Erfolgreiche Rehkitzretter suchen weitere helfende Hände - Von Andreas Schultz

Raureif und Punkterücken

Um sie geht es bei dem ganzen Aufwand: Die Vereinsmitglieder retten Kitze vor tödlichen Verletzungen durch Landmaschinen bei der Mahd.
 ©Bettina Diercks

Sottrum. 36 Hektar in Hassendorf hatten die Rehkitzretter erst Donnerstag noch vor der Brust. Wenn die Helfer Felder absuchen, um Jungtiere dort herauszupicken, machen sie viel Fläche gut: Landwirte wollen mit ihren großen Maschinen sauber und unblutig mähen und die Ehrenamtlichen spüren dafür im Vorfeld die Jungtiere auf, um genau das zu ermöglichen. Dabei kamen allein in dieser Saison bereits 600 Hektar bei 13 Einsätzen zusammen – oder 840 Fußballfelder, wie der zweite Vorsitzende Tobias Hanschen vorrechnet. Eine Vergleichsgröße, die die Ehrenamtlichen gerne nutzen, um das Geschaffte besser greifbar zu machen.

71 Jungtiere hat der noch recht junge Verein in dieser Saison bereits aufgespürt, Stand: Freitag. Das Zeitfenster der Suchen dauert noch bis Ende Juni, aber das Hauptgeschäft geht mit dem Mai zu ende, überschlägt Hanschen. „Da geht ordentlich was ab. Danach sind es nicht mehr so viele Einsatztage am Stück“, sagt er.

Zum Vergleich: 2019 haben die Retter 24 Kitze gefunden, und zwar in der ganzen Saison. Und jetzt, mit neuer Drohne und einer besseren Wärmebildkamera, die größere Abdeckung gewährt, erhöhen die Helfer ihre Effektivität beträchtlich. Rund 53 Fußballfelder im Schnitt pro Einsatztag (also im Schnitt ungefähr 38 Hektar) sind deshalb möglich, weil die neue Technik in 70 Metern Höhe die Fläche dreimal so schnell scannt, wie es noch im vergangenen Jahr möglich war.

Mehr Fläche, mehr Tiere: Das heißt auch mehr zu Fuß zurückgelegte Kilometer für die Mitglieder jedes Sechser-Teams, das vom Boden aus die Felder absucht, wenn den Wärmesensor auf dem Bildschirm einen Hitzepunkt zeigt. „Und wir reden da nicht vom Rasen im Garten. Das sind kniehohes Gras und andere Gewächse“, verdeutlicht Erster Vorsitzender Jürgen Allmendinger. Das geht für die derzeit 15 aktiven Vereinsmitglieder schon mal an die Substanz: Die Kälte der Morgenstunden, denn die Kamera spuckt nur bis acht, maximal neun Uhr brauchbare Ergebnisse aus, das frühe Aufstehen zwischen drei und 3.30 Uhr morgens und im Einzelfall auch mal Einsatzzeiten bis weit nach 9 Uhr: Die gefundenen Kitze, die die Helfer mit Wäschekörben und Heringen sichern, werden im Verlauf des Tages eingesammelt und bei großer Zahl ist das eine zeitaufwendige Angelegenheit. „Wir haben auch Mitglieder dabei, die sich ihren Jahresurlaub für die Mahd aufsparen, um dann durchgehend zu helfen“, sagt Allmendinger in einem Tonfall, der Anerkennung mitschwingen lässt. Und es sind nicht nur die Stunden am Einsatztag, stellt Hanschen fest: Dazu kommen die Planung, das Sichten des Feldes am Vortag, das Vorbereiten der Drohne, das Programmieren der Flugroute als „Mission“ sowie die Kommunikation mit den Landwirten und Jagdpächtern.

Aber es lohnt sich, da sind sich die Helfer sicher: Die Vorsitzenden zeichnen ein romantisches Stimmungsbild, schwärmen vom Sonnenaufgang über wild anmutenden, krautigen Feldern, vom langsam tauenden Raureif, der sich beim Gang durchs Gras auch auf die Schuhe setzt, vom Vogelzwitschern, das den Beginn des Tages und das Weichen der Kälte einläutet. „Und natürlich ist es jedes Mal, wenn man ein Kitz findet, ein Ansporn, weiter Gas zu geben“, sinniert Hanschen. Oft sei der Einsatz zudem ein Rennen gegen die Zeit und besonders nervenaufreibend, wenn sich ein Wärmepunkt vom Kamerabildschirm mal nicht auf Anhieb in der Realität ausmachen lässt, weil die Tiere von Natur aus ausgezeichnet getarnt und oft gut vom Gras verdeckt sind. Aber es mache Spaß, man müsse halt nur wollen und „auch mal den inneren Schweinehund überwinden“.

Die anstrengenden Einsatztage zahlen sich also aus: Mit diesem Versprechen sucht der Verein neue Mitstreiter, Gleichgesinnte. „Wir würden die Anstrengungen der Haupteinsatztage gern auf mehrere Schultern verteilen“, sagt der Vereinschef. Willkommen seien alle, die helfen wollen. „Das ist ein bunt gemischter Haufen“, kommentiert der Vorsitzende die jetzige Zusammenstellung. Selbstständige, Juristen, Naturfreunde, Technikbegeisterte, Jäger – „und Frühaufsteher“, sagt Allmendinger und lacht.

Einen großen Dank richten die Ehrenamtlichen an die Stadtwerke Rotenburg, die den finanziellen Grundstein für den Verein und seine Aktivitäten gelegt haben und seither das Projekt Rehkitzrettung begleiten. „Wir als Unternehmen leben das, regional zu unterstützen. Deshalb sind wir gern Hauptsponsor und Unterstützer erster Stunde“, sagt Uwe Schmidt, stellvertretender Leiter von Vertieb und Marketing bei den Stadtwerken.

Wer künftig mitwirken möchte, kann über die Internetseite rehkitzrettung-sottrum.de Kontakt zu den Ehrenamtlichen aufnehmen. Das Einsatzgebiet liegt bislang vorrangig im Bereich Sottrum, aber gelegentlich steuern die Helfer auch den Rand des Landkreises an. Der Verein hilft aber auch gern dabei, selbst eine Initiative zur Rettung der Jungtiere unter ähnlichen Voraussetzungen ins Leben zu rufen. Das Know-how geben die Helfer gern weiter, sagt Allmendinger.

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