Beirat prüft Nachfrage für ehrenamtliches Betreuungskonzept - Von Andreas Schultz

Die geliehene Oma

Den kleinen Emil (Mitte) freutu2019s: Das Konzept für ein "Leihgroßeltern"-Angebot ist noch nicht einmal geschrieben, schon feiern Hans-Joachim Dodenhof (von links), Barbara Apelt, Heinz Hill und Wiebke White-Hill die erste Vermittlung.
 ©Andreas Schultz

Sottrum. Emil schüttelt die kleine Keksdose. Augenscheinlich ist der knapp Einjährige eher vom Geräusch angetan, als vom Inhalt – und so verteilt sich das Gebäck nur Augenblicke später auf dem Fußboden. Die Dose ist offen und Wiebke White-Hill, deren Schoßplatz Emil erobert hat, spielt für ihn die Erstaunte. Die Seniorin freut sich mit dem Kleinen, auf den sie gelegentlich aufpasst – und das geht auch ganz gut, ohne seine leibliche Großmutter zu sein. Sie ist Sottrums erste Leihoma.

Diagnose: „Schockverliebt. Es hat gleich zwischen allen gepasst“, sagt Barbara Apelt. Die Mutter des Jungen ist begeistert, dass es mit White-Hill und ihrem Mann Heinz Hill gleich geklappt hat. Gemeinsam probieren sie nämlich das aus, was in Sottrum bald in Serie gehen könnte: das Prinzip Leihgroßeltern.

Landflucht, weit entfernte Arbeitsstelle oder neuer Partner in einem anderen Bundesland: Gründe dafür, dass Eltern und ihre Kinder nicht immer in der Nähe der Großeltern sein können, gibt es in großer Zahl. Wo Paare neue Familien gründen, sind Oma und Opa nicht immer greifbar, umgekehrt sind für diese die Enkelkinder weit weg. An dieser Stelle sind Leihgroßeltern gefragt. Sie können den Nachwuchs tagsüber für einige Zeit betreuen und so Vater und Mutter Luft im Terminplaner verschaffen, mal zu zusammen einen Kaffee trinken oder Liegengebliebenes zu erledigen: das Tapezieren zum Beispiel. „Auf der anderen Seite geht es manchen Senioren so, dass die Enkelkinder nicht mal eben um die Ecke wohnen. Vielleicht sind sie auch gar nicht vorhanden. Menschen, die Kinder lieben, sich von ihnen für die kleinen Dinge begeistern lassen, ihnen die Welt erklären und auch das zwölfte Stück Baggermatsch-Kuchen begeistert entgegennehmen: Für sie kann die Aktivität als Leihoma oder -opa eine große Freude sein“, sagt Heinz Hill, Vorsitzender des Sottrumer Seniorenrats.

Auf ihn war Apelt nach ihrem Umzug in die Gemeinde mit der Idee für Leih-Omas und -Opas zugegangen und „gleich an der richtigen Adresse“, wie er lächelnd zu Protokoll gibt. Seine Frau Wiebke fackelte nicht lange, hatte Lust sich um den Kleinen zu kümmern. Erfahrung mit eigenen Kindern und Enkelkindern gab es zuhauf. Unbürokratisch fanden die Familien zusammen, und brachten nebenher noch den Stein für ein flächendeckendes Konzept in Rollen.

Noch gibt es da jedoch nichts Fertiges, stellt Hill klar. Bislang gehe es erst mal darum, Angebot und Nachfrage zu klären: Gibt es genug Eltern, die ein paar Stunden pro Woche Zeit brauchen? Gibt es Rentner, die diese Zeit hätten und sie ehrenamtlich einsetzen würden? Zum Abholen vom Kindergarten, zur Aufsicht, Begleitung auf den Spielplatz, zum Vorlesen, gemeinsam Singen und Basteln? Hätten auch jüngere Leihonkel und -tanten Interesse?

Kreisweit wäre es das erste ehrenamtliche Betreuungsangebot dieser Art, stellt Hill fest. Der Beiratsvorsitzende hat das bei der Koordinierungsstelle Ehrenamt bereits abgeklopft. Um ein solches System zur Vermittlung von Eltern und Ehrenamtskraft zu etablieren, müssen gewisse formale Voraussetzungen erfüllt werden – das beginnt schon mit versicherungstechnischen Angelegenheiten.

Deutschlandweit bringen laut Förderverein Patenschaften-Aktiv rund 400 lokale Vermittlungen ehrenamtliche Kinderpaten beziehungsweise Leihgroßeltern und Eltern zusammen. Alleinerziehende seien die größte Gruppe unter den Leihoma suchenden. Die Vermittlungen sind nicht kommerziell. In Ludwigsburg – der Stadt, aus der Apelt vor Kurzem Richtung Sottrum zog – gebe es das Konzept bereits seit den 90er Jahren, erklärt die Mutter. Im Süden Deutschlands sei es bereits weit verbreitet, in nördlicheren Gefilden eher weniger.

„Das soll keine Konkurrenz zu den Betreuungseinrichtungen, kein Ersatzkindergarten werden“, betont Hans-Joachim Dodenhof, ebenfalls Mitglied des Seniorenbeirats der Samtgemeinde. Auch Geld verdienen lasse sich mit der Tätigkeit nicht, einzig Aufwandsentschädigungen seien denkbar.

Ob sich das System im Sottrumer Raum etablieren wird, steht noch in den Sternen. Eins ist dafür hingegen bereits sicher: „Einmal hat es ja schon geklappt!“, sagt White-Hill, lacht, und tätschelt Emil.

Wer daran interessiert ist, seine Zeit als ehrenamtlicher Kinderpate einzubringen oder Leihgroßeltern im Bereich der Samtgemeinde Sottrum in Anspruch zu nehmen, kann sich bei Heinz Hill melden. Telefonisch ist er erreichbar unter 04264/406111. Seine E-Mail-Adresse lautet seniorenbeirat@sottrum.de.

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