Bürgerbewegung „Hassendorf unter Strom“ pro Erdkabel - Von Andreas Schultz

Geladener Widerstand

Die Bürgerbewegung "Hassendorf unter Strom" macht in der Gemeinde mit gelben Kreuzen auf sich aufmerksam.
 ©Andreas Schultz

Hassendorf. „Hassendorf unter Strom“: Dieses Wortspiel steht in der Gemeinde für Widerstand, der sich nicht in Ohm, sondern inzwischen mithilfe einer Unterschriftenzahl messen lässt. Die Bürgerbewegung wendet sich gegen die Trassenroute, die Tennet im Zuge des Ersatzneubaus der Stromtrasse Stade-Landesbergen vorschlägt. Die Gründe der Mitglieder sind zahlreich – genauso ihre Unterstützer.

Rund 550 Signaturen haben die Erdkabelbefürworter inzwischen im Rahmen ihrer Unterschriftenaktion von volljährigen Hassendorfern gesammelt – gemessen an 850 Wahlberechtigten in der Gemeinde zur Europawahl spricht sich damit der Großteil der Bewohner für eine Erdkabellösung zwischen dem Süden der Gemeinde und dem Umspannwerk aus. Für sie ist diese Alternative besser als der Freileitungsbogen, der den Ort in Süden, Osten und Norden Richtung Umspannwerk umlaufen soll. Zustimmungsrate rund 65 Prozent rechnet Hans-Uwe Franke vor, er ist einer der 15 Köpfe in der Organisation der Bewegung. „Wir hätten noch mehr bekommen können, wir haben nur leider nicht alle bei der Sammlung zuhause angetroffen“, sagt er. Ebenfalls eine deutliche Sprache „pro Erdkabel“ sprechen die weithin sichtbaren gelben Kreuze mit entsprechendem Schriftzug, die in vielen Straßen des Dorfs an etlichen Grundstücksgrenzen zu finden sind.

Dass es vom Bekanntwerden erster Pläne bis etwa März diesen Jahres gedauert hat, bis sich jemand gegen den Trassenbau aufbäumt, dafür gebe es verschiedene Gründe, vermutet Franke. Einer davon sei die Verwechslung des Freileitungsbogens mit dem Projekt Suedlink, ebenfalls von Netzbetreiber Tennet betreut. In Sachen bundesdeutscher Nord-Südverbindung ging der Kelch noch einmal an den Gemeinden Hassendorf und Waffensen vorüber. Dass Erstere mit dem Ersatzneubau der 380-Kilovolt-Leitung noch einmal hohe Masten, noch höhere in der Wümmeniederung und Schneisen durch Waltgebiete ins Haus stehen könnten, sei vielen vor Ort erst mit den Informations- und Diskussionsveranstaltungen von Grünen und Tennet (die Rundschau berichtete) klar geworden.

Der Widerstand bewegt sich spät, aber er bewegt sich. Er wendet sich nicht nur konkret an die Hassendorfer Bevölkerung, sondern auch an die Lokalpolitik. „Wir haben uns gefragt, warum es Stellungnahmen pro Freileitung gab – sowohl aus der Samtgemeinde als auch aus der Gemeinde Sottrum. Auch warum sie so früh und unaufgefordert kamen, war uns ein Rätsel“, sagt Franke. „Gemeinde und Samtgemeinde Sottrum sind im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eigentlich nicht relevant“, erklärt dazu Heike Stäcker, ebenfalls Teil der Bürgerbewegung. Umso größer ist für die Sprecher das Rätsel um die Initiative in den jeweiligen Gremien.

Die Frage darum dürfte auch während der Hassendorfer Ratssitzung am Montag – Start: 19.30 Uhr im DGH – eine Rolle spielen: Franke verspricht, die Bürgerbewegung werde mit großer Zahl an Unterstützern vertreten sein und viele Fragen parat haben, wenn der Rat den Tagesordnungspunkt „Ersatzneubau der Stromleitung Stade-Landesbergen“ aufruft. Der Agenda für die Veranstaltung ist zu entnehmen, dass die SPD-Ratsmitglieder Hannelore Mann-Sander und Petra Guderian bereits einen Antrag zum Thema vorbereitet haben.

Dass der Rat auf die Spur der Bürgerbewegung umschwenkt, ist eines der Ziele der Bewegung: „Die große Mehrheit der Hassendorfer will das Erdkabel, wir hoffen also, dass der Rat seine Stellungnahme entsprechend ändert. Aber vielleicht wird er sie auch nur zurückziehen, wir werden sehen“, so Franke.

Gründe für ein Umdenken gebe es jedenfalls genug. So argumentiert Jürgen Vollmann, Heilpraktiker und ebenfalls Mitglied der Bewegung, mit Gesundheitsrisiken, die von Freileitungen ausgehen könnten. Dabei bezieht er sich zum Beispiel auf den Gutachter der Bundesnetzagentur, der in Sachen von elektrischen und magnetischen Feldern von „großen Wissensunsicherheiten“ in der wissenschaftlichen Diskussion spricht. Als Faustregel gelte, was unter der Erde ist, ist gleich viel weniger gefährlich, so Vollmann. Sauer stößt den Aktivisten zudem auf, dass Tennet die unterirdische Kabelverlegung als „Pilottechnik“ bezeichnet, während sie in anderen Ländern bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt werde. „Das gibt ein sehr ambivalentes Bild“, meint Vollmann.

Die Liste der Argumente pro Erdkabel erstreckt sich weiter über Vogelschutz, Landschaftsbild und nicht zuletzt auch wirtschaftliche Folgen – zum Beispiel, dass der Campingplatz im Norden der Gemeinde sich bei Durchführung der bislang veranschlagten Trassenstrecke in der Existenz bedroht sieht. „Direkt vor der wunderschön gelegenen Tonkuhle, die unsere Gäste als Badegelegenheit nutzen, wird ein Strommast aufgestellt. Bäume werden gefällt und die hier ansässigen Reiher, Gänse und Eisvögel werden durch die Stromleitung bedroht“, lässt sich die Familie Kruse im Infoblatt der Trassengegner zitieren. Gleichzeitig seien die Trassengegner nicht blind gegenüber den Belangen der Landwirte, die von der Erdkabelverlegung betroffen wären. Die müssten angemessen entschädigt werden, so Franke.

Wie es aus Sicht der Gemeinde am besten weitergeht, wird sich am Montag zeigen. Selbst wenn Tennet bei der zuständigen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr seinen Vorschlag mit Hassendorfer Freileitung als Vorzugsvariante einreicht, sei „noch nicht Schluss“, so Franke. „Wir werden uns dann einschalten“. Zum einen bestehe die Möglichkeit, noch auf das Planfeststellungsverfahren einzuwirken. Und sollte das alles nichts helfen, steht noch der Rechtsweg offen. Stäcker: „Dann wird es voraussichtlich zu Klagen kommen“.

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