Zwei junge Frauen aus Sottrum engagieren sich - VON ANTJE HOLSTEN-KÖRNER

„Alle könnten etwas besser machen“

Nike Heitmann (l.) und Josefine Müller engagieren sich nicht nur als Schülervertreterinnen am Sottrumer Gymnasium, sondern auch politisch. ©Holsten-Körner

Sottrum – Am Sonntag, 9. Juni, sind die EU-Bürger aufgerufen, ein neues Parlament für Brüssel zu wählen. Das Wahlalter wurde gesenkt, gewählt werden darf diesmal schon ab 16 Jahren. Obwohl die „Fridays for Future“-Bewegung seit 2019 viele junge Menschen auf die Straße gebracht hat, damit sich die Politik für schnellere und effizientere Klimaschutzmaßnahmen einsetzt, scheint das Interesse dieser Generation an einer Mitarbeit in politischen Gremien und Parteien überschaubar zu sein.

Zu den vermeintlichen Ausnahmen gehören Nike Heitmann aus Ahausen und die Ottersbergerin Josefine Müller. Beide sind 18 Jahre alt und Zwölftklässlerinnen des Sottrumer Gymnasiums. Während sich Heitmann den Jusos, also der Jugendorganisation der SPD, angeschlossen hat und nicht in die Partei eingetreten ist, ist Josefine Müller in die SPD eingetreten und Beisitzerin im Juso-Vorstand Verden.

„Politisiert hat mich ,Fridays for Future’. Gemeinsam mit der Klasse haben wir die Demos besucht“, erzählt Nike Heitmann, die sich kurze Zeit später in die Schülervertretung des Sottrumer Gymnasium wählen ließ. Da ihr Interesse an Politik geweckt war, absolvierte sie im Januar 2022 bei Dörte Liebetruth (SPD) ein Praktikum im Niedersächsischen Landtag. „Lange habe ich mich keiner Partei zugehörig gefühlt, denn ich bin der Meinung, dass alle etwas besser machen können“, erklärt Heitmann. Bei den Jusos fand sie jedoch viele Gleichgesinnte. „Das hat mich gepackt, denn mit den Werten Feminismus, Antifaschismus und Sozialismus kann ich mich sehr gut identifizieren“, sagt sie. Auch das Bildungsangebot für junge Menschen und die Möglichkeit, andere zu motivieren, sich ebenfalls politisch zu engagieren, gefällt ihr.

Schnell übernahm Nike Heitmann den Vizevorsitz der Jusos in Rotenburg, wo sie seit Mitte Mai Vorsitzende ist, und im Dezember einen der Vizevorsitze auf Landesebene. Eine Mitgliedschaft in der SPD kann sie sich momentan noch nicht vorstellen, schließt das aber nicht kategorisch aus. „Die SPD könnte noch progressivere und linkere Politik machen“, beschreibt Heitmann ihre kritische Solidarität mit den Sozialdemokraten. Es sei wichtig, dass junge linke Frauen sichtbarer werden und „dass nicht alles von alten, weißen Männern dominiert wird.“

„Oft werden Ideen von oben unterdrückt“, meint sie, nennt aber auch positive Gegenbeispiele: „Da ist unser Schulleiter glücklicherweise anders.“ Am Sottrumer Gymnasium entstand auch das Projekt zur jüdischen Familie Moses, für das Nike Heitmann und Josefine Müller gemeinsam mit ihre Mitschülerinnen Hanna Schnau, Mareen Harmsen, Leonie Eggers und Finja Röhl im März in Berlin mit dem Otto-Wels-Preis für Demokratie ausgezeichnet wurden. „Ich habe das Bedürfnis, mich angesichts eines stärker werdenden Rechtsradikalismus für eine Aufarbeitung des Antisemitismus einzusetzen“, sagt Josefine Müller, die ebenfalls Schülervertreterin am Sottrumer Gymnasium ist. Daher machte ihr die Herausforderung, sich beim Schulprojekt einzusetzen, viel Spaß: „Man bekommt viel zurück und entwickelt neue Stärken.“ Für sie ist es sehr befriedigend, Teil einer Arbeitsgemeinschaft zu sein, die immer größer wird.

Zu den neu gewonnenen Stärken gehört beispielsweise, Reden zu halten. Ein Impuls ging auch bei Josefine Müller von „Fridays for Future“ aus. „Aber auch die Schülervertretung war ein großer Impuls: Es ist das Gefühl, mit anderen jungen, politisch Aktiven etwas zu entwickeln, bei dem man merkt, dass daraus etwas entsteht“, so Müller, die den historischen Kontext vom Moses-Projekt bis zum Kniefall in Warschau von Willy Brandt sieht, der sie sehr beeindruckt hat.

Beim Ottersberger Ortsverband der SPD, wo sie im Vorstand eingebunden ist, fand sie vor einem Jahr ihre politische Heimat. „Durch meine Mitarbeit erhalte ich interessante und lehrreiche Einblick in die politische Arbeit auf kommunaler Ebene und kann meinen Teil dazu tun, bereits als junger Mensch am politischen Leben zu partizipieren und Dinge zu gestalten“, betont die 18-Jährige, die nach dem Abitur Psychologie studieren möchte. Neben dem Rechtsruck und einem damit verbundenen Antisemitismus bewegt die Ottersbergerin auch ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt und Migration. „Mir ist eine friedliche, inklusive Gesellschaft sehr wichtig, da sie essenziell ist für eine progressive und gerechte Zukunftsgestaltung“, betont Josefine Müller.

„Dabei zeigt man, dass man etwas bewegen und seine Meinung äußern kann. Daher ist es wichtig, wählen zu gehen“, erklärt Nike Heitmann, die nicht nur ihre eigene Stimme hörbar machen möchte. Sie erlebt, dass in der Schule und in ihrem Umfeld immer mehr – auch jüngere – Mädchen ihre Meinung sagen: „Das ist für die Demokratie sehr wichtig, davon lebt die Demokratie.“ Josefine Müller ergänzt: „Demokratie lebt von Teilhabe und geht jeden an.“