LANDTAGSWAHL Marie-Thérèse Kaiser tritt für die AfD an

Ein Ex-Modell mit Ambitionen

Entspannung vom Job in Berlin findet Marie-Thu00e9ru00e8se Kaiser unter anderem an der Ahauser Mühle. 'Hier komme ich regelmäßig mit meinen Hunden her.' u2003 Foto: Warnecke ©

VON LARS WARNECKE

Sottrum – Gerade erst ist Marie-Thérèse Kaiser wieder aus dem Urlaub zurück. Den hat sie elf Tage lang in den Vereinigten Arabischen Emiraten verbracht. Und heute? Heute ist sie mal wieder zu Besuch im kleinen beschaulichen Sottrum. Dort leben ihre Eltern, dort hat die gebürtige Winsen-Luherin einen Großteil ihres noch jungen Lebens zugebracht. Und dort hat sie auch ihren Hauptwohnsitz. Das soll er auch bleiben, obwohl sie schon lange in Hamburg sesshaft ist, dort Fashion, Luxury and Retail Management studiert hat und nun beabsichtigt, sich demnächst in Berlin oder Potsdam eine Bleibe zu suchen.

Ein paar Kilometer vom Wieste-Ort entfernt, an der malerischen Ahauser Mühle, treffen wir Kaiser, 25 Jahre alt, AfD-Direktkandidatin im Wahlkreis Rotenburg für die in wenigen Wochen stattfindende Landtagswahl. Ausnahmsweise nicht dabei: Lisa und Sunny, ihre beiden Hunde. Mit denen, erzählt sie, sei sie oft hier für ausgedehnte Spaziergänge. „Die wunderschöne Umgebung bietet sich dafür an, ich bin sehr gerne hier.“

Ihre Parteizugehörigkeit: sicher nicht ganz nebensächlich. Auch nicht, dass Kaiser eine gewisse Nähe zur rechten Szene nachgesagt wird. Aber den Wind, der um ihre Person immer wieder gemacht wird, den kenne sie natürlich, sagt sie. Die Jung-Politikerin polarisiert, klar. Nicht wenige Menschen halten ihr Künstlichkeit vor, befeuert unter anderem durch ihre chirurgisch aufgehübschte Nase. Doch zu der steht sie. Vieles, beteuert das frühere Model, pralle eh an ihr ab. Mit Spott und Hohn, den sie durchaus regelmäßig in den sozialen Medien erlebe, könne sie umgehen.

Auch was ihre politische Gesinnung anbelangt: Seit 2016 ist Kaiser Mitglied in der Partei Alternative für Deutschland, kurz AfD. Und das aus voller Überzeugung, wie sie nicht müde wird zu betonen. Früher engagierte sich Kaiser, die eigener Auskunft nach aus einer Familie stammt, in welcher es schon immer eine offene Debattenkultur gegeben habe, in der Jungen Union. Heute arbeitet sie im Büro von Bernd Baumann, dem parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, sei dort „Mädchen für alles“. Selbst ein Bundestagsmandat zu ergattern, das wäre ihr Traum. Nach wie vor. 2021, bei der Bundestagswahl, sollte es nicht reichen. Damals trat sie als AfD-Direktkandidatin im Wahlkreis Stade I – Rotenburg II an. Jetzt bringt sie sich wieder ins Gespräch – dieses Mal für das niedersächsische Landesparlament.

Warum der Bruch mit der CDU (aus der sich übrigens auch ihre Mutter, die Sottrumer AfD-Ratsfrau Andrea Kaiser, einstmals verabschiedet hatte)? Die Mittzwanzigerin kommt auf die Flüchtlingskrise von 2015/16 zu sprechen: „Als damals die Grenzen geöffnet wurden, fing ich gerade mein Studium in Hamburg an. Am Hauptbahnhof herrschten chaotische Zustände, die mir doch recht deutlich die Verantwortungslosigkeit der Politik vor Augen geführt haben. Die alleingelassenen Menschen, ob Helfer oder Flüchtlinge, taten mir einfach leid. Daraufhin habe ich gedacht, ich müsste mich mal mehr mit dem Thema beschäftigen.“ Das tat Kaiser, kniete sich in das Thema rein. Irgendwann habe der Vater ihr von einer neuen eurokritischen Partei erzählt. Deren Wahlprogramm habe sie sich zur Bundestagswahl 2017 durchgelesen – wie auch die aller anderen Parteien. „Dabei habe ich festgestellt, dass die Inhalte der AfD mit meinen Idealen noch am ehesten übereinstimmen.“ Bei einer Parteiveranstaltung habe sie dann ihren Mitgliedsantrag ausgefüllt.

