmenschen oft heiße.

Dammann-Tamke war sich nicht sicher, mit was für einem Publikum er es zu tun hatte, immerhin sei die Bandbreite der Haltungen groß: Oft rangiere sie bei solchen Diskussionsveranstaltungen „von starker Ablehnung des Wolfs bis hin zu religiöser Glorifizierung.“ Der Jäger und Politiker startete seinen Vortrag mit einem geschichtlichen Exkurs von der Einwanderung des Wolfs nach dem Mauerfall, um anhand des Fortpflanzungsverhaltens in der Lausitz deutlich zu machen: Das Wachstum der Tierzahlen steige exponentiell, auch aufgrund anhaltender Zuwanderung aus der europäischen Nachbarschaft. Flächenländer wie Niedersachsen würden nicht mehr die Zeit haben, sich entsprechend vorzubereiten, vermutet der Chef der Landesjägerschaft laut: „Die Population wird sie überrollen. Die Länder werden sich mit der Herausforderung konfrontiert sehen, die Akzeptanz für den Wolf zu halten“, so Dammann-Tamke.

Den jüngst von der Bundesregierung durchgewunkenen Gesetzesentwurf bezeichnete er lediglich als „Schritt in die richtige Richtung“. Dass bei ernsten Schäden der Abschuss einzelner Tiere aus einem Rudel genehmigt werden könnte, bis wahlweise die Übergriffe aufhören oder kein Rudel mehr da ist, betrachtet er jedoch skeptisch. „Ich bin der Ansicht, die Prägung der Tiere funktioniert nur, wenn sie in einem engen Zusammenhang mit einem Riss erfolgt, also am besten im Rahmen eines solchen Übergriffs“, sagte er und bilanzierte schließlich: „Wir werden die Rückkehr des Wolfs nur zum Erfolg machen, also für Akzeptanz sorgen, wenn der Wolf dahingehend geprägt wird, dass er sich von Nutztier und Mensch fernhält“. 13 Bundesländer – die drei Städte ließ er außen vor – sollten sich zusammensetzen, eine Zahl von ruhigen und zu schützenden Rudeln auswählen und alle anderen Wölfe bejagen – also auch Jungtiere, die sich vom jeweiligen Rudel verabschieden, um irgendwann einmal eigene Rudel zu gründen. „Wer glaubt, wir würden wieder anfangen, die Tiere auszurotten, schätzt unsere Gesellschaft falsch ein. Wir müssen aber einen vernünftigen Mittelweg finden“, so Dammann-Tamke.

Auf das Schlusswort des Referenten folgte die Diskussion. Kontroversen, unterschiedliche Meinungen, emotionale Plädoyers für den jeweils eigenen Standpunkt: All das blieb aus. Der Kanon aus dem tendenziell eher älteren Publikum war: „Der Wolf hat hier nichts zu suchen“. So formulierte es ein Scheeßeler Rentner, der seit Neuestem einige Schafe und Rinder hält. Ein anderer Redner verpackte seinen Frust in die rhetorische Frage nach dem Nutzwert biologischen Lebens: „Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, dass wir wieder Wölfe brauchen?“ . Ansonsten waren die Meldungen eher zurückhaltend und ließen sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, in etwa so zusammenfassen: Jemand drohte mit Protestwahl. Ein Naturschützer forderte einen umweltfreundlichen Kompromiss zwischen Weidetierhaltung und Wolf. Eine Tierhalterin fragte danach, ob Jäger „die Suppe der Naturschützer auslöffeln müssen“, sollte das Tier im Jagdrecht landen.

Einen zum morgigen Wahltag passenden Vorschlag brachte ein anderer zu Gehör: „Wir brauchen eine internationale Lösung“.

---

Framing-Finessen

Kommentar von Andreas Schultz

Es hätte so eine interessante Veranstaltung werden können. Reger Austausch, vielleicht auch hitzige Debatte mit guten Argumenten auf beiden Seiten – und das kurz vor der Europawahl. Dazu hätte es bloß ein paar Mutige mit anderen Meinungen gebraucht, eventuell „die Giftigen“, von denen hinter vorgehaltener Hand die Rede war. Stattdessen blieben Wolfskritiker unter sich, die Redner konnten ihre bereits bekannten Positionen ohne Gegenwind abspulen. Einseitig. Ängstliche und Frustrierte dürften sich in ihrer Meinung lediglich bestätigt sehen, zumal Dammann-Tamke nicht gerade mit Framing-Vokabular sparte: Erste Wolfsrudel errichteten „Brückenköpfe“, wie im Militärjargon Stellungen auf Feindgebiet heißen. Die Population drohe, die Flächenländer zu „überrollen“. Wolfsgegner könnten höchstens „starke Ablehnung“ formulieren, während Befürworter gerne zur „religiösen Glorifizierung“ neigten. Lobenswert ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Ehlen, dass es die Schießen-Schaufeln-Schweigen-Fraktion gibt und diese unerwünscht sei. Auch das Bild vom naiven Stadtbewohner, naiv weil Wolfsfreund trotz Distanz, feierte sein Comeback. Schade, dass es keine Diskussion gab, wie ihn sich die CDU in ihrer Einladung zur Veranstaltung gewünscht hatte. Stattdessen blieb es lediglich bei Interessenvertretung der Verbände und rhetorischem Schafspelz.