Rehkitzretter jetzt noch effektiver / Helfer gesucht - VON ANDREAS SCHULTZ

Frühaufsteher mit Erfolg

Tobias Hanschen, Vorsitzender der Rehkitzrettung Sottrum, sucht Tierfreunde, die bei Einsätzen mithelfen wollen. ©Andreas Schultz

Sottrum. „Jedes gerettete Kitz gibt Ansporn, immer wieder früh aufzustehen“, sagt Tobias Hanschen. Der neue Vorsitzende vom Verein Rehkitzrettung Sottrum brennt dafür, den kleinen Tierkindern zu helfen und sie vor der Mahd zu schützen. Die Hauptsaison ist nun vorbei – und dem Vereins-Chef ist klar: Es braucht mehr helfende Hände.

Kein Wunder: In der Hauptsaison hat das Team aus 19 Tierfreunden satte 78 Stunden Einsatz hinter sich gebracht: 19 Tage lang im Zeitraum Ende April bis Ende Juni klingelte der Wecker mitten in der Nacht, damit Piloten und Feldabsucher um 4.30 Uhr an den Weiden stehen konnten. Mithilfe von Drohne und Wärmebildkamera spürten sie die Jungtiere auf, Helfer sicherten die Kitze mit Wäschekörben und Zeltheringen und markierten die Standorte deutlich sichtbar für die Fahrer der Mähmaschinen. So ließ sich bereits in der Vergangenheit so mancher Mähtod verhindern, dieses Jahr waren es 107 Kitze, die die Freiwilligen auf diese Weise bewahrten und später ihren Müttern wieder zuführten.

Der Saisonbeginn sei diesmal nass und kalt gewesen, das Wetter sorgte nicht gerade für Hochkonjunktur, was die Anfragen aus der Landwirtschaft angeht: Die Witterung war für die Mahd zunächst einfach ungünstig. „Aber dann kamen sie alle“, erinnert sich Hanschen lachend. Jeder Rehkitzretter, der einsatzbereit gewesen war, war dann auch unterwegs. Teilweise überstieg die Nachfrage der Landwirte das, was mit der beschränkten Anzahl an Drohnen möglich ist. Das führte dazu, dass einzelne Mitglieder hier und dort auf traditionellere Methoden zurückgriffen: das Durchkämmen des Feldes am Abend zuvor mit dem Hund inklusive des sogenannten „Verstänkerns“, also Vergrämung mithilfe von Duftstoffen.

So kamen die Rehkitzretter in diesem Jahr auf 890 Hektar abgesuchte Fläche. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es noch 674 Hektar. „Da macht sich die dritte Drohne schon bemerkbar“, sagt der Vorsitzende. Die neue Technik mit dem etwas sperrigen Namen „DJI Mavic Enterprise Advanced“ ermöglichte es den Freiwilligen, größere Bereiche schneller abzusuchen, weil die Wärmebildkamera auch in größeren Höhen effektiv arbeitet. „Da hat sich in den vergangenen zwei Jahren technisch viel getan“, so der Vorsitzende. Inzwischen gebe es Fluggeräte, die speziell für die Kitzrettung entworfen worden sind. Dass die Ehrenamtlichen so auch viel schaffen, zeigt die Karte des Google-Dienstes My Maps, die Hanschen verwaltet. Dort trägt er im Einsatzgebiet zwischen Vorwerk, Posthausen und Hemsbünde die abgeflogenen Felder farbig ein und der orange Flickenteppich ist im Bereich Hassendorf besonders dicht. „Dort haben wir fast alles abgeflogen, was ging“, sagt Hanschen stolz.

Die stetig steigenden Zahlen zeigen: Die Arbeit der Ehrenamtlichen ist gefragt. Dass Landwirte sich melden, rechtzeitig Bescheid geben, sobald die Mahd auf einem Feld ansteht, und um Kitzsuche bitten: „Das klappt mittlerweile fast von selbst“, sagt Hanschen. Der Rehkitzretter begründet die positive Entwicklung damit, dass bei Landwirten ein Umdenken eingesetzt habe. Tierwohl steigt im Wert, aber ein gewisser finanzieller Anreiz, den Verein in die Abläufe rund ums Feld einzubinden, besteht ebenfalls: Wem nachgewiesen werden kann, dass er den Tod der Tiere beim Mähen fahrlässig in Kauf genommen hat, dem drohen Geldstrafen, die sich bis in den im niedrigen fünfstelligen Euro-Bereich erstrecken, erklärt Hanschen.

Damit der Verein der steigenden Nachfrage im kommenden Jahr auch die entsprechende Arbeitsleistung entgegensetzen kann, sucht er weitere Feldläufer: Menschen, die sich unter Anleitung der Drohnenpiloten mit Wäschekörben zu den Jungtieren aufmachen. Sie erwartet neben dem frühen Aufstehen eine sportliche Einlage, die dem Tierschutz dient, denn laut Hanschen legen die Sucher auch schon mal zehn Kilometer in hohem Gras zurück. Die Aktiven machen das gerne, weiß der Vorsitzende: „Sie sind mit Herz und Seele dabei“, lobt er. Und neben dem guten Gefühl, ein wehrloses Junges geschützt zu haben, gebe es als Lohn oft noch einen atemberaubenden Sonnenaufgang oben drauf. Trotzdem freut er sich, dass die Saison vorbei ist. Zu den Stunden auf dem Feld kommen für ihn nämlich noch viele Stunden für die Einsatzplanung. „Die Kitze beschäftigen mich in der Saison den ganzen Tag. So lohnend das ist, freue ich mich auch darauf, den Kopf mal wieder freizukriegen“.

Wer den Verein unterstützen will, findet Kontaktmöglichkeiten und weitere Informationen auf der Internetseite rehkitzrettung-sottrum.de. Frühaufsteher, die sich am Einsatzgeschehen beteiligen wollen, müssen übrigens nicht zwingend Mitglied werden, verrät Hanschen.