Sottrum (hl). Unzufriedenheit mit Umfrageergebnissen und der Fraktionswechsel von Elke Twesten: Das waren nur zwei der Themen, die während der Veranstaltung der Kreis-Grünen in Sottrum auf den Tisch kamen (die Rundschau berichtete). Eigentlich hatte der Verband unter einer ganz anderen Sache ins Gasthaus Röhrs geladen: Volker Meyer, Geschäftsführer vom Wasserversorgungsverband Rotenburg-Land, und Umweltmediziner Dr. Paul-Matthias Bantz waren als Experten vor Ort, um über Fracking zu sprechen. Die beiden Grünen Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden und Sven-Christian Kindler führten nach den Referaten der Fachleute ihre politischen Statements zur Causa aus.
Meyer schilderte die Situation der Trinkwasserversorgung durch die Rotenburger Rinne, wodurch in den natürlichen Sandfiltern normalerweise eine sehr gute Wasserqualität im Landkreis Rotenburg zur Verfügung stehen sollte. Durch das Verpressen des Lagerstättenwassers in geringen Tiefen von circa 150 Metern sei aber auch das Grundwasser in den drei Wasserschutzgebieten gefährdet. Zwei Gebiete würden von seinem Verband und eins von den Rotenburger Stadtwerken betrieben. Er betonte dabei, dass die Schutzgebiete nur zweidimensional festgelegt seien, die Wechselwirkungen im Boden müssten allerdings dreidimensional berücksichtigt werden. Auf Nachfrage gab er detaillierte Auskunft über die Bohrstelle Z11 bei Bötersen. Hier läge noch keine Genehmigung zum Fracken vor, aber diese könne jederzeit beantragt werden. Besonders prekär an dieser Stelle sei, dass sie unweit von gleich allen drei Schutzgebieten liege. Daher empfahl er, sich als betroffener Bürger frühzeitig für den Fall der Beantragung einzuschalten.
„Das Bundesbergrecht hebelt hier sogar das Landesrecht aus“, merkte Verlinden an, weil dann eben auch eine Länderöffnungsklausel ein genehmigtes Fracken nicht verhindern könnte. Der Umweltmediziner Bantz berichtete von mehreren Studien, die belegen sollen, dass je dichter jemand an den Bohrstellen wohnt, desto wahrscheinlicher eine Schädigung sei. Außerdem gehe von dem radioaktiven Material zwar schwach strahlende Alpha- oder Beta-Strahlung aus, aber besonders bei Aufnahme in den Körper könne es dann leicht zur Tumorbildung kommen. „Man darf keine hochtoxischen Stoffe einfach in die Umwelt lassen“, brachte es Bantz auf den Punkt. Ein klares Frackingverbot forderte Verlinden und verwies auf den Gesetzesentwurf der Grünen im Bundestag, der allerdings von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurde. Die Bundesregierung hatte seinerzeit mit ihrer Mehrheit einen eigenen Gesetzesentwurf mit einem gemilderten Verbot für diese Form der Erdgasförderung beschlossen. Das bundesgesetzliche Verbot von Fracking und Verpressen von Lagerstättenwasser in Wasserschutzgebieten wurde in dem realisierten Gesetz geregelt, aber die Regelung bei Vorranggebieten für Trinkwassergewinnung blieb offen. Daher traten die Grünen für ein komplettes Verbot der Frackingtechnologie ein. Weiter referierte Verlinden als energiepolitische Sprecherin über die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Allgemeinen und forderte den schnellstmöglichen Kohleausstieg. „Bei der Kohleförderung sind die Bergschäden, wie die Erdbeben beim Fracking, ein großes Problem“, so Verlinden. In der anschließenden Diskussion nannten Zuhörer weitere Probleme der Frackingtechnologie. So kritisierte die Landtagskandidatin der Grünen, Birgit Brennecke, dass das Landesbergamt zugleich Bewilliger, Kontrolleur und der „Polizist“ der Frackingindustrie in Personalunion sei. Außerdem solle die Eichung der Messgeräte bei der Industrie genauso überprüft werden, wie bei den Bürgerinitiativen. Ein anderer Gast meinte, es sei unglaublich, dass erst 2015 das Landesraumordnungsgesetz ohne Einspruch vom grünen Landwirtschaftminister Christian Meyer übernommen wurde, weil so eine Chance zur Einschränkung des Frackings versäumt worden sei. Außerdem forderten mehrere Gäste die Anhebung des Förderzinses und deren Bindung an die Finanzierung für die Entsorgung der Frackingaltlasten, wie Bohrschlamm. Weiter wurde eine dreidimensionale Raumordnung gefordert, um die Auswirkung von Veränderungen im Untergrund zu berücksichtigen. Nachdem viele Fragen und Aspekte in der gut besuchten Veranstaltung beleuchtet wurden, schloss Moderator Kindler die Diskussionsrunde.