Erste mediale Aufmerksamkeit erhielt die Sottrumerin durch ihre Teilnahme an mehreren, von Rechtsextremen organisierten Anti-Merkel-Demos. „Dieses Model gibt ihnen ein bürgerliches Gesicht“, titelte damals etwa ein großes deutsches Nachrichtenmagazin. Auch mit solchen Schlagzeilen könne sie umgehen. „Alles, was mit meiner Partei zu tun hat, wird in den Medien ja eh nicht originalgetreu wiedergegeben, sondern meistens mit irgendeinem politischen Auftrag“, geht sie in die Abwehr.

Was in ihrem Wahlkreis zur Landtagswahl, zu dem neben Rotenburg auch Oyten und Ottersberg zählen, auffällt: Plakate der AfD sind im öffentlichen Raum bisweilen kaum zu finden. „Es ist ja auch schwierig“, sagt Kaiser, die seit vergangenen Herbst einen Sitz im Rotenburger Kreistag hat, übrigens den einzigen für die AfD. Zwar sei die elterliche Garage voll mit noch eingepackten Plakaten bestückt – auch solchen mit ihrem Konterfei –, „nur müssten wir die wohl immer wieder nachhängen, weil sie abgerissen oder beschädigt werden“, befürchtet sie. Und: Es fehle schlichtweg an freiwilligen Helfern.

Ohnehin seien aktive Unterstützer in ihrem Wahlkampf rar, nicht wenige Mitglieder des Rotenburger Kreisverbandes, dem sie inzwischen seit vier Jahren vorsitzt, möchten doch lieber anonym bleiben – selbst solche, die im Vorstand mitarbeiten. Trotzdem: Präsenz zeigt Kaiser auf ihrer eigenen Website wie auch auf Instagram, wo sie den Kanal „Hallo, Frau Kaiser“ betreibt. Knapp 5 000 Follower hat dieser. Ohnehin seien die sozialen Medien ein wichtiges Instrument – für sie selbst wie für ihre Partei: „Dort haben wir die Möglichkeit, die Leute mit unseren Themen zu erreichen – das treibt auch die Bundespartei massiv voran.“

Und welche Herzensthemen sind es, mit denen sie den Wähler erreichen möchte? Ein konsequenteres Vorgehen gegen Clan-Kriminalität müsse etwa her, gerade in Niedersachsen, findet Kaiser. Die Stärkung der Mittelschicht sei ihr ebenso wichtig. „Da gibt es noch ganz viel Nachholbedarf.“ Und natürlich sind es die aktuell großen gesellschaftlichen Themen, die alle umtreiben, Stichwort Inflation und Energie. Und Klimaschutz? Von dem halte sie nichts, sagt sie, anders als vom Umweltschutz. „Ich halte die ganze Klimapolitik und die Energiewende für einen völligen Schwachsinn. Ja, ich sehe, dass es einen Klimawandel gibt, aber ich sehe nicht, dass der Mensch so viel Einfluss darauf hat, dass wir etwas verändern könnten.“

Ob man sie in den nächsten Wochen noch ganz klassisch am Wahlkampf-Stand treffen wird zum persönlichen Kennenlernen? „Aber ja“, versichert die Sottrumerin, die ein großer Fan von Popsängerin Lady Gaga sei, sehr gut kochen könne und eigenen Worten nach weit mehr als 100 Paar Schuhe ihr Eigen nennt. Rotenburg, Zeven und Bremervörde seien als Stationen fest eingeplant, zudem sollen an den Haustüren noch Flyer verteilt werden. „Da werden wir noch viele Dörfer abklappern.“

Ob sie sich realistische Chancen errechnet, die Mitbewerber anderer Parteien bei der Wahl stimmentechnisch hinter sich zu lassen? Marie-Thérèse Kaiser schüttelt den Kopf, räumt ein: „Ich kandidiere nur, damit die Leute überhaupt ihr Kreuz bei der AfD machen können – es soll ja auch eine Wahl sein.“ Ehrliche Worte von einer Politikerin, die jetzt aber zurück nach Sottrum muss. „Wilde Hilde“, ihre Schildkröte, ist noch nicht gefüttert worden. „Eigentlich ist sie ein Er“, verrät sie, „das haben wir aber erst zu spät gemerkt.“