Eichenhofprojekt in Everinghausen lädt zum Garten- und Kulturtag ein - VON LARS WARNECKE

Wo Kunst auf Botanik trifft

Petra Keller und ihr Mann Wolfram Henn sind schon "alte Hasen" bei den Privaten Gärten. Am Samstag öffnet das Paar wieder seine grüne Oase für die Öffentlichkeit.
 ©Warnecke

Everinghausen – Irgendwie ist es ein faszinierender, fast schon märchenhafter Ort, dieser Eichenhof in Everinghausen: Früher ein Schullandheim, beherbergt das Gelände heute eine Therapiestätte. Und die umliegende Natur, sie spielt für die Besucher beziehungsweise Patienten durchaus eine große Rolle. Wie übrigens auch die Kultur. Beides streichelt schließlich die Seele und kann so zur Genesung beitragen.

So sehen es jedenfalls Petra Keller und ihr Mann Wolfram Henn. 23 Jahre ist es her, dass sie das Eichenhofprojekt aus der Taufe gehoben haben. Beide leben sie in dem historischen Reetdachhaus auf einem 13 Hektar großen Areal. Beide – er ist Allgemeinmediziner, sie Ärztin für Psychotherapie sowie Kunsttherapeutin – führen dort ihre eigenen Praxen. Und sie teilen das, was in den letzten Jahrzehnten am Großen Trift in so wunderbarer Form entstanden ist, gerne mit der Öffentlichkeit. Am Sonnabend zum Beispiel – dann lädt das Paar nach dreijähriger Corona-Pause wieder zu einem programmreichen Garten- und Kulturtag im Rahmen der Privaten Gärten ein (siehe Kasten). Ganz so privat sei die Anlage dann aber doch nicht, sagt Henn. „Durch die Seminare, die hier abgehalten werden, ist es eh schon ein öffentlicher Raum.“ Was ihn und seine Frau antreibt, bei der Tou-row-Aktion mitzumachen – und das im mittlerweile neunten Jahr? „Wir möchten ein Beispiel zeigen, wie man einen Garten gestalten kann, der auch die Natur mit einbezieht.“
Der mit interessanten Skulpturen bestückte Garten, welcher mehr oder weniger sich selbst überlassen wird („Es gehört dazu, dass Dinge blühen und wieder vergehen“, meint Henn) ist das eine, was den Ort aus der Reihe tanzen lässt. Das Projekt selbst das andere. „Am Anfang, nachdem wir hier 1994 eingezogen sind, war es ein reines Wohnprojekt“, wirft Petra Keller den Blick zurück. Nach dem therapeutischen Ansatz sei später die Ateliearbeit hinzugekommen. Aus der hätten sich zunächst kleinere Kunstausstellungen mit den Patienten herauskristallisiert. „Dann hat sich nach und nach ein Kreis regionaler Künstler angesiedelt – auch über die Ottersberger Hochschule für Künste im Sozialen.“ Die unzähligen Ausstellungen, die hier schon zu sehen waren, zeugen davon.
Therapie, Fortbildung und Kultur – das sind die drei tragenden Säulen. Und irgendwie überlappt sich hier alles. Während in Corona-Zeiten sehr viel heruntergefahren worden war (die Praxen blieben weiterhin geöffnet, das 20. Bestehen konnte 2020 kurzfristig nicht wie geplant im großen Stil gefeiert werden), will das Mediziner-Paar öffentliche Veranstaltungen ab sofort wieder vermehrt anbieten. Keller spricht von „Frühlingserwachen“.
Und Frühlingsgefühle, die bekommt beim Rundgang über das weitläufige Grundstück. ganz automatisch. Überall grünt und blüht es. Und je weiter sich der Besucher vom Haus entfernt, desto weniger ist der Einfluss des Menschen auf die Gartengestaltung für den Laien spürbar. Da findet man auf einem ehemaligen Fußballplatz einen Heilkräuter- und Staudengarten, ferner ein Teich-Biotop, welches in einer Tiefgartenanlage selbstständig entstanden ist, und einen Gedenkwald, in dem man am Reithbach entlangschlendert. „Das Wäldchen ist ein stiller Ort, ein Kraftort“, sagt die 60-Jährige. Und das kommt nicht von ungefähr: Über die Jahre hat sich unter den Bäumen ein Rückzugspunkt entwickelt – „als Ausdruck einer künstlerischen und naturnahen Auseinandersetzung mit den Themen Abschied, Verlust und Trauer“, wie Keller erläutert. Auf dem Rückweg begegnen einem die aus Jahrtausende alter Mooreiche gefertigten Skulpturen des Mulsmhorner Künstlers Ortwin Musall, einer der Weggefährten des Paares, das für den Veranstaltungstag mit herrlichem Ausflugswetter rechnen darf.
Was beide betonen: Bei ihrem Garten geht es nicht vorrangig um botanische Fachsimpelei, sondern um gestaltete Räume. „Dieser Garten ist bis heute auch immer Teil unserer Arbeit mit den Patienten“, bemerkt Petra Keller. Gartentherapien, die es ja auch geben würde, mache man aber nicht. „Ich rege nur immer an, sich im eigenen Garten Orte zu schaffen, wo man seine Traurigkeit und seine Freude hintragen kann, wo man in einen Prozess geht und die Natur mit einbezieht.“ So wie auf dem Everinghausener Eichenhof, diesem faszinierenden, fast schon märchenhaften Ort.

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