Sottrum. Wer behauptet, Politik sei ausschließlich Angelegenheit alter Herren und Frauen, der kennt Florian Willem Kolb nicht. Mit 18 Jahren trat er der Sottrumer SPD bei, mit 19 übernahm er das Amt des Vorsitzenden.
Die Aufzählung der Funktionen, die der inzwischen 20-Jährige ausübt, liest sich beinahe wie eine Einladungsliste für Ehrengäste beim politischen Neujahrsempfang: Kolb ist nicht nur Ortsvereinsvorsitzender der Sozialdemokraten, sondern auch Chef der Jungsozialisten (Jusos) des Landkreises Rotenburg, Sprecher der Juso-Hochschulgruppe an der Leibnitz-Universität Hannover und gewähltes Mitglied im Fachschaftsrat Jura. Nebenbei sitzt er noch im Finanzausschuss der Gemeinde Sottrum als Mitglied ohne Stimmrecht.
Wer den Studenten für Informationstechnologierecht und Recht des geistigen Eigentums danach fragt, ob neben Pauken und Politik noch Zeit für Hobbies bleibt, erhält die Antwort: „Politik ist Teil meiner Freizeit. Ich mache das gern.“ Dass diese Einstellung bei 18- bis 20-Jährigen nicht unbedingt alltäglich ist, scheint dem jungen Sozialdemokraten bewusst – vor allem in seiner Rolle als Juso-Mitglied. „Da fühlt man sich manchmal ein bisschen wie ein Einhorn“, sagt er und meint, dass schon das Dasein als Jungsozialist wegen gesunkener Mitgliederzahl etwas Absonderliches hat. Als SPD- und Juso-Vorsitzender ist es seine Aufgabe, Veranstaltungen zu koordinieren. Bei der SPD wirkt er zudem inhaltich mit. Wenn es beispielsweise an die Arbeit am Kommunalwahlprogramm geht, sitzt er mit den drei SPD-Bürgermeistern der Samtgemeinde Sottrum, den jeweiligen Gemeindekoordinatoren der Sozialdemokraten sowie dem geschäftsführenden Parteivorstand des Ortsvereins im Plenum. Auch im Finanzausschuss bringt er sich ein. Der Grund: „Oft scheitern Projekte an der Finanzfrage. Darüber hinaus war ich schon immer an Mathe interessiert.“ Das Einarbeiten in die doppelte Buchführung sei zwar langwierig, aber sein Faible für Mathe helfe bei der Überwindung. Außerdem: „Ich will beim Thema Finanzen nicht auf andere angwiesen sein.“ Lieber selbst mal schauen, was sich machen lässt – so findet Kolb auch den Weg zur Politik. Als Schülersprecher befasst er sich mit Bildungspolitik, wird sogar Sprecher im Landesschülerrat. Das Thema Bildung bringt ihn schließlich zur SPD, allerdings kann er zu seinem Beitritt mit einer Anekdote aufwarten: Die Heute-Show, Satire-Magazin des ZDF, rief dazu auf, den Sozialdemokraten beizutreten. Hintergrund waren die Koalitionsverhandlungen, bei denen die Neumitglieder per Votum gegen den Zusammenschluss stimmen sollten. An seinem 18. Geburtstag warf er den Mitgliedschaftsantrag in den Briefkasten. Wie das ausgeht, ist bekannt: Die Groko gründet sich und Kolb bleibt SPD-Mitglied. Denn neben der Bildungspolitik ist für den 20-Jährigen auch der Solidaritätsgedanke entscheidend: „Man muss als Gesellschaft schauen, dass es den Mitmenschen gut geht.“ Dass so wenig junge Leute sich in der Politik engagieren, liegt seiner Ansicht nach am Konstrukt Partei selbst: „Die Partei vertritt in allen Dingen einen Standpunkt. Nur die Wenigsten können jeden dieser Punkte teilen – oder sich gar für alle interessieren. Viele sehen nur dieses ‚Monstrum Partei‘, anstatt sich auf Themen zu beschränken, die sie selbst bewegen. Mich interessiert zum Beispiel die Bildungspolitik, Verkehrspolitik jedoch nicht. Und das darf mich auch nicht interessieren.“ Außerdem ist Kolb der Meinung, junge Menschen sehen ihre Interessen in der Politik nicht vertreten. Daraus entstehe ein Teufelskreis: Junge Erwachsene verschließen sich den Parteien, anstatt mitzugestalten und so ihre eigenen Interessen zu unterstützen. Kolb: „Ich habe ein Problem damit, zu sagen, ich vertrete ausschließlich das Interesse der SPD. Ich kann auch eine andere Meinung haben und damit die Partei selbst verändern.